DAZ.online-Spezial Direktvertrieb

„Als Heilberufler muss man nicht jede Geschäftsmöglichkeit ergreifen“

Berlin - 09.01.2018, 16:00 Uhr

DAV-Chef Fritz Becker kämpft für die traditionelle Lieferkette und warnt vor einem zu großen Direktvertriebs-Anteil. (Foto: Schelbert)

DAV-Chef Fritz Becker kämpft für die traditionelle Lieferkette und warnt vor einem zu großen Direktvertriebs-Anteil. (Foto: Schelbert)


Becker: Exporte sind legal

DAZ.online: Warum ist denn der pharmazeutische Großhandel der „Goldstandard“ für Apotheker?

Becker: Mit einem oder auch zwei oder drei Großhändlern hat die Apotheke eine feste und vertrauensvolle, oft schon jahrelange Vertragsbeziehung. Ein wesentliches Auswahlkriterium ist die Verlässlichkeit und Geschwindigkeit der Lieferung in die Apotheke. Gerade dann, wenn das benötigte Arzneimittel nicht in der Apotheke verfügbar ist, muss der Apotheker wissen, wann er es erhält, bevor der Patient die Apotheke wieder verlässt. Insofern geht es hierbei nicht nur um innerbetriebliche Abläufe, sondern um den Patienten selbst. Selbstverständlich mögen die finanziellen Lieferkonditionen ein weiterer Auswahlgrund sein.

DAZ.online: Welche Vorteile hat aus Ihrer Sicht die „traditionelle“ Lieferkette Hersteller – Großhandel – Apotheke? 

Becker: Neben seinen logistischen, finanziellen und vergleichsweise unbürokratischen Leistungen hat der Großhandel auch noch eine wichtige Filter- und Datenschutzfunktion. Letztlich macht er die einzelne Apotheke unabhängiger von den Arzneimittelherstellern und ihrem Marketing. Kein Hersteller muss zwingend wissen, wann welche Apotheke welches Arzneimittel bestellt und geliefert bekommt.

Becker: Wir stehen im Austausch mit dem Phagro

DAZ.online: Was unternimmt der DAV, um die Situation für die Apotheker hier etwas zu entspannen? 

Becker: Zuerst sind wir Apotheker daran interessiert, die bestmögliche Arzneimittelversorgung unserer Patienten sicherzustellen. Um dies zu sichern, steht der Deutsche Apothekerverband natürlich in engem Austausch mit den Herstellerverbänden und dem Großhandelsverband PHAGRO. Wer zum Modell eines vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels steht, wie ich es tue, für den muss der Regelfall die Belieferung durch den Großhandel sein, und die Direktbelieferung die Ausnahme. Aber selbstverständlich muss hier der Einzelne entscheiden. 

DAZ.online: Inwiefern tragen auch Apotheker und Großhändler aus Ihrer Sicht eine Teilschuld? Liegen die Kontingentierungen und die Auslagerungen in die Pharma Mall auch eine Reaktion der Industrie auf vermehrte Exportgeschäfte der Apotheker und Großhändler?

Becker: Auf dem Deutschen Apothekertag im Jahr 2014 in München haben wir im Zusammenhang mit Arzneimittelfälschungen ausdrücklich gefordert, dass die Vertriebswege insgesamt wieder transparenter und direkter werden müssen. An dieser Forderung hat sich bis heute nichts geändert. Dies gilt einerseits für die Importquote, wo Gesetzgeber und  Krankenkassen uns Apotheker weiterhin zwingen, fünf Prozent unseres Umsatzes mit Arzneimitteln zu machen, die eigentlich für andere europäische Länder bestimmt waren. Das gilt aber auch für Apotheken und Großhändler, die meinen, sie müssten einzelne Medikamente zu höheren Preisen ins Ausland verkaufen. Das ist im Regelfall legal. Aber man muss, gerade als Heilberufler, nicht jede legale Geschäftsmöglichkeit auch ergreifen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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