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Die Landeshauptstadt Baden-Württembergs möchte die Arzneimittelversorgung verbessern und hat dazu das Projekt „MeinPlan Stuttgart“ ins Leben gerufen. Durch einen Medikationsplan, den allerdings im Gegensatz zum bundeseinheitlichen Plan der Patient selbst mit Unterstützung von Arzt oder Apotheker führt, soll das Verständnis für die Arzneimitteltherapie verbessert und so unerwünschte Arzneimittelwirkungen verringert werden. Die Auftaktveranstaltung fand am gestrigen Donnerstag in Stuttgart statt.
Nur ein geringer Prozentsatz der geführten Medikationspläne ist
offenbar aktuell und korrekt ausgefüllt. Damit der Medikationsplan
funktioniert, muss er aber vollständig sein. Daher haben die Stuttgarter
Gesundheitskonferenzen, inspiriert vom bereits 2012 gegründeten „Aktionsbündnis
Sichere Arzneimittelanwendung" aus dem Rhein-Neckar-Kreis/Stadt Heidelberg, das Projekt „MeinPlan Stuttgart“ ins Leben gerufen. „MeinPlan Stuttgart“ wird
im Rahmen des Schwerpunktthemas „Gesund älter werden“ durchgeführt.
Im Gegensatz zum bundesweit einheitlichen Medikationsplan wird „MeinPlan Stuttgart“
aber nicht vom Arzt, sondern vom Patienten selbst geführt. So soll er für seine
Arzneimitteltherapie sensibilisiert und die Kompetenz für die eigene Gesundheit
gestärkt werden. Auf diese Weise sollen Probleme, die in Zusammenhang mit
Polymedikation entstehen, verringert werden. Auf
der Internetseite des Projekts finden sich pdf-Vorlagen für den Plan, sowie Varianten in
anderen Sprachen. Außerdem besteht für Patienten die Möglichkeit, den Plan
anonym elektronisch auszufüllen und auszudrucken.
Gesundheitskompetenz in Deutschland muss gefördert werden
Bürgermeister Werner Wölfle betonte zu Beginn der
Auftaktveranstaltung am gestrigen Donnerstag, wie wichtig und auch kompliziert
es heutzutage ist, mit Arzneimitteln richtig umzugehen und dabei den Überblick
zu behalten. Wölfle ist davon überzeugt, dass der Medikationsplan genau dies
gewährleisten kann. Mit „MeinPlan Stuttgart“ solle die Gesundheit der Bürgerinnen
und Bürger in der Stadt verbessert werden.
Auch Arzt und Kabarettist Dr. Eckart von Hirschhausen, der das Projekt als
Schirmherr unterstützt, sprach sich für den Medikationsplan aus, denn „wir
haben keinen Plan, was in Wirklichkeit bei den Menschen zuhause passiert“. Laut
einer aktuellen Untersuchung stimme in 98 Prozent der Fälle die Patientenakte
beim Arzt nicht mit den tatsächlich vom Patienten eingenommenen Arzneimitteln überein.
Insgesamt müsse sich die Gesundheitskompetenz in Deutschland verbessern.
„Gesundheit entsteht nicht beim Arzt“, erläutert Hirschhausen und fügt hinzu,
dass kein Arzneimittel so gut sei wie Prävention. Umso wichtiger ist es seiner Meinung nach, das
Thema Gesundheitskompetenz zu fördern. Der Medikationsplan sei ein wichtiger
Anfang für eine breite Diskussion.
Ärzte und Apotheker stehen hinter dem Projekt
Für Dr. Markus Klett, Vorsitzender der Ärzteschaft
Stuttgart, ist der Plan eine sinnvolle Ergänzung zum bundesweit einheitlichen
Medikationsplan. Aus Sicht der Ärzte ist es vorteilhaft, dass der Patient seinen
Plan selbst führt und so vieles in Erfahrung gebracht werden kann, was vorher
unbekannt war. Im Gegensatz zu den Beipackzetteln der Arzneimittel sei der Plan
der richtige Weg. Die Beipackzettel führen laut Klett nämlich eher dazu, dass
die Therapie verhindert wird. Deshalb unterstütze er das Projekt "MeinPlan".
Silke Laubscher, Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer, hob den Nutzen von
Arzneimitteln hervor. „Viele Menschen können trotz Erkrankungen dank
Arzneimitteln aktiv am Leben teilnehmen. Diesen Nutzen sollte man in den
Diskussionen nicht vergessen. Das Problem der Polymedikation erläuterte
Laubscher am Beispiel einer älteren Patientin, die insgesamt über 20 Arzneimittel
zu sich nahm und vielen Fällen gar nicht wusste, wieso. Durch eine
Medikationsanalyse nach ATHINA konnte die Medikation aber deutlich reduziert
werden. Der Medikationsplan kann eine solche Analyse deutlich vereinfachen. Denn
Arzneimitteltherapiesicherheit können Arzt und Apotheker nur dann steigern,
wenn der Patient mitwirkt. Dafür müsse er sich aber mit seiner Therapie gut
auskennen. Nicht selten wissen Patienten in der Apotheke nicht, welche
Arzneimittel sie noch einnehmen. „Wenn der Patient dann keine Kundenkarte hat, ist
das ein schwieriges Rätsel.“ Durch den Medikationsplan setze sich der Patient
aber aktiv mit seiner Medikation auseinander und steigere so sein Wissen,
findet Laubscher.
Mit Kommunikation zu mehr Patientensicherheit
Wie groß die Probleme der Patienten mit Arzneimitteln sind,
verdeutlichte Greta Schuler von der VdK Patienten- und Wohnberatung anhand
einer Umfrage des Verbands. Neben verschreibungspflichtigen Arzneimitteln
nehmen viele Patienten auch OTC-Präparate und freiverkäufliche Präparate ein.
Diese kauften sie oft im Ausland. Unklar sei, ob die Patienten dann alle
Einnahmehinweise verstehen und umsetzen können. Außerdem werden Arzneimittel, die in Deutschland verschreibungspflichtig sind, in manchen anderen Ländern ohne
Rezept verkauft. Viele Patienten haben Probleme, gesundheitsrelevante
Informationen zu verstehen und zu bewerten bzw. diese überhaupt zu finden.
„Kommunikation ist der Schlüssel zu mehr Patientensicherheit“, betont Schuler.
Das Wissen der Patienten über die Risiken und den Nutzen der eigenen Medikation
sowie die Bereitschaft, eigene Angaben zu machen, müsse gefördert
werden.
Für Prof. Dr. Klaus Mörike vom Universitätsklinikum Tübingen könnte der Medikationsplan
in Zukunft noch viel mehr Informationen zusammenführen, sofern das technisch
umsetzbar wäre. Dazu könnten unter anderem patientenindividuelle Scores gehören
oder auch Arzneimittellisten, wie die Priscus-Liste.
Zunächst soll die breite Öffentlichkeit durch Veranstaltungen auf das Projekt aufmerksam gemacht werden. In den kommenden Tagen werden auch Apotheker und Ärzte sowie Fachgremien angeschrieben und mit Informationsmaterial versorgt. Kooperationspartner des Projektes sind neben dem Aktionsbündnis aus Heidelberg auch die Ärzteschaft Stuttgart, die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, der Verband der Krankenhäuser in Stuttgart e.V., die AOK Baden-Württemberg, das Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie sowie die Klaus Tschira Stiftung gGmbH. Die Stuttgarter Kommunalpolitik unterstützt „MeinPlan“ ebenfalls.
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