Erfolg für EMA

EU-Gericht bestätigt Transparenzregeln für Arzneimittel-Studien

Essen - 08.02.2018, 13:30 Uhr

Die EU-Arzneimittelbehörde EMA freut sich über ein erneutes Urteil zu ihren Transparenzregeln bei Arzneimittel-Studien. (Foto: Imago)

Die EU-Arzneimittelbehörde EMA freut sich über ein erneutes Urteil zu ihren Transparenzregeln bei Arzneimittel-Studien. (Foto: Imago)


Mehrere Pharmahersteller wehrten sich juristisch dagegen, dass die Europäische Arzneimittelagentur EMA Einblick in bislang geheime Studien-Dokumente gewährt hatte. Doch das Gericht der Europäischen Union urteilte in insgesamt drei Fällen pro Transparenz: Anders als von Firmen wie dem deutschen Unternehmen Pari vorgebracht, seien weite Teile der Unterlagen keine Geschäftsgeheimnisse, entschieden die Richter.

Schon vor Jahren hat die Europäische Arzneimittelagentur EMA beschlossen, in Sachen Studienergebnisse und eigenen Unterlagen auf mehr Transparenz zu setzen. Im Jahr 2013 erstellte sie für ab 2014 zugelassene Arzneimittel einen ersten Leitfaden hierzu. Am 1. Januar 2015 trat die neue Transparenzpolitik in Kraft, inzwischen wurde bereits einige klinische Studienberichte komplett veröffentlicht. Doch mehrere Firmen wehrten sich gerichtlich gegen die weitreichenden Regeln.

Im Jahr 2011 hatte Novartis die Zulassung für sein Produkt „Tobi Podhaler“® beantragt, das das Antibiotikum Tobramycin enthält. Der Firma gelang es, über den Status eines „Orphan Drugs“ zehn Jahren Markt-Exklusivität zu erhalten. Ein Jahr später beantragte die deutsche Firma Pari die Zulassung für die Tobramycin-haltige Inhalationslösung Vantobra® – und legte der EMA Unterlagen vor die zeigten, dass das Arzneimittel im Vergleich zum „Tobi Podhaler“® sowohl pharmazeutisch ähnlich als auch klinisch überlegen ist, um so trotz der Marktexklusivität des Novartis-Produkts die Zulassung zu erhalten. Daraufhin beantragte Novartis bei der EMA Zugang zu den Dokumenten, die zur Marktzulassung von Vantobra® geführt hatten – und erhielt im April 2015 von der Arzneimittelbehörde Zugang zum entscheidenden Bericht des Ausschusses für Humanarzneimittel.

Mehrere Verfahren

Pari ging hiergegen vor dem EU-Gericht vor und berief sich in seiner Argumentation unter anderem auf die EU-Grundrechtecharta – und den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Zumindest wollte die Firma Teile der Unterlagen schwärzen. Die EMA widersprach jedoch allen Argumenten von Pari, heißt es in dem Urteil, das der EMA Recht gab. In der Kostenentscheidung entschied das Gericht, dass Pari sämtliche Prozesskosten der Behörde übernehmen muss.

In einem weiteren Verfahren verlangte die irische Firma PTC Therapeutics International von der EMA, dass ein klinischer Studienbericht zu seinem für Patienten mit Duchenne-Muskelatrophie zugelassenen Arzneimittel Translarna® (Ataluren) komplett als Betriebsgeheimnis eingestuft wird. Doch die Arzneimittelbehörde sah sich angesichts der EU-Gesetze verpflichtet, einem anderen Unternehmen den Studienbericht mit einigen Schwärzungen zur Verfügung zu stellen – wogegen die irische Firma gleichfalls erfolglos vor das EU-Gericht zog .

EMA: Urteile sind Meilensteine

In einem dritten Verfahren ging schließlich die in Deutschland ansässige MSD Animal Health Innovation GmbH und die niederländische Tierarzneimittel-Firma Intervet international BV in Sachen des bei Hunden zugelassenen Antiparasitikums Bravecto® gegen die EMA vor. Auch hier hatte die Behörde einen Antrag auf Dokumenteneinsicht erhalten – und zwar zu toxikologischen Testberichten. Bei drei der Dokumente wollten die Pharmafirmen Teile schwärzen, die die EMA nicht als vertraulich ansah – doch auch sie unterlagen nun vor dem EU-Gericht .

„MSD Tiergesundheit (Intervet) ist der Transparenz verpflichtet“, erklärt eine Firmensprecherin trotz der Niederlage gegenüber DAZ.online. Mit der Klage gegen die habe das Unternehmen „einen ausgewogenen Rechtsrahmen“ anstreben wollen. „Dieser soll das berechtigte öffentliche Interesse am Verständnis wichtiger Wirksamkeitsdaten und Sicherheitsinformationen erfüllen, auf denen arzneimittelbehördliche Entscheidungen gründen und gleichzeitig den Schutz berechtigter Bedürfnisse zur Sicherheit bestimmter vertraulicher Geschäftsinformationen sicherstellen“, sagt die Sprecherin. Angesichts der Niederlage will die Firma nun „über Optionen und nächste Schritte entscheiden“.

Auch Pari behält sich vor, Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof einzulegen. „Wir bedauern, dass das Gericht unserer Argumentation nicht gefolgt ist“, erklärt eine Firmensprecherin auf Nachfrage. „Im Moment analysieren wir die Urteilsbegründung und werden dann entscheiden, ob und wie das Urteil angefochten wird.“

Die EMA begrüßt die drei Entscheidungen hingegen als „Meilensteine“. „Zum ersten Mal hatte der EU-Gerichtshof die Gelegenheit, zur Anwendung der Transparenz-Regulierung in Bezug auf EMA-Dokumente ein Urteil zu fällen“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Wir sind sehr zufrieden, dass das Gericht bestätigt hat, dass die Informationen in den Dokumenten nicht vollständig als Betriebsgeheimnis angesehen werden kann“, sagt Stefano Marino, der die Rechtsabteilung der EMA leitet. Mit den Urteilen würde das EU-Gericht die Implementierung der Transparenz-Regulierung bestätigen, „die auf das Interesse von Patienten und die öffentliche Gesundheit abzielt“, erklärt er.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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