Apothekenzahl

AOK will „Stadtflucht“ bei Apothekern durch Höchstpreise fördern

Berlin - 09.01.2018, 17:10 Uhr

AOK-Chef Christopher Hermann will dafür sorgen, dass Stadtapotheker aufs Land fliehen. (Foto: AOK BW)

AOK-Chef Christopher Hermann will dafür sorgen, dass Stadtapotheker aufs Land fliehen. (Foto: AOK BW)


Die stetig sinkende Apothekenzahl ist für die AOK Baden-Württemberg per se kein Problem. In einer Pressemitteilung teilt die Kasse mit, dass die absolute Zahl der Apotheken keine Aussagekraft habe. Vielmehr müsse es gelingen, ein ausgewogenes Versorgungsverhältnis zwischen Stadt und Land wiederherzustellen. Das Rezept der AOK: Höchstpreise und ein gestärkter Versandhandel.

Mehrere Medien berichteten am heutigen Dienstag über veraltete Apothekenzahlen. Die ABDA hatte zuvor gegenüber der Nachrichtenagentur dpa darauf hingewiesen, dass es 2009 noch 21.602 Apotheken gegeben habe, bundesweit sei die Zahl auf 20.023 bis Ende 2016 zurückgegangen. Die neuesten Zahlen aus dem vergangenen Jahr hatte die dpa in ihrer Meldung allerdings nicht berücksichtigt: Demnach war die Zahl schon im März 2017 erstmals seit Jahrzehnten unter die Marke von 20.000 gefallen, die neuesten ABDA-Zahlen gab es im August 2017: Demnach gab es Mitte 2017 nur noch 19.880 Apotheken.

Trotzdem hat die AOK Baden-Württemberg von Kassenchef Christopher Hermann diese Zahlen aus dem Jahr 2016 am heutigen Dienstag in einer Pressemitteilung aufgegriffen. Unter der Überschrift „Umstrukturierung geht vor Konzentration“ erklärt die Kasse, dass sie nicht sehr besorgt sei ob der sinkenden Apothekenzahl. Wörtlich heißt es: „Angaben über die absolute Zahl der Apotheken sagen über die Qualität der Versorgungssicherheit wenig aus.“ Zwar habe die Versorgungssicherheit die oberste Priorität für die mitgliederstärkste Krankenkasse in Baden-Württemberg. Aber: „Konkurrieren in den Fußgängerzonen mancher Großstädte mitunter zwei oder drei Apotheken auf Sichtweite miteinander, stehen dieser Überversorgung ländliche Regionen gegenüber, in denen ganzen Ortschaften keine einzige Apotheke mehr zur Verfügung steht.“

„Das Problem: Auch Apotheken müssen rentabel wirtschaften“

Aus sprachlicher aber auch aus politischer Sicht folgt in der AOK-Mitteilung dann ein bemerkenswerter Satz: „Das Problem: Auch Apotheken müssen rentabel wirtschaften.“ An diese Feststellung schließt sich eine kurze Erklärung zur Rx-Preisbindung und zum Fixhonorar an. Und aus Sicht der AOK Baden-Württemberg liegt genau in diesen beiden Regulierungen die Quelle allen Übels. Denn: „Die Folge dieser Form der Preisbildung ist, dass sich Apotheken dort rechnen, wo sie besonders viele Einzelpackungen verkaufen können. Und das ist vor allem in der Nachbarschaft niedergelassener Ärzte in den Innenstädten der Fall. Für den Umzug aufs Land spricht aus Sicht der Apotheker momentan nicht viel.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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11 Kommentare

AOK

von Karl Friedrich Müller am 15.01.2018 um 20:27 Uhr

Herr Hermann:
Was !!! Kostet die Werbung der AOK bei der Handball EM????

Sie schmatzen mit den Beiträgen der Versicherten!
Dafür werden sie nicht erhoben.
Es wird Zeit, dass gegen diese Form der Veruntreuung vorgegangen wird.

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wer verdienst zu viel?

von Karl Friedrich Müller am 11.01.2018 um 9:12 Uhr

da liegen die Kassenbosse nachts schwitzend in ihrem eigenen Saft, weil sie mutmaßen, dass es Apotheken zu gut geht.
Oder ist es der berühmte Finger, der auf andere zeigt und 3 zeigen zurück? (ein schlechtes Gewissen haben die nicht)
Die Krankenkassen haben es sich sehr komfortabel eingerichtet und verbrauchen das 3fache der Kosten im Vergleich zu Apotheken. Vorneweg die Bosse, diue sich unanständig viel Geld genehmigen.
Aber auch die Ärzte, die es sich leisten können, Patienten, besonderes zum Quartalsende, abzuweisen, bzw auf später zu vertrösten, weil da schon "genug" verdient ist oder man für die Leistung nicht mehr so vergütet wird wie am Quartalsanfang.
Da frage ich mich doch, wer hier überbezahlt ist im Gesundheitswesen.
Es werden zu viele Anreize gesetzt für Fehlleistungen. Bestimmt nicht jedoch in Apotheken.

