Pharmaziestudenten-Kolumne (Teil 1)

„Wird dieses Apothekensystem die nächsten Jahre standhalten?“

Berlin - 28.02.2018, 07:00 Uhr

BPhD-Präsident Max Willie Georgi beschäftigt sich in der neuen DAZ.online-Kolumne mit der Frage, warum Studierende weniger Bereitschaft dafür zeigen, mit der Apothekeninhaberschaft ein finanzielles Risiko einzugehen. (Foto: Schelbert)

BPhD-Präsident Max Willie Georgi beschäftigt sich in der neuen DAZ.online-Kolumne mit der Frage, warum Studierende weniger Bereitschaft dafür zeigen, mit der Apothekeninhaberschaft ein finanzielles Risiko einzugehen. (Foto: Schelbert)


Laut einer Apobank-Umfrage aus dem vergangenen Jahr geht eine knappe Mehrheit der Nachwuchsapotheker davon aus, dass die inhabergeführte Apotheke ein Auslaufmodell ist. In einem Interview mit DAZ.online erklärte Max Willie Georgi, Präsident des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden, dass viele angehende Apotheker das mit einer eigenen Offizin verbundene finanzielle Risiko fürchten. Im ersten Teil der neuen DAZ.online-Kolumne der Pharmaziestudenten erklärt Georgi, woher die Angst vor dem Risiko kommt.

„Was möchtest du eigentlich nach dem Studium machen?“ Diese Frage hören viele Studierende. Sei es von der Familie, den Freunden, den Kommilitonen oder auf einer WG-Party. Bei vielen fängt es dann im Kopf an zu rattern. Denn als Pharmaziestudent kann man sich über viele Aspekte des Studiums aufregen – die späteren Berufsmöglichkeiten gehören aber sicherlich nicht dazu. Immerhin bieten einem das Staatsexamen und die Approbation als Apotheker ein breites Feld an Perspektiven: Offizin, Krankenhaus, Forschung, Universität, Verlage, Industrie oder Behörden sind nur einige Beispiele. Dementsprechend fallen die Antworten oft unterschiedlich aus. Überhaupt schwanken viele angehende Pharmazeuten im Studium zwischen den einzelnen Bereichen. Sich bei den Möglichkeiten auf eine Sache festzulegen, ist gar nicht einfach.

Eher selten wird noch verkündet: Ich möchte meine eigene Apotheke eröffnen. Auch wenn ungefähr 80 Prozent aller Absolventen den Weg in die öffentliche Apotheke einschlagen, so ist dies meistens nicht der Wunsch im Studium. In einer Umfrage der AG Zukunft unseres Verbandes vor zwei Jahren gaben lediglich 33 Prozent der Teilnehmer die Offizin als Berufswunsch an. (s. Grafik unten) Eine Mehrfachwahl war in der Umfrage nicht möglich, weshalb sich die Teilnehmer für einen Zweig entscheiden mussten. Die Offizin war im Gegensatz zu den anderen Antworten immer noch die größte Menge, in der Summe jedoch entschieden sich zwei Drittel nicht intuitiv dafür.

Die vielen Inhalte und Themen, welche im Studium behandelt werden, inspirieren eine Karriere jenseits der Offizin. Die aktuelle politische Lage und das Bild der Apotheke in der Öffentlichkeit ist alles andere als rosig. Die Standespolitik scheint in dieser Hinsicht auch nicht viel ausrichten zu können. Die Zukunft ist für sie scheinbar ohnehin etwas, was man lieber auf sich zukommen lässt, als aktiv daran zu arbeiten und sich vorzubereiten. Natürlich sind da Probleme vorprogrammiert. Gerade die nächsten Jahre könnten entscheidende Veränderungen und Einschnitte für den Apothekenmarkt bringen. DocMorris zeigt, wie man sich in den Medien präsentieren muss und wie eine Zukunft des Apothekenmarktes in Deutschland aussehen könnte. Da muss gegengehalten werden, bevor sich dieses Bild in der jungen Generation etabliert. Wird die Apotheke ihre Vormachtstellung in der Öffentlichkeit behalten? Der wirtschaftliche Druck wird weiter steigen. Da stellt sich die Frage, ob das erlernte Wissen nicht besser außerhalb der Offizin eingesetzt ist. Betriebswirtschaftslehre, was die meiste Zeit des Inhabers einnimmt, gehört im Übrigen nicht dazu. Ziel des Studiums ist eben immer noch der Heilberufler beziehungsweise Wissenschaftler und nicht der Kaufmann.

Pro und Kontra der Apotheke aus Sicht der Studenten

Sicherlich bietet der Posten des Inhabers ganz eigene Anreize. Als eigener Chef hat man die Zügel in der Hand und kann die Entscheidungen treffen. Eine Apotheke bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten und die eigenen Visionen können umgesetzt werden. Natürlich ist auch der Verdienst besser als der eines angestellten Apothekers. Dem gegenüber stehen jedoch auch viele Nachteile und Risiken.

Eine eigene Apotheke zu eröffnen oder zu übernehmen – das ist eine Bindung fürs Leben. Eine Bindung, welche einige finanzielle Risiken mit sich bringt. Dafür braucht es auch den richtigen Zeitpunkt. Direkt nach dem Studium stehen viele Absolventen mit Schulden aus dem Studium da. (Mindestens) Fünf Jahre an der Universität und im PJ müssen finanziert werden und einen Job neben dem Pharmaziestudium können nur die Wenigsten stemmen. Es bleiben oft mehrere Tausend Euro an BAFöG oder Studienkrediten, welche erst einmal zurückgezahlt werden müssen. Sich gleich wieder in neue Schulden zu stürzen, ist alles andere als attraktiv. Mit der Familienplanung kommt das nächste große Ereignis. Kinder und eventuell ein Eigenheim – auch das bedeutet viel Verantwortung und eine ganz neue finanzielle Belastung.

