OTC-Analgetika

Beeinflussen Paracetamol & Co unsere Gefühle?

Berlin - 12.02.2018, 07:00 Uhr

Wirken OTC-Analgetika nicht nur gegen Schmerzen, sondern auch auf unsere Psyche? (Bild: Imago)

Wirken OTC-Analgetika nicht nur gegen Schmerzen, sondern auch auf unsere Psyche? (Bild: Imago)


Einem aktuellen Review zufolge scheinen Ibuprofen und Paracetamol nicht nur körperliche Schmerzen zu dämpfen, sondern auch das Gefühlsleben und die Wahrnehmung zu beeinflussen. Die beschriebenen Effekte wurden allerdings an Probanden gezeigt, die zum Untersuchungszeitpunkt keine Schmerzen hatten. Um Handlungsempfehlungen abzuleiten sind aus Sicht der Autoren daher weitere Studien erforderlich.

Lindern Paracetamol und Ibuprofen auch seelischen Schmerz? Einem aktuellen Review zufolge lautet die Antwort – „möglicherweise“. Denn ein in der vergangenen Woche im „Journal Policy Insights from the Behavioral and Brain Sciences“ publizierter Review weist auf verschiedene psychische Effekte durch die Einnahme OTC-Analgetika hin. Beispielsweise könnte Ibuprofen die emotionale Verarbeitung von sozialem Stress beeinflussen.

Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Ibuprofen

In diesem Zusammenhang zitierten die Autoren des Reviews eine Untersuchung, bei der die Probanden in einer Computersimulation sozialen Stress-Situationen ausgesetzt waren. Die emotionalen Reaktionen wurden mithilfe einer speziellen MRT-Bildgebung des Gehirns sichtbar gemacht (Brain-Imaging). Die Probanden hatten dabei Ibuprofen jedoch nicht aufgrund von physischen Schmerzen, sondern lediglich zu Studienzwecken eingenommen. In diesem Setting reagierten weibliche Probandinnen unter Ibuprofen weniger emotional auf soziale Ausgrenzung als unter Placebo. Bei den Männern fiel das Ergebnis überraschenderweise umgekehrt aus.

Stumpft Paracetamol ab?

Der Review beschreit zudem mehrere Untersuchen über die psychischen Effekte von Paracetamol auf gesunde Probanden. Beispielsweise zeigten Testpersonen unter Paracetamol, die von körperlichen oder seelischem Schmerz anderer lasen, weniger Empathie. In einer anderen Studie bekamen Probanden Fotos zu sehen, die entweder ausgeprägt angenehme oder unangenehme Gefühle hervorrufen sollten. Unter Paracetamol bewerteten die Testpersonen die Bilder sowohl im positiven als auch im negativen Sinne weniger extrem als die Kontrollgruppe. Eine weitere Untersuchung zeigte, dass sich Probanden unter Paracetamol leichter von ihrem Eigentum trennen würden und für ihre Güter niedrigere Verkaufspreise ansetzten würden.

Eine andere Studie untersuchte den Einfluss von Paracetamol auf die Bewertung eigener Fehler. Dazu wurden Probanden unter EEG-Überwachung  in hoher Frequenz Stimuli ausgesetzt, einen Knopf zu drücken (Go-Signal) oder ihn nicht zu drücken (No-Go-signal). Unter Paracetamol traten bei den Go-Signalen mehr Fehler auf als bei der Kontrollgruppe. Im EEG ließ sich ein bestimmtes Signal der Bewertung von Fehlern zuordnen. Bei der Auswertung der Gehirnströme konnten die Forscher erkennen, dass sich die Paracetamol-Probanden ihrer fehlerhaften Reaktionen auf die Stimuli anscheinend weniger bewusst waren.

Nur an schmerzfreien Probanden gezeigt

Nach Ansicht der Autoren sind die in dem Review beschriebenen Effekte aufgrund der weiten Verbreitung von Ibuprofen und Paracetamol alarmierend. „Verwender gehen davon aus, dass wenn sie ein OTC-Analgetikum nehmen, dieses ihre körperlichen Symptome lindert, und nicht dass es weitergehende psychologische Effekte hat“, schreiben die Autoren Ratner, Kaczmarek und Hong in ihrer Schlussfolgerung.

Für konkrete Handlungsempfehlungen sei es aus Sicht der Autoren jedoch noch zu früh. Um die Effekte zu bestätigen, wären umfangreichere Studien, die auch noch andere Analgetika einschließen erforderlich. Zudem sind die psychologischen Effekte bisher lediglich an Probanden, die keine Schmerzen hatten, gezeigt wurden. Und noch nicht an Patienten, die Analgetika zur Symptomlinderung nehmen. Aus Sicht der Autoren ist es daher unklar, ob Patienten unter Schmerzen auf die OTC-Analgetika überhaupt dieselben psychologischen Effekte zeigen würden. 



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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