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Skandal um Zytostatika
NRW-SPD kritisiert Landesregierung in Sachen Zytostatika
Die Kontrolle durch Amtsapotheker sei ungenügend, Rückläufer sollen von der Bundesapothekerkammer geprüft und Betroffene psychoonkologisch betreut werden: Die nordrhein-westfälische Landtagsfraktion der SPD fordert angesichts des Zyto-Skandals weitreichende Änderungen. Der Antrag soll im kommenden Jahr vom Gesundheitsausschuss im Landtag behandelt werden.
Schon gut eine Woche nach der Razzia und Inhaftierung des Bottroper Zyto-Apothekers Peter S. am 29. November 2016 berichtete die damalige Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) über den Fall. „Bei nichtkrimineller Energie haben wir eine gute Qualitätsdokumentation und eine sichere Begleitung“, erklärte die Ministerin – der Herstellungsprozess von Onkologika funktioniere dann „sehr gut“. Doch laut der beim Landgericht Essen verhandelten Anklage missachtete der Apotheker viele Hygiene- und Dokumentationsregeln und dosierte Infusionen teils erheblich unter.
„Durch die Medien ging eine Summe in Höhe von ca. 2,5 Millionen Euro“, erklärte Steffens laut Landtags-Protokoll vor einem Jahr zu dem vermuteten Schaden – inzwischen ist die von der Staatsanwaltschaft genannte Summe auf gut 56 Millionen gestiegen. Ein Amtsapotheker dürfe nicht für 150 Apotheken zuständig sein, so dass stichprobenartige Kontrollen nur alle drei bis vier Jahre stattfänden, während jede Großküche strenger kontrolliert werde, kritisierte der SPD-Abgeordnete Serdar Yüksel (SPD) damals.
„Große Intransparenz“
Seine Fraktion stellte nun im Landtag einen Antrag mit dem Titel „Konsequenzen aus dem Apothekerskandal in Bottrop ziehen – Verunsicherte Patientinnen und Patienten nicht allein lassen!“. Der Fall aus Bottrop zeige, dass das „derzeitige System Schwächen hat und von großer Intransparenz gekennzeichnet ist“, schreibt die SPD-Landtagsfraktion. Es bedürfe daher verbesserter Maßnahmen, die verhindern, dass das Patientenwohl und -vertrauen in eklatanter Weise missbraucht werden, um Gewinne zu maximieren, betont sie – insbesondere da Krebspatienten „um ihr Leben kämpfen“.
„Das System der Medikamentenversorgung von an Krebs Erkrankten
bedarf eines Höchstmaßes an Transparenz“, erklärt die Fraktion. Daher müssten
Untersuchungen und Überprüfungen aller staatlichen Kontrollinstanzen „lückenlos,
regelmäßig und in enger Zusammenarbeit“ erfolgen. Ähnlich wie der Verein demokratischer
Pharmazeutinnen und Pharmazeuten fordert der Antrag, dass die notwendige
Personalausstattung „in ausreichender Form dauerhaft sichergestellt werden“
müsse. „Die Sicherheit der Patientinnen und Patienten darf nicht dem Streben
nach möglichst hohen Gewinnmargen geopfert werden“, heißt es dort. „Vorfälle
wie der Apothekenskandal in Bottrop müssen für alle Zeit verhindert werden.“
SPD-Fraktion fordert kaufmännische Prüfungen
Der Landtag soll laut dem SPD-Antrag feststellen, dass das heutige System der Zulassung von Zytostatika-herstellenden Apotheken und die Kontrolle durch die Amtsapotheker offenbar nicht ausreichten, um sicherzustellen, dass „Patienten ihre individualisierten Medikamente in der verordneten Qualität erhalten“. Gleichzeitig kritisiert die Fraktion einen Erlass des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministers Karl-Josef Laumann vom Sommer 2017 als unzureichend: Der Minister wollte hiermit eine gleichmäßige Durchführung auch unangekündigter Kontrollen sicherstellen und Rückläufer überprüfen.
Darüber hinaus fordert die SPD-Fraktion auch kaufmännische Prüfungen, über die nachvollziehbar werden soll, „dass Einkauf und Abgabe von Wirkstoffen zusammenpassen“ – beispielsweise durch ein Testat eines Wirtschaftsprüfers. Außerdem sollte die Landesregierung mit den Apothekerkammern eine Vereinbarung schließen, die vorsieht, dass Rückläufer an eine von der Kammer eingerichtete Stelle gehen. Von dort sollen sie dem „Labor der Bundesapothekerkammer“ – gemeint ist vermutlich das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker – zur Untersuchung geschickt werden, statt sie der Apotheke zurückzugeben, die das Medikament erstellt hat.
Patienten „völlig verunsichert“
Außerdem kritisiert die SPD-Fraktion – die bis Juni 2017 in Nordrhein-Westfalen in Regierungsverantwortung war – dass Betroffene des Skandals nicht ausreichend betreut wurden. Seit nunmehr einem Jahr seien Patienten aus dem Raum Bottrop, die bei ihrem Onkologen individuell zubereitete Medikamente erhalten haben, „völlig verunsichert“, sofern sie ihre Infusionen von dem angeklagten Apotheker erhalten haben. „Es gibt für sie keine Gewissheit, ob ihre Medikamente richtig oder falsch dosiert waren“, schreibt die SPD-Fraktion. „Selbst diejenigen, deren Krankheitsverlauf Anlass zu Optimismus gibt, leben in der Angst, dass durch falsche Dosierungen der verordneten Wirkstoffe ihr Gesundheitszustand sich jeden Moment verschlechtern wird.“
Daher fordert der Antrag, dass „dringend“ eine psychoonkologische Begleitung sichergestellt werden müsse. Auf Anfrage von DAZ.online hatte das Düsseldorfer Gesundheitsministerium im August bereits erklärt, keine derartigen Angebote zu planen, sondern an die behandelnden Ärzte verwiesen. Die Landesregierung müsse mit den Krankenkassen „eine Vereinbarung schließen, um zeitlich befristet für die betroffenen Patientinnen und Patienten eine Anlaufstelle für psychoonkologische und psychosoziale Beratung einzurichten“, fordert die SPD-Fraktion.
Ihr Antrag soll aufgrund der voraussichtlich langen Haushaltsdebatte am heutigen Mittwoch nicht vom Landtag diskutiert werden. Vorgesehen ist, dass dieser zum zuständigen Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales überwiesen und dort weiter behandelt wird.
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