Projekt "MeinPlan"

Ein Medikationsplan für Stuttgart 

Stuttgart - 12.01.2018, 16:00 Uhr

Unter dem Motto "Nimm´s richtig" started das Projekt "MeinPlan" (Foto: DAZ / ms)

Unter dem Motto "Nimm´s richtig" started das Projekt "MeinPlan" (Foto: DAZ / ms)


Die Landeshauptstadt Baden-Württembergs möchte die Arzneimittelversorgung  verbessern und hat dazu das Projekt „MeinPlan Stuttgart“ ins Leben gerufen. Durch einen Medikationsplan, den allerdings im Gegensatz zum bundeseinheitlichen Plan der Patient selbst mit Unterstützung von Arzt oder Apotheker führt, soll das Verständnis für die Arzneimitteltherapie verbessert und so unerwünschte Arzneimittelwirkungen verringert werden. Die Auftaktveranstaltung fand am gestrigen Donnerstag in Stuttgart statt.

Nur ein geringer Prozentsatz der geführten Medikationspläne ist offenbar aktuell und korrekt ausgefüllt. Damit der Medikationsplan funktioniert, muss er aber vollständig sein. Daher haben die Stuttgarter Gesundheitskonferenzen, inspiriert vom bereits 2012 gegründeten „Aktionsbündnis Sichere Arzneimittelanwendung" aus dem Rhein-Neckar-Kreis/Stadt Heidelberg, das Projekt „MeinPlan Stuttgart“ ins Leben gerufen. „MeinPlan Stuttgart“ wird im Rahmen des Schwerpunktthemas „Gesund älter werden“ durchgeführt.
Im Gegensatz zum bundesweit einheitlichen Medikationsplan wird „MeinPlan Stuttgart“ aber nicht vom Arzt, sondern vom Patienten selbst geführt. So soll er für seine Arzneimitteltherapie sensibilisiert und die Kompetenz für die eigene Gesundheit gestärkt werden. Auf diese Weise sollen Probleme, die in Zusammenhang mit Polymedikation entstehen, verringert werden. Auf der Internetseite des Projekts finden sich pdf-Vorlagen für den Plan, sowie Varianten in anderen Sprachen. Außerdem besteht für Patienten die Möglichkeit, den Plan anonym elektronisch auszufüllen und auszudrucken.

Gesundheitskompetenz in Deutschland muss gefördert werden

Bürgermeister Werner Wölfle betonte zu Beginn der Auftaktveranstaltung am gestrigen Donnerstag, wie wichtig und auch kompliziert es heutzutage ist, mit Arzneimitteln richtig umzugehen und dabei den Überblick zu behalten. Wölfle ist davon überzeugt, dass der Medikationsplan genau dies gewährleisten kann. Mit „MeinPlan Stuttgart“ solle die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in der Stadt verbessert werden.
Auch Arzt und Kabarettist Dr. Eckart von Hirschhausen, der das Projekt als Schirmherr unterstützt, sprach sich für den Medikationsplan aus, denn „wir haben keinen Plan, was in Wirklichkeit bei den Menschen zuhause passiert“. Laut einer aktuellen Untersuchung stimme in 98 Prozent der Fälle die Patientenakte beim Arzt nicht mit den tatsächlich vom Patienten eingenommenen Arzneimitteln überein. Insgesamt müsse sich die Gesundheitskompetenz in Deutschland verbessern. „Gesundheit entsteht nicht beim Arzt“, erläutert Hirschhausen und fügt hinzu, dass kein Arzneimittel so gut sei wie Prävention. Umso wichtiger ist es seiner Meinung nach, das Thema Gesundheitskompetenz zu fördern. Der Medikationsplan sei ein wichtiger Anfang für eine breite Diskussion.

