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100.Todestag von Dr. August Oetker:
Vom Apotheker zum Back-König
Heute vor 100 Jahren starb Dr. August Oetker. Eine besondere Rezeptur macht den Apotheker bis heute unvergessen: Das Backpulver Backin. Entwickelt im Labor seiner Bielefelder Apotheke, legte das weiße Pulver den Grundstein für ein weltweit erfolgreiches Unternehmen. Noch heute produziert der milliardenschwere Konzern das Produkt nach dem Originalrezept des Apothekers, der auch als genialer Marketingstratege auffiel.
Als Sohn eines Bäckermeisters und der Tochter eines Juristen wird August Oetker am 6. Januar 1862 in der Nähe von Minden in Nordrhein-Westfalen geboren. Die Zeit, in der er mit zwei Geschwistern aufwächst, ist geprägt vom Aufschwung der industriellen Revolution und dem expansiven Geist der Gründerzeit. Es ist ein Klima, in dem vieles möglich scheint, wo Pioniergeist und Experimente belohnt werden – wie es auch später bei dem Bäckerssohn der Fall sein wird.
Oetker beginnt zunächst eine dreijährige „Apothekerlehre“. Anschließend studiert er in Berlin Naturwissenschaften und promoviert 1888 im Fachbereich Botanik an der Universität Freiburg. Ein Jahr darauf heiratet er seine Frau Caroline, die er bereits 1882 in Hanau kennenlernt hatte, als sie gerade mal 15 Jahre alt war. Kurz nach der Hochzeit kommt der Sohn Rudolf zur Welt. In Berlin beteiligt sich der junge Oetker an einem Unternehmen für Apothekeneinrichtungen. Doch der hoffnungsvolle Einsatz führt zu großen finanziellen Verlusten. In Bielefeld wagt der Naturwissenschaftler einen Neuanfang. Mit einem Zuschuss seiner Schwiegermutter und der Aufnahme einer Hypothek erfüllt er sich einen lange gehegten Traum: Zum 1. Januar 1881 übernimmt er die Aschoff´sche Apotheke in der Bielefelder Innenstadt.
In der Offizin versorgt Oetker die Bielefelder mit Tinkturen, Kapseln und Salben. Hinten im Labor tüftelt der 29-Jährige an seinen Versuchsreihen. Er entwickelt Warzentinktur, Fußcreme oder den sogenannten Sanitätskakao. Laut Firmenchronik sind es ein halbes Dutzend neuer Medikamente, die Oetker in kürzester Zeit erfindet und vermarktet. Seine Frau Caroline unterstützt Ihren Mann bei der Arbeit und den Experimenten in seiner „Geheimbutze“. Der Durchbruch gelingt dem umtriebigen Tüftler zwei Jahre später: mit dem Backpulver Backin. Es handelt sich um die Weiterentwicklung eines Produktes, das der Chemiker Justus Liebig als Ersatz für Hefe entwickelt hatte. Jenes konnte allerdings nicht lange gelagert werden und hatte zudem einen lästigen Beigeschmack.
Im Labor tüftelte Oetker an neuen Rezepturen
Das neue Produkt wirkt rückblickend wie die logische Symbiose aus Oetkers Herkunft und seinem pharmazeutischen Know-How. Zeitzeugen berichten, dass es lange dauerte, bis der Bäckerssohn mit der Mischung zufrieden ist und alle Nachteile beseitigt hat. Bäckermeister Eduard Müller erinnert sich, wie Oetker immer wieder mit geheimnisvollen kleinen Päckchen in der Backstube des Vaters auftauchte. Der Apotheker feilt so lange an der Zusammensetzung, bis er eine „Gelinge-Garantie“ für Kuchen und Backwaren aussprechen kann. Sein Erfolgsgeheimnis: Er überträgt die Idee der Arzneimittelherstellung auf die Entwicklung des Backtriebmittels. Oetker findet die optimale Dosierung und gewährleistet gleichbleibende Qualität durch genaue Proportionierung. Statt in Kapseln füllt er das Pulver in kleine Papiertüten zu je 20 Gramm für ein Pfund Mehl. Zehn Pfennig kostet eine Einheit – nicht wenig Geld für damals. Doch die gleichbleibende Qualität sorgt für reißenden Absatz bei den Hausfrauen. 1906 wurden bereits 50 Millionen Päckchen Backin verkauft.
Der Apotheker erweist sich auch als genialer Marketingstratege und gibt seinen Kundinnen besondere „Beipackzettel“ an die Hand: Rezepte oder ein Kochbuch mit Ernährungstipps und Backideen, die alle natürlich Backin als Zutat enthalten. Das Unternehmen expandiert rasch. Im Mai 1900 zieht die Firma in die Bielefelder Lutterstraße, wo noch heute die Konzern-Zentrale steht. Vanillin-Zucker und natürlich das legendäre Puddingpulver erweitern die Produktpalette.
Privat muss der Unternehmer 1916 einen schweren Verlust verkraften, als sein Sohn Rudolf im ersten Weltkrieg in der Schlacht von Verdun fällt. Der erfolgreiche Patriarch erholt sich nie von dem schweren Schlag. Zwei Jahre später stirbt er im Alter von nur 56 Jahren in Bielefeld.Bis heute ist der Konzern in Familienhand und längst kein reiner Nahrungsmittelhersteller mehr. Die Reederei-Tochter Hamburg Süd steuert ebenso zum Umsatz bei, wie die Brauerei-Gruppe Radeberger, Henkell Spirituosen, das Bankhaus Lampe und diverse Luxushotels.
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