Vorsicht bei über 60-Jährigen

Petition für Alterswarnhinweise auf Fluorchinolonen

Stuttgart - 06.03.2018, 07:00 Uhr

Forderung per Petition. In allen Beipackzetteln von Fluorchinolon-Antibiotika soll künftig ein Hinweis auf Anwendungsrisiken für Ältere zu finden sein. (Foto: imago / Jochen Tack)

Forderung per Petition. In allen Beipackzetteln von Fluorchinolon-Antibiotika soll künftig ein Hinweis auf Anwendungsrisiken für Ältere zu finden sein. (Foto: imago / Jochen Tack)


Für einige seltene, aber gefürchtete Nebenwirkungen der Fluorchinolon-Antibiotika ist ein höheres Lebensalter ein Risikofaktor. Für Sehnenrupturen gilt das zum Beispiel. Allerdings scheint sich dieser Hinweis nicht in allen Beipackzetteln der betroffenen Wirkstoffe zu finden. Eine Petition an den deutschen Bundestag fordert nun, dies zu ändern 

Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone sind immer wieder Thema in den Medien. Unter anderem Stern-TV warnte vor kurzem vor potenziellen schweren Nebenwirkungen, auch die DAZ griff das Thema in ihrer Ausgabe 04/2018 auf. Besonders Nebenwirkungen auf das Nervensystem sowie den Bewegungsapparat, hier vor allem die Sehnen, stehen im Fokus. Denn diese seltenen, aber schweren Nebenwirkungen können irreversibel sein. Für die Sehnenrupturen sind mehrere Risikofaktoren identifiziert worden, zum Beispiel höheres Lebensalter. Allerdings wird nicht in allen Beipackzetteln eindeutig darauf hingewiesen, dass diese Antibiotika bei älteren Menschen mit besonderer Vorsicht anzuwenden sind – dieser Ansicht sind zumindest die Initiatoren einer Petition, die seitdem gestrigen Montag mitgezeichnet werden kann. Sie fordern darin nämlich, dass der „Deutsche Bundestag bei der zuständigen Stelle (v.a. BfArM) anregen möge, dass Hersteller von allen Medikamenten, die „Neue Fluorchinolone“ (wie Lexofloxacin, Ciprofloxacin) enthalten, auf den einschlägigen Beipackzetteln die Warnung ausweisen, dass die Applikation dieser Medikamente bei Patienten im Alter über 60 Jahren besondere Vorsicht erfordert.“

Die Petenten schreiben in ihrer Begründung, dass ein entsprechender Warnhinweis für die Anwendung von über 60- beziehungsweise über 65-Jährigen bei manchen Präparaten durchaus vorhanden ist. Dort werde auch auf „zugrundeliegende fachliche Expertise wird insoweit verwiesen“, heißt es. So einen Warnhinweis wollen die Initiatoren der Petition aber bei allen betroffenen Wirkstoffen sehen. 

Warum 60 Jahre als Schwellenwert? 

Auf den Schwellenwert von 60 Jahren habe man sich festgelegt, weil die amerikanische Behörde FDA ebenfalls dieses Alter in den Warnhinweisen in den Beipackzetteln anführt, unter anderem bei Levoflaxcin. Dort heißt es: Levofloxacin kann Sehnenschwellungen und Risse verursachen, besonderes Risiko besteht bei über 60-Jährigen, bei Patienten, die Glucocorticoide einnehmen sowie bei Nieren-, Herz- oder Lungentransplantierten.

Außerdem weisen die Ersteller der Petition noch auf das grundsätzliche Problem der Patientenaufklärung hin. Auf die Möglichkeit von Nebenwirkungen der Fluorchinolone, die bleibende Folgeschäden verursachen, sowie die Tatsache, dass gewisse Begleitumstände wie Alter oder Grunderkrankungen, diese begünstigen, werde in der Praxis zu wenig hingewiesen, kritisieren sie. Offenbar gehörten sie nicht zu den nicht zu den ärztlichen „Routinehinweisen“ z. B. analog der Hinweise auf mögliche Nierenschäden bei Überdosierung bestimmter Schmerzmittel. Die  „Bestehende „Rote Hand Briefe“ ersetzen diese lückenlos erforderliche (aber eher in gegenteiligem Maße praktizierte) Aufklärung von Patienten nicht.“ finden die Initiatoren. 

Wer hinter dieser Petition steckt, ist auf der Petitionsseite des Deutschen Bundestags nicht ersichtlich. Gezeichnet werden kann bis zweiten April.

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Schon länger unter Beobachtung

Fluorchinolone befinden sich bereits seit einiger Zeit unter Beobachtung. Im Februar 2017 wurde ein Risikobewertungsverfahren auf europäischer Ebene gestartet. Europaweit werden derzeit alle Berichte über schwerwiegende Nebenwirkungen neu bewertet und die aktuelle wissenschaftliche Literatur analysiert. In den USA ist man schon weiter: Bereits im Jahr 2016 forderte die dortige Behörde FDA Ärzte eindringlich dazu auf, Fluorchinolone bei bakterieller Sinusitis, akuten Exazerbationen einer chronischen Bronchitis und unkomplizierten Harnwegsinfektionen nur dann zu verordnen, wenn es keine andere Wahl gibt. Zudem führte sie eine Black-Box-Warnung in die Produktinformationen ein, um auf das Risiko für potenziell irreversible körperliche Behinderungen hinzuweisen. Die FDA weist aber in diesem Zusammenhang auch explizit darauf hin, dass bei schweren bakteriellen Erkrankungen die Antibiotika dieser Gruppe wertvolle Arzneimittel sind, und in diesen Fällen der Nutzen sehr wohl größer sein kann als die Risiken. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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