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Rabattverträge

von Holger am 10.01.2018 um 15:25 Uhr

Würde Herr Hermann denn im Falle einer Höchstpreisregelung auf die sonstigen bürokratischen Monster wie Ausschreibungen, Herstellerrabatte, Moratoriumsrabatte und so weiter verzichten? Ich schätze eher nicht. Und mit wem will er denn den tatsächlichen Preis verhandeln? Mit jeder einzelnen Apotheke? Oder will er seinen Versicherten nur noch einen Höchstbetrag erstatten und der Rest wird dann zur Eigenleistung?

Das ist ziemlich unausgegoren. Und man muss sich dabei vor Augen halten, dass es in Deutschland nur zwei Bereiche gibt, in denen Preisbindung herrscht - bei Büchern und bei verschreibungspflichtigen AM. Und bei letzteren steht neben der Tatsache, dass es sich um ein Gut handelt, das eben nicht in einem "Markt" im wirtschaftswissenschaftlichen Sinne gehandelt wird, der Schutz des Patienten vor Ausbeutung im Vordergrund. Wir erleben doch, was Schlüsseldienste so machen, wenn man nächtens einen braucht. Und wir erleben, was die Pharmaindustrie für Preise kalkuliert, solange sie ein Monopol auf ihr Produkt hat. Herr Hermann sollte froh sein, dass es eine Arzneimittelpreisverordnung gibt!

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Abseits der Realität

von Gerrit Linnemann am 10.01.2018 um 14:53 Uhr

„Das Problem: Auch Apotheken müssen rentabel wirtschaften.“
Der einizig sinnvolle Satz, der Rest ist so realitätsfern wie das "Gutachten"...

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Ich habe Tränen gelacht :D

von Peter Lahr am 10.01.2018 um 12:33 Uhr

150 Patienten. Aus dieser "Masse" irgendwelche Ansprüche geltend zu machen dass solch eine Apotheke vom Markt zu verschwinden hat ist schon ein bisschen größenwahnsinnig. Denn 150 Patienten pro Jahr vs. 10 000 pro Jahr, hui das sind immerhin mindestens 85 Euro pro Monat Honorar Rohertrag die (ein Posten pro Rezept) in die Stadtapotheke fliessen und, wenn jeder Patient davon zuzahlungspflichtig ist, Kosten für die Kasse von, überleg, mindesten 33 Euro pro Monat an Honorar!!!! Der Apotheker in der Stadt ist wirklich ein Heckenbock im Felle der Kassen, man stelle sich den Verlust vor wenn diese Patienten auf einmal fehlten.....

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Vielleicht will Hermann doch eine AOK-Kette?!

von Heiko Barz am 10.01.2018 um 10:53 Uhr

Dieser nach Medienmacht strebende AOK Mensch Hermann sollte bei all seinem sozialistischen Bestreben sich auch Gedanken machen über seine, in den Medien überaus präsente KKasse, dass auch "seine" AOK im Strudel der gesundheitlichen Gleichmacherei durch eine staatliche "Deckelkasse" überflüssig werden könnte.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine Bürgerversicherung nach Lauterbachs Gusto geben wird.
Wichtig dabei ist die Erkenntnis, dass es genügend politisch sozialistisch verwirrte Protagonisten in allen Parteien gibt, denen der Verlust unseres - und noch haben wir eines der Besten -Gesundheitswesens völlig egal ist.
So ein Virus,wie bei den Paracelsuskliniken, könnte sich auf allen Gesundheitsebenen schneller verbreiten als viele der medienbewußten Gesundheitskritiker es sich vorstellen können.

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Kranke Kassen

von Dr. Arnulf Diesel am 10.01.2018 um 9:55 Uhr

In Wirklichkeit geht es natürlich nicht darum, Landapotheken attraktiver zu machen. "Mitglieder-Rekord der Krankenkassen kostet alle viel Geld" (Welt, 19.12.2017). Unter "alle" darf man vermutlich zunächst diejenigen verstehen, die keine starke Lobby haben - wie wir Apotheker. Die Ärzte können sich noch länger wehren. Da die meisten der 1,3 Millionen neuen Mitglieder vermutlich nie einen Cent in die GKV einzahlen, muß die Finanzierung anders geregelt werden. Da wird sich mal am Gesundheitsfonds (von den GKV Mitgliedern erwirtschaftet) bedient, die Sozen möchten am liebsten die 220 Milliarden Euro Rücklagen der PKV Versicherten beschlagnahmen. Aber auch "Kleinvieh" wie die angeblichen 1,x Milliarden, die die Apotheken zu viel bekommen lohnt sich. Nicht eingerechnet die kostenlose Versorgung durch Retaxen.