Null-Retax? Nicht gerade ein Grund für die inhabergeführte Apotheke...

Dabei muss man bedenken, dass sich die Apotheke und die Arbeit in ihr gerade in der letzten Zeit stark verändert haben. Die Fülle an Wirkstoffen ist drastisch angestiegen und Änderungen, wie die Einführung der Rabattverträge, haben das System komplett umgekrempelt. Ein Beispiel dafür ist der Null-Retax. Wir lernen im dritten Ausbildungsabschnitt alles über die korrekte Rezeptbelieferung, natürlich auch mit dem Hintergrund, eine Retaxation zu vermeiden. Gerade wenn es sich um hochpreisige Arzneimittel handelt. Was tun, wenn man plötzlich tausende Euros von der Krankenkasse nicht erstattet bekommt? Wenn man sich die Entwicklung anschaut, scheinen die Gründe auch immer skurriler zu werden. Nicht gerade ein Anstoß für junge, praxisunerfahrene Approbierte sich für eine öffentliche geschweige denn eine spezialversorgende Apotheke zu entscheiden. 

2016 zählte die ABDA in Deutschland 15.607 Haupt- beziehungsweise Einzelapotheken. Die Zahlen der Apotheken und der Inhaber sind inzwischen rückläufig geworden. In den nächsten Jahren werden viele Apothekeninhaber eine Nachfolge suchen. Eine Übernahme ist im Gegensatz zu einer Neueröffnung mit mehr Sicherheit verbunden, doch trotzdem bleibt die Frage, inwiefern sich die Apotheke langfristig lohnen wird. Möchte ich hiermit sagen, dass die junge Generation vor Verantwortung zurückschreckt? Definitiv nicht. Die Risiken, die diese Verantwortung einer eigenen Apotheke mit sich bringt, sind jedoch gewachsen und das werden sie auch weiterhin. Warum sollen diese immer noch auf einer Person lasten? Der wachsende Anteil an Filialapotheken zeigt, dass es schon noch viele junge Apotheker gibt, die eine Apotheke gestalten und leiten wollen, jedoch ohne das komplette Risiko zu tragen und alles allein verwalten zu müssen. Dieser Trend wird weiterhin anhalten und er sollte zum Nachdenken anregen. Zum Nachdenken über Alternativen oder Anpassungen in einem sich verändernden System. Das System einmal kritisch hinterfragen: Wird es auch die nächsten Jahrzehnte standhalten, nur weil es bis jetzt einigermaßen gut läuft? Das sind Fragen, mit der sich nicht nur die Standespolitik, sondern jeder Apotheker einmal beschäftigen sollte.



Max Willie Georgi, Beauftragter für PJ und Beruf
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Zukunft?

von Reinhard Rodiger am 01.03.2018 um 12:21 Uhr

Vorweg: Es ist gut, vom Denken der Studenten zu hören.Sehr nachdenklich macht allerdings die Forderung nach dem eigentlich selbstverständlichen. Zukunftsicht und Engagement.

"Die Zukunft ist für sie scheinbar ohnehin etwas, was man lieber auf sich zukommen lässt, als aktiv daran zu arbeiten und sich vorzubereiten"

Das trifft den Nagel auf den Kopf. Das "man" würde ich zuerst durch unsere Standesführung ersetzen.Seit den 50 Jahren, die ich pharmazeutisch erlebt habe, ist der Status quo die gelebte Zukunft.Die Ausbildung ist nach wie vor nicht praxisorientiert.Die Entwicklungsmöglichkeiten sind zunehmend begrenzt.Die Exklusivität ist geringer geworden.Die wichtigste Voraussetzung, die finanzielle Unabhängigkeit ,wurde im Kernbereich des Berufs minimiert.Die bessere Bezahlung ausserhalb der Apotheke war immer schon Anreiz, wie auch das schon damals sichtbare Stagnieren der Entwicklung und der fehlende Glaube an Änderung.Das wurde nur überlagert durch die Funktion der Apotheke als nicht hinterfragte Gelddruckmaschine.Das hat den Ruf geprägt und den Prozess der Rückstufung beschleunigt.

Heute- wie damals vermisse ich die Herausforderungen und Provokationen mit denen der Nachwuchs die Etablierten konfrontieren muss, um Entwicklung zu ermöglichen.Insofern freue ich mich, dass die notwendigen Fragen öffentlich gestellt werden.Bitte intensivieren.

Es ist erschreckend und unverständlich, dass der gesellschaftlich wichtige Kern des Berufs-die soziale Funktion- eigentlich nicht vorkommt.Stattdessen gewinnen kapitalgesteuerte Strukturen und die Bereiche, in denen das Soziale nicht mehr gefragt ist..So wird DocM zuerst für gut befunden und dann gefordert,etwas dagegen zu tun. Eben im Nebensatz.Der Kern schmilzt.

Das ist nicht verwunderlich, da die Möglichkeiten, unabhängig tätig zu sein ja progressiv abnehmen.Hier trifft die Forderung nach Engagement aller ins Schwarze.Doch das gilt besonders für Studenten, die viel lauter Fragen stellen sollten und Antworten fordern.Vielleicht auch mal nach dem eigentlichen Kern.

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