Schweiz

Generikum für Patientin teurer als Originalpräparat 

Remagen - 20.12.2017, 16:00 Uhr

In einer Schweizer Apotheke musste ein Patientin mehr Geld für ein Generikum auf den HV-Tisch legen als für das Original. (Foto: Schlierner / stock.adobe.com)                                    

In einer Schweizer Apotheke musste ein Patientin mehr Geld für ein Generikum auf den HV-Tisch legen als für das Original. (Foto: Schlierner / stock.adobe.com)                                    


Die Art der Krankenversicherung macht es möglich: Ein Generikum war in der Apotheke für eine Patientin teurer als das Original. Allerdings nicht Deutschland, sondern in der Schweiz, die wie viele andere Länder mit Nachahmerpräparaten Kosten sparen will. Was war hier geschehen? 

Das Schweizer Konsumenten-Magazin „Espresso“ von Radio SRF 1 berichtet über einen kuriosen Fall aus dem Apothekenalltag: Seit einigen Jahren habe eine Frau von ihrem Arzt gegen ihre Wechseljahres-Beschwerden Livial® verschrieben bekommen, ein Präparat mit dem Wirkstoff Tibolon. In Deutschland wird es als Liviella® vertrieben.

In der Apotheke habe sie jeweils eine 3-Monatspackung abgeholt, die von ihrer Zusatzversicherung bei der Versicherung Visana übernommen wurde. Kürzlich habe sie der Apotheker dann dazu überredet, stattdessen das kostengünstigere Generikum zu wählen. Der Kundin sei das sinnvoll erschienen, weil sie etwas zur Kostensenkung im Gesundheitswesen beitragen wollte. Die „Rechnung“ ging allerdings nicht auf. Nach der  Abrechnung ihrer Krankenkasse musste sie das preisgünstigere Nachahmerpräparat  komplett selbst bezahlen. „Warum das?“ habe die Patientin bei der Visana nachgefragt. Das Generikum werde von der obligatorischen Grundversicherung übernommen, lautete die Antwort. Und dort müsse sie die Kosten zunächst aus ihrem Selbstbehalt (Franchise) begleichen. 

Zusatzversicherungen zahlen keine Listen-Medikamente

Zum Hintergrund: Das Schweizer Krankenversicherungsgesetz  unterscheidet zwischen einer verpflichtenden Grundversicherung (obligatorische Krankenpflegeversicherung, OKP) und der freiwilligen Zusatzversicherung. Mit Ausnahme von zahnärztlichen Leistungen und Krankengeld gewährleistet die OKP eine umfassende Versorgung mit medizinisch notwendigen Leistungen. Als Beiträge zahlen innerhalb einer Versicherung alle erwachsenen Versicherten den gleichen Beitrag als Kopfprämie. Sie können jedoch in gewissem Umfang Einfluss auf die individuelle Prämie nehmen, zum Beispiel durch Auswahl des jährlichen Selbstbehaltes (Franchise).

Präparate, die von der obligatorischen Grundversicherung übernommen werde, sind in der Schweizer Spezialitätenliste für Medikamente aufgeführt. Die meisten Zusatzversicherungen bezahlen nur Arzneimittel, dort nicht enthalten sind. Das sei ihre Verkaufsphilosophie, erläutert „Espresso“. 

1er-Packung auf der Liste, 3er nicht

Die 3-Monatspackung Livial®, die die Patientin sich bis dato immer in der Apotheke geholt hatte, ist ein solcher Fall. Sie steht nicht auf der Spezialitätenliste, wohl aber das entsprechende Generikum. Damit war die Zusatzversicherung außen vor. Erstaunlicherweise stehe aber die 1-Monatspackung von Livial® auf der Liste, merkt „Espresso“ an. Auf die Frage nach den Gründen, warum man die 3er-Packung nicht ebenfalls dafür beantragt habe, soll der Hersteller MSD Merck Sharp & Dohme erklärt haben, daran bestehe kein Interesse, denn durch das Substitutionsrecht der Apotheker käme das Original wahrscheinlich sowieso nicht oft zum Zug. Im Rahmen des Substitutionsrechtes dürfen Apotheker in der Schweiz den Patienten mit deren Einverständnis anstelle eines teureren Originalproduktes ein geeignetes Generikum abgeben, es sei denn, der Arzt schließt dies aus. 

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Knackpunkt Selbstbehalt 

Aus Sicht einer Versicherten mute der geschilderte Fall seltsam an, meint „Espresso“. Wer das teure Medikament beziehe, werde quasi belohnt, statt dass er angehalten werde, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken. Letztlich liege dies aber auch an der hohen Franchise. Die logische Folge für die sparwillige Patienten im vorliegenden Fall: Sie beziehe deshalb nun wieder das teurere Original auf Kosten der Zusatzversicherung, denn dort gebe es keinen Selbstbehalt. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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