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Erpressung.

von Reinhard Rodiger am 09.01.2018 um 23:04 Uhr

Die strategische Vorgabe der AOK ist offensichtlich die Übernahme der Arzneimittelversorgung.Das Erpressungsmodell , das der Industrie aufgedrückt wurde, soll auch bei Apotheken funktionieren.Bei der Industrie führte das zur Minimierung der Hersteller und unkalkulierbarer Abhängigkeit von Indien/China.Am Ende der Kette steht EIN Lieferant und Lieferprobleme.Wenn der ausfällt,ist das den Krankenkassen zu verdanken.
Das gleiche Szenario wird den Apotheken aufgedrückt.Sie werden minimiert, der Versand unter Druck gesetzt mit Selektivverträgen als Hebel.dann gibt es Konzentration und das Ziel ist erreicht.Faktische Übernahme nach dem Geschmack der KK.Eben Zusammenlegung von Executive und Legislative.Totale Entdemokratisierung.
Es ist Irreführung, zu erwarten bei 40% Marktanteil gibt es fairen Wettbewerb.Wenn du mein Brot nicht frisst,kriegst du gar keins.Ein "hehres" Ziel und sparsam.

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AllesOK?

von Christian Timme am 09.01.2018 um 19:05 Uhr

Aus Sicht der AOK hätte das Modell folgende Vorgaben zu erfüllen: Befinden sich die Apotheken im „Fremdbesitz“ müssen die Preise runter. Befinden sich die Apotheken im teilweisen „Eigenbesitz“ müssen die Preise hoch. Der Versandhandel ist nur Melkkuh und Steuerungsinstrument ... bis das Ziel erreicht ist ...

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ich vergaß...

von Michael Weigand am 09.01.2018 um 17:54 Uhr

...noch was Herr Herrmann,

bei boots gibts mittlerweile Tote durch den "gesunden Wettbewerb". Sollten Sie sich durchsetzen, ist das auch hier zu erwarten (bei einem gewissen Zyto-Ausschreibungsgewinner gings doch am Schluß auch nur darum, wer der Billigste ist). Wenn dies also dann so eintritt, tragen Sie, Herr Herrmann, eine Mitverantwortung an den gesundheitlichen Folgen für die Patienten und nicht die überarbeiteten Apothekenmitarbeiter (Höchstpreise=geringere Marge=mehr Umsatz pro Mitarbeiter notwendig (gesunder Wettbewerb)=größerer Leistungsdruck=Fehler=gesundheitliche Folgen)

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Manchmal fragt man sich...

von Michael Weigand am 09.01.2018 um 17:43 Uhr

....ob die KAssenchefs selbst die Freigabe von Cannabis zum Eigengebrauch gefördert haben...

1. Mitnichten gäbe es durch Höchstpreise eine Stadtflucht....Das verlogene an der Sache ist ja, dass es dann wenn schon eine totale Preisfreigabe logisch wäre.
2. Da mit den heutigen Fix und zukünftigen Höchstpreisen (wohl auf gleichem Level) ja schon heute kaum eine Landapotheke überleben kann. Dieser Logik zufolge hiese Höchstpreise Vernichtungskampf unter Apotheken, die dazu führen würde, dass kurzfristig vielleicht der eine oder andere wirklich aus Ballungszentren fliehen würde, nur um dann ein zweites Mal auf dem Land zu scheitern, denn
3. der Versandhandel mit Höchstpreisen und (was die AOK gerne verschweigt) bald Selektivverträgen (die liegen doch schon in der Schublade) wird zum endgültigen Apothekensterben führen.
4. Folglich ist die Forderung der AOK BA-Wü nichts anderes als die komplette Vernichtung der heutigen Apothekenstrukturen, um dann über Pickup und Video-Warteschlangen-Beratung a la Telekom-Hotline die pPatienten billigst abzuspeisen
5. Man kann das auch alles so wollen. Wir leben ja in einer Demokratie. Man soll aber bitte nicht so verlogen und so arrogant sein und glauben, dass wir diesem Herrn Hermann diese Mär von der flächendeckenden Versorgung glauben.
6. Typisch GKV wierden hier die guten Argumente der Apotheker aufgesogen und mit bewußten Falschinterpretationen der Öffentlichkeit als eigene Argumente zur Problemlösung dargeboten...ekelhaft.
Es wäre wünschenswert, wenn die Krankenkassen, deren Verwaltungsapparat deutlich mehr Kosten als die Apotheken verursachen, mal anfangen würden, über eigene Einsparungen nachzudenken. Es sollte sich auch mal den Medien die Frage stellen, warum nicht eine Krankenkasse wie in anderen Ländern auch möglich wäre. Zudem sollte man auch mal den ausländischen Versicherungen den Zugang ermöglichen und auch den Normalpatienten die freie Wahl lassen, wo man sich versichert. Ausländische Anbieter könnten das sicherlich billiger.
Das Problem an diesen Vorschlägen ist nur, dass ja Krankenkassen zwei wichtige Funktionen (gesetzliche wie Private) in Deutschland erfüllen...
1. Sie bieten Funktionärsposten....
2. Die ach so freundlichen Medien (Print, Radio und Fernsehen) sind ja geradezu vollgepflastert mit unseren Versichertengeldern in Form von Werbung
3. Soll doch keiner glauben, dass sich diese Symbiose aus Medien, Kassen und Politik hier langfristig gegenseitig schaden würde...

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