Erstattungsmarkt in der Schweiz

Selbstdispensierende Ärzte wachsen stärker als Apotheken

Remagen - 19.02.2018, 09:50 Uhr

In der Schweiz gibt es mehr selbstdispensierende Ärzte als Apotheken. (Foto: imago / chromorange)

In der Schweiz gibt es mehr selbstdispensierende Ärzte als Apotheken. (Foto: imago / chromorange)


Mit seiner aktualisierten Broschüre gibt der Schweizer Branchenverband Interpharma mal wieder einen aktuellen Einblick, was sich vor Ort im Gesundheitswesen so alles tut. Für die Apotheken springen folgende Fakten ins Auge: Im Erstattungsmarkt konnten die selbstdispensierenden (SD) Ärzte im Jahr 2016 nach Wert um 7 Prozent zulegen, die öffentlichen Apotheken nur um 3,4 Prozent. Auch zahlenmäßig gibt es offenbar eine „Schieflage“ in der Versorgung, denn in der Schweiz kommen auf 10.000 Einwohner 6,9 SD-Ärzte und 2,1 Apotheken.

Lebenserwartung bei der Geburt liegt für die Gesamtbevölkerung im Jahr 2015 bei 83 Jahren. Nur in Japan werden die Menschen noch älter. Zwar bleiben die Schweizer länger gesund, aber nicht übertragbare Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes, Arthrose oder Krebs nehmen im Alpenland immer mehr  zu. Mittlerweile hat jeder vierte Schweizer Bluthochdruck. Diese und weitere interessante Einblicke gibt die neue Ausgabe 2018 der Broschüre „Gesundheitswesen  Schweiz“, die gerade erschienen ist. Sie wird alljährlich vom Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz Interpharma heraus gegeben.

Arzneimittelanteil stabil

Wie der neuen Publikation weiter zu entnehmen ist, sind die Kosten des Schweizer Gesundheitswesens zwischen 2010 und 2015 pro Jahr durchschnittlich um 3.6 Prozent gewachsen, während die Ausgaben für Medikamente mit 2.8 Prozent deutlich weniger stark zulegten. Der größte Kostenblock ist (2015) mit knapp 27 Prozent die ambulante Behandlung, gefolgt vom stationären Sektor und der Langzeitpflege. 12.7 Prozent der Gesamtkosten entfielen auf Medikamente (inklusive im Krankenhaus stationär und ambulant abgegebener Arzneimittel). Der Anteil der Arzneimittelausgaben ist seit 2010 stabil respektive leicht rückläufig. Die obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) der Schweiz gab im selben Jahr 2015 20.5 Prozent ihrer Bruttoleistungen für Arzneimittel aus. 11,5 Prozentpunkte davon entfallen auf die Abgabe in Apotheken, 6,2 auf die selbstdispensierenden Ärzte und 2,8 auf die Krankenhausambulanzen.

  Preisindex für Arzneimittel sinkt stetig

Seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) im Jahr 1996 ist der Preisindex für Arzneimittel, der rund 200 Medikamente in den zehn umsatzstärksten Behandlungskategorien erfasst, stetig und markant gesunken. In den letzten Jahren ist diese Entwicklung laut Interpharma  vor allem auf den Vergleich mit dem Durchschnittspreis in wirtschaftlich vergleichbaren Staaten Europas (AT, BE, DE, DK, FI, FR, NL, SE, UK) zurückzuführen, der bei neuen kassenpflichtigen Präparaten zur Grundlage für die Erstattung gemacht wird. Damit haben sich die Schweizer Medikamentenpreise sukzessive denjenigen in den Vergleichsländern angepasst. Neu eingeführte Medikamente sollen heute in der Schweiz nicht teurer sein als in anderen europäischen Vergleichsländern.

Markt 2016 wächst durch innovativer Medikamente

Im Jahr 2016 waren in der Schweiz insgesamt knapp 7700 zur Anwendung am Menschen zugelassen. Davon entfielen zwei Drittel auf die Abgabekategorien A und B (rezeptpflichtig). Der Pharmamarkt  nahm im Vergleich zum Vorjahr um 4.6 Prozent auf rund 5.6 Milliarden Franken zu, laut Interpharma ein leicht schwächeres Wachstum als im Vorjahr. Der Zuwachs wird besonders auf die Einführung neuer, innovativer Medikamente speziell gegen Krebs zurückgeführt, aber auch Präparate gegen Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose sollen zum Wachstum beigetragen haben. Die Zahl der verkauften Packungen nahm um 0.3 Prozent auf 188 Millionen Einheiten zu. Die Apotheken hatten am Gesamtmarkt nach einen Anteil von etwas mehr als 50 Prozent und nach Menge knapp 65 Prozent.

Arzneimittelnmarkt Schweiz nach Wert und Menge 2016

Absatzkanal

Anteil nach Wert (zu Fabrikabgabepreisen) in Prozent

(Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent)

Anteil nach Menge (Packungen) in Prozent

(Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent)

Apotheken 51,3 (+2.7) 64,7 (+0,5)
SD-Ärzte 24,6 (+6,6) 22,1 (+1,7)
Krankenhäuser 22,9 (+7,4) 9,4 (-1,9)
Drogisten 1,2 (-3,4) 3,8 (-4,9)

Quelle: Interpharma mit Datengrundlage QuintilesIMS Schweiz, 2017.


Stärker wachsender kassenpflichtiger Markt

Der Anteil kassenpflichtiger Medikamente am Gesamtumsatz für Arzneimittel zu Herstellerabgabepreisen legte in 2016 auf rund 83.8 Prozent oder knapp 4,7 Milliarden Franken (+4,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Hier hatten die Apotheken einen Anteil von 49,8 Prozent nach Wert und 58,3 Prozent nach Menge gegenüber 26,4 respektive 29,9 Prozent Anteil der selbst dispensierenden (SD) Ärzte. Nach Wert konnten die SD-Ärzte im Erstattungsmarkt gegenüber dem Vorjahr um 7 Prozent zulegen, die öffentlichen Apotheken nur um 3,4 Prozent.

Dichte von SD-Ärzten und Apotheken variiert je nach Kanton

2016 gab es in der Schweiz über 5 800 praktizierende Ärzte mit einer Patientenapotheke. Das sind rund ein Drittel aller im Alpenland praktizierenden Ärzte. Je nach Regelung in den einzelnen Kantonen fallen die SD-Anteile unterschiedlich aus. Am höchsten war die Dichte der SD-Ärzte im Berichtszeitraum in den Kantonen BaselLandschaft und Appenzell Ausserrhoden (189 bzw. 213 pro 100 000 Einwohner), am geringsten in den Kantonen Genf und Neuenburg. Neun Kantone haben ein Rezeptursystem mit Selbstdispensierung in Ausnahmefällen. Die Kantone Bern und Graubünden unterhalten Mischsysteme. In allen übrigen Kantonen dürfen die Ärzte ohne Einschränkung Arzneimittel an ihre behandelten Patienten abgeben.

Kantone mit einem hohen an Anteil SD-Ärzten haben gegenüber den anderen Kantonen in der Regel eine deutlich niedrigere Apothekendichte. So hatte etwa der Kanton Appenzell Ausserrhoden im Jahr 2016 pro 100 000 Einwohner 213 SD-Ärzte, aber nur 11 Apotheken. Insgesamt kommen in der Schweiz auf 10.000 Einwohner 6,9 SD-Ärzte und 2,1 Apotheken.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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