Ärzte und Apotheker stehen hinter dem Projekt

Für Dr. Markus Klett, Vorsitzender der Ärzteschaft Stuttgart, ist der Plan eine sinnvolle Ergänzung zum bundesweit einheitlichen Medikationsplan. Aus Sicht der Ärzte ist es vorteilhaft, dass der Patient seinen Plan selbst führt und so vieles in Erfahrung gebracht werden kann, was vorher unbekannt war. Im Gegensatz zu den Beipackzetteln der Arzneimittel sei der Plan der richtige Weg. Die Beipackzettel führen laut Klett nämlich eher dazu, dass die Therapie verhindert wird. Deshalb unterstütze er das Projekt "MeinPlan".
Silke Laubscher, Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer, hob den Nutzen von Arzneimitteln hervor. „Viele Menschen können trotz Erkrankungen dank Arzneimitteln aktiv am Leben teilnehmen. Diesen Nutzen sollte man in den Diskussionen nicht vergessen. Das Problem der Polymedikation erläuterte Laubscher am Beispiel einer älteren Patientin, die insgesamt über 20 Arzneimittel zu sich nahm und vielen Fällen gar nicht wusste, wieso. Durch eine Medikationsanalyse nach ATHINA konnte die Medikation aber deutlich reduziert werden. Der Medikationsplan kann eine solche Analyse deutlich vereinfachen. Denn Arzneimitteltherapiesicherheit können Arzt und Apotheker nur dann steigern, wenn der Patient mitwirkt. Dafür müsse er sich aber mit seiner Therapie gut auskennen. Nicht selten wissen Patienten in der Apotheke nicht, welche Arzneimittel sie noch einnehmen. „Wenn der Patient dann keine Kundenkarte hat, ist das ein schwieriges Rätsel.“ Durch den Medikationsplan setze sich der Patient aber aktiv mit seiner Medikation auseinander und steigere so sein Wissen, findet Laubscher.

Mit Kommunikation zu mehr Patientensicherheit

Wie groß die Probleme der Patienten mit Arzneimitteln sind, verdeutlichte Greta Schuler von der VdK Patienten- und Wohnberatung anhand einer Umfrage des Verbands. Neben verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nehmen viele Patienten auch OTC-Präparate und freiverkäufliche Präparate ein. Diese kauften sie oft im Ausland. Unklar sei, ob die Patienten dann alle Einnahmehinweise verstehen und umsetzen können. Außerdem werden  Arzneimittel, die in Deutschland verschreibungspflichtig sind, in manchen anderen Ländern ohne Rezept verkauft. Viele Patienten haben Probleme, gesundheitsrelevante Informationen zu verstehen und zu bewerten bzw. diese überhaupt zu finden. „Kommunikation ist der Schlüssel zu mehr Patientensicherheit“, betont Schuler. Das Wissen der Patienten über die Risiken und den Nutzen der eigenen Medikation sowie die Bereitschaft, eigene Angaben zu machen, müsse gefördert werden.
Für Prof. Dr. Klaus Mörike vom Universitätsklinikum Tübingen könnte der Medikationsplan in Zukunft noch viel mehr Informationen zusammenführen, sofern das technisch umsetzbar wäre. Dazu könnten unter anderem patientenindividuelle Scores gehören oder auch Arzneimittellisten, wie die Priscus-Liste.

Zunächst soll die breite Öffentlichkeit durch Veranstaltungen auf das Projekt aufmerksam gemacht werden. In den kommenden Tagen werden auch Apotheker und Ärzte sowie Fachgremien angeschrieben und mit Informationsmaterial versorgt. Kooperationspartner des Projektes sind neben dem Aktionsbündnis aus Heidelberg auch die Ärzteschaft Stuttgart, die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, der Verband der Krankenhäuser in Stuttgart e.V., die AOK Baden-Württemberg, das Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie sowie die Klaus Tschira Stiftung gGmbH. Die Stuttgarter Kommunalpolitik unterstützt „MeinPlan“ ebenfalls.



Dr. Mathias Schneider, Apotheker, Volontär DAZ
redaktion@daz.online


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