Revolution im US-Gesundheitswesen?

Amazon will Krankenversicherung mitgründen

München - 31.01.2018, 12:45 Uhr

Der US-Handelskonzern Amazon (hier die Konzernzentrale in Seattle) will gemeinsam mit zwei anderen Konzernen eine eigene Krankenversicherung aufbauen. (Foto: Picture Alliance)

Der US-Handelskonzern Amazon (hier die Konzernzentrale in Seattle) will gemeinsam mit zwei anderen Konzernen eine eigene Krankenversicherung aufbauen. (Foto: Picture Alliance)


Der Plan der drei US-Konzerne Amazon, JP Morgan und Berkshire Hathaway, die Gesundheitsversorgung ihrer Mitarbeiter selbst zu übernehmen, könnte die Spielregeln der gesamten US-Versicherungsbranche neu definieren. Durch die Gründung eines eigenen Unternehmens wollen die drei Konzerne die zunehmend ausufernden Gesundheitskosten für ihre Beschäftigten senken.

Schon seit längerem wird spekuliert, ob, wie und wann der US-Online-Gigant Amazon den Einstieg in den Pharma- beziehungsweise Gesundheitsmarkt wagen könnte. Die Erwartungen fokussierten sich in der Vergangenheit insbesondere auf einen möglichen Einstieg in das Pharmahandels- und Apothekengeschäft. Möglicherweise kommt es anders. Wie Amazon zusammen mit der Großbank JP Morgan und Berkshire Hathaway, der Holding von US-Investmentlegende Warren Buffet, nun mitteilte, wollen die drei Dickschiffe der US-Wirtschaft ein Unternehmen gründen, dass die Gesundheitskosten ihrer mehr als 1,1 Millionen Beschäftigten senken soll. Das Unternehmen selbst werde keinen Profit machen. Zur Gründung des Unternehmens sollen hochrangige Top-Manager abgestellt werden: Für Buffett wird der Investment Officer Todd Combs für das neue Unternehmen arbeiten. JP Morgan schickt Marvelle Sullivan Berchtold und Amazon Beth Galetti.

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Weitergehende Angaben machten die drei Konzerne bislang nicht, doch zeichnet sich ab, dass sie damit den großen US-Krankenversicherungen Konkurrenz machen dürften. Die Aktienkurse von Versicherern wie CVS, United Health und Aetna gingen nach Bekanntgabe der Pläne jedenfalls deutlich auf Talfahrt. 

In der Tat könnte das Vorhaben die Geschäfte der etablierten US-Versicherer wie auch der sogenannten Pharma Benefit Manager, die als Vermittler für Versicherer Preise mit den Pharmaherstellern aushandeln, massiv beeinträchtigen. Als Mittelsmänner im US-Gesundheitssystem verdienen diese Akteure jedenfalls gut mit und tragen zumindest zum Teil zum hohen Niveau der US-Gesundheitsausgaben bei. „Die immer stärker steigenden Gesundheitskosten wirken wie ein hungriger Bandwurm in der amerikanischen Wirtschaft“, sagte den Angaben nach der Investmentprofi und Vorstandschef von Berkshire Hathaway, Warren Buffett. „Wir akzeptieren dies nicht als unvermeidlich.“ 

Krankenkasse für alle Amerikaner?

Längerfristig könnte die geplante Krankenversicherung auch über die drei Unternehmen hinaus tätig werden. So kommentierte JP Morgan-Chef Jamie Dimon das Projekt mit den Worten: „Unsere drei Unternehmen haben besondere Ressourcen. Unser Ziel ist es, Lösungen zu schaffen, die unseren US-Arbeitnehmern, ihren Familien und potenziell allen Amerikaner zugute kommen.“ Damit könnte das neue Gesundheitsprojekt von Amazon, Buffett und JP Morgan das erreichen, woran die bisherigen Regierungen bislang gescheitert sind: die ausufernden Kosten des US-Gesundheitssystems in den Griff zu bekommen.

US Präsident Donald Trump dürfte die Idee gefallen. Erst vor wenigen Tagen hatte er anlässlich der Amtseinführung des neuen US-Gesundheitsministers Alex Azar betont, dass es eine wesentliche Aufgabe Azars sein werde, die Arzneimittelpreise und Gesundheitskosten zu senken.

Nach Angaben des Branchenmediums Statnews ist der Druck groß, eine Lösung für die Krise des US-Gesundheitssystems zu finden. Die Gesundheitsausgaben der Unternehmen machten den größten Teil im US-Krankenkassenmarkt aus und stiegen regelmäßig starker als die Inflation. Das würde die Gewinne der Unternehmen stark belasten und habe dazu geführt, dass viele Unternehmen Auswege suchten, die Ausgaben für ihre Mitarbeiter zu senken. So verweist Statnews auf eine Untersuchung der Kaiser Family Foundation, wonach nur 50 Prozent der Unternehmen mit drei bis 49 Mitarbeitern ihre Beschäftigten gegen Krankheiten versicherten. Vor mehr als zehn Jahren habe dieser Wert noch bei 66 Prozent gelegen. In den USA sind Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern gesetzlich verpflichtet, den Beschäftigten eine Krankenversicherung anzubieten.

Ohnehin ist im US-Krankenversicherungsmarkt derzeit viel los. Erstmals könnte auch ein Pharmahandelskonzern in den Versicherungsmarkt einsteigen: Die US-Drogerie- und Apothekenkette CVS steht kur vor der Übernahme des Krankenversicherers Aetna für rund 69 Milliarden Dollar. Die Vereinbarung sieht vor, dass CVS 207 Dollar je Aetna-Aktie zahlt. 145 Dollar sollen bar fließen, der Rest in eigenen Anteilscheinen fällig werden. Damit würde erstmals ein Konzern von der Erstattung bis zur Arzneimittelabgabe die komplette Lieferkette kontrollieren.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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