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Arzneimittel und Medizinprodukte
EU will Nutzenbewertungen vereinheitlichen
Die EU-Kommission will die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel und Medizinprodukte europaweit vereinheitlichen. Die EU-Länder sollen demnach künftig gemeinsam überprüfen, ob zum Beispiel ein neu zugelassenes Medikament besser wirkt als ein herkömmliches. Das hierzulande geltende Nutzenbewertungssystem könnte somit entfallen. Aus Apothekersicht ist interessant, dass die EU-Kommission mitteilt, sie wolle in die Entscheidungshoheit der Länder bei der Arzneimittelpreisbildung nicht eingreifen.
Die EU-Kommission hat am heutigen Mittwoch einen Vorschlag unterbreitet, der die Zulassungs- und Nutzenbewertungssysteme aller EU-Länder revolutionieren würde. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Verfahren nennt sich Health Technology Assessment (HTA) und sieht die engere Zusammenarbeit der Länder bei der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel und Medizinprodukte vor. Einer Mitteilung der Kommission zufolge sollen davon alle Akteure profitieren: Die Patienten würden mehr Transparenz über die eingenommenen Arzneimittel erhalten, die nationalen Zulassungsbehörden und die Gesundheitspolitik würden bessere Daten über die Versorgung erhalten und die Hersteller müssten sich nicht länger an verschiedene nationale Zulassungsprozeduren halten.
Und so soll das Verfahren funktionieren: Grundsätzlich sollen alle neuen Medikamente und „bestimmte“ neue Medizinprodukte mit dem HTA-Verfahren analysiert werden. Die Länder sollen bei den Nutzenbewertungen künftig ein auf EU-Ebene abgestimmtes Verfahren anwenden, das die Kommission in ihrer Mitteilung zunächst nicht näher beschrieb. Die Zusammenarbeit erstrecke sich über die vier folgenden Gebiete: Gemeinsame klinische Nutzenbewertungen, die gemeinsame wissenschaftliche Konsultation von EU-Behörden (beispielsweise durch Hersteller), gemeinsame Analysen über entstehende, neue Therapiefelder sowie die freiwillige Kooperation in weiteren Gebieten. Organisiert werden soll dies über eine Koordinierungsgruppe mit Sitz bei der EU-Kommission.
EU-Kommission will nicht in nationale Preise und Vergütungen eingreifen
Für Apotheker dürfte mit Blick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Rx-Preisbindung insbesondere der folgende Satz interessant sein: „Die individuellen EU-Staaten werden weiterhin allein verantwortlich sein für nicht-klinische Aspekte der Gesundheitstechnologie (beispielsweise ökonomische, soziale oder ethische Aspekte) und sollen auch weiterhin eigene Entscheidungen über die Arzneimittelpreise und die Vergütungen treffen dürfen.“
Der Richtlinienentwurf soll nun vom EU-Parlament und vom EU-Ministerrat beraten werden. Beschließt das Parlament das Gesetz unverändert, haben die Länder eine gewisse Übergangsphase, um die Regelungen umzusetzen. Denkbar sind laut EU-Kommission etwa drei Jahre.
Kassen dagegen, Hersteller dafür
EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis sieht in seinem Vorschlag „das Potenzial für eine Revolution im Gesundheitswesen“. Ziel sei es, durch vereinheitlichte Bewertungsverfahren Patienten in ganz Europa möglichst rasch Zugang zu echten Innovationen zu ermöglichen. Schein-Innovationen ohne echten Zusatznutzen könnten indes rascher identifiziert werden, sagte Andriukaitis. Das helfe zu sparen. Für Hersteller würden Bewertungsverfahren verlässlicher.
Der GKV-Spitzenverband läuft Sturm gegen die Pläne aus Brüssel: „Diesen Schritt können wir nicht gutheißen, denn wir befürchten die Absenkung der hohen Standards, die wir in Deutschland für die Bewertung von neuen Medikamenten haben“, erklärte der Kassenverband in einer Mitteilung. Europaweit werde die Folgebewertung von Arzneien sehr unterschiedlich angegangen, was zu verschiedenen Vergleichsgrößen führe. Eine verpflichtende Vereinheitlichung sei so nicht sinnvoll, monierte der Verband.
AOK: Keine differenzierte Bewertung mehr möglich
Ebenso heftig kritisierte Martin Litsch, Vorsitzender des AOK-Bundesverbands, die Pläne. „Die EU-Pläne würden unser bewährtes Verfahren zur Bewertung des Zusatznutzens neuer Arzneimittel und Medizinprodukte aushebeln und den Patientenschutz gefährden.“ Und weiter: „Deutschland ist das Land in Europa, in dem Patienten unmittelbar Zugang zu allen neuen zugelassenen Arzneimitteln haben. Die Nutzenbewertung ist daher unsere einzige Möglichkeit, wirklich innovative und gute Arzneimittel von Nachahmerprodukten zu trennen und die Preise zu verhandeln. Wird uns hierzulande die eigene frühe Nutzenbewertung genommen, sind alle auf EU-Ebene zugelassenen Arzneimittel und Medizinprodukte nicht nur schnell, sondern langfristig auch ohne differenzierte Bewertung auf dem Markt, mit allen Nachteilen, die das für Patienten haben kann.“
Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen begrüßte hingegen den Vorschlag. Von der Debatte über europäische Standards in der Nutzenbewertung könne Deutschland profitieren, erklärte der Verband. „Vor allem die engere Verzahnung von Zulassungsbehörden und Nutzenbewertungsinstanzen im Arzneimittelsektor wäre ein echter Schritt nach vorne.“ Und auch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) zeigte sich erfreut. „Einheitliche Anforderungen bei der klinischen Bewertung von Arzneimitteln werden den Patientenzugang zu innovativen Arzneimittel in Europa verbessern und Komplexität und Kosten für Arzneimittel-Hersteller verringern“, kommentiert Dr. Martin Weiser, Hauptgeschäftsführer des BAH, das Gesetzesvorhaben.
2 Kommentare
EU Arzneimittelbewertungszukunft?!
von Heiko Barz am 01.02.2018 um 11:04 Uhr
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EU Arzneimittelbewertungszukunft?!
von Heiko Barz am 01.02.2018 um 11:04 Uhr
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