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Kritik an Studie
„Im falschen Zellsystem kann Methadon nicht wirken“
„Hirntumor: Methadon verstärkt nicht die Wirksamkeit von Chemotherapien“ – zu diesem Ergebnis kam eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums, welche die Deutsche Gesellschaft für Neurologie aufgegriffen hat. In Zellkulturen untersuchten die Forscher den spezifischen Effekt von L-Methadon (R-Methadon) auf Glioblastomzellen – alleine sowie in Kombination mit Temozolomid. Dass sie dabei keinen synergistischen oder zytotoxischen Effekt feststellten, wundert Dr. Claudia Friesen vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm nicht. Gegenüber DAZ.online erklärt sie warum.
Auf dem 33. Krebskongress vom 21. bis 24. Februar 2018 in Berlin stellten Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) neue experimentelle Untersuchungen über den Einfluss von L-Methadon auf Glioblastomzellen vor. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie griff diese in einer Pressemeldung auf. In dieser Studie behandelten die Forscher Glioblastom-Zellkulturen entweder mit dem Zytostatikum Temozolomid allein, mit L-Methadon (R-Methadon) allein oder mit einer Kombination aus Temozolomid und Methadon. Unbehandelte Zellkulturen dienten als Kontrolle. Dabei kamen sie zum dem Schluss, dass L-Methadon die Wirksamkeit der Chemotherapie nicht verstärkt. Das Opioid hat keinerlei sensibilisierende Wirkung für die bei Glioblastomen eingesetzte Standardtherapie mit Temozolomid. Auch L- Methadon allein hat keinen nachweisbaren Effekt auf das Überleben oder Sterben der Krebszellen.
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Dr. Claudia Friesen vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm forscht ebenso wie die Arbeitsgruppe am DKFZ an Methadon. Sie untersucht seit 2007 umfassend In-vitro- und in Tierversuchen die Wirksamkeit von D,L-Methadon auf Krebszellen. Ihrer Ansicht nach ist es wenig verwunderlich, dass das Forscherteam um Wolfgang Wick keinen nachweisbaren Effekt von Methadon zeigen konnte. Gegenüber DAZ.online erklärt sie warum.
Es gebe bestimmte Grundvoraussetzungen, die erfüllt sein sollten, bevor man ein Projekt in Zellkulturen beginnt, erklärt sie: die erforderlichen Zellsysteme, die erforderliche Substanz, die erforderlichen Konzentrationen. Diese drei Grundvoraussetzungen sind ihres Erachtens in der Studie von der Arbeitsgruppe von Prof. Wick am DKFZ nicht erfüllt gewesen.
Kritik an Zellsystem und Substanz
1. Das Zellsystem
„Es ist bekannt, dass Gliome Opioidrezeptoren, Andockstellen für Methadon, auf der Zelloberfläche besitzen. Methadon benötigt diese Opioidrezeptoren für seine Wirksamkeit. Die Blockade der Opioidrezeptoren oder das Fehlen der Opioidrezeptoren kann die Wirkung des Methadons verhindern, da sich Methadon dann nicht an die Zellen binden kann. In wissenschaftlichen Publikationen von verschiedenen Arbeitsgruppen (Lit2) konnte gezeigt werden, dass die Wirkverstärkung des Methadons bei Krebstherapien von der Anzahl der exprimierten Opioidrezeptoren auf der Zelloberfläche abhängig ist, und dass fehlende Opioidrezeptoren zu keiner Wirkverstärkung führen können. Deshalb sind Opioidrezeptoren auf einer Zelloberfläche für eine Studie mit Methadon erforderlich. Bei der Wick-Studie laut Pressemitteilung der DGN vom 28.02.2018 fehlte diese Grundvoraussetzung.“
2. Die Substanz
„In Studien sollte die Substanz D,L-Methadon verwendet werden, also das Racemat. Der Grund: D-Methadon bietet dem L-Methadon zusätzlich den Vorteil, dass die Herunterregulation der Opioidrezeptoren auf der Zelloberfläche (Lit3), die durch eine Behandlung mit reinen Opioidagonisten wie L-Methadon auftreten kann (Lit 4), verhindert wird. Dies wird über die NMDA Rezeptoren vermittelt, an die das D-Methadon bindet (Lit 3). In der Wick-Studie wurde laut Abstractpublikation nur das L-Methadon verwendet, welches die Herunterregulation der Opioidrezeptoren auf der Zelloberfläche nicht verhindern kann.“
„Verwendung einer einzigen beliebig gewählten Konzentration gleicht einem Lotteriespiel“
3. Die Konzentration
„Auch wurde in der Wick-Studie nach Angaben in der Abstractpublikation L-Methadon nur in einer einzigen Konzentration, nämlich 1 µM, untersucht. In Studien sowohl in vitro als auch in vivo muss eine Dosisfindungsstudie der eingesetzten Substanz, hier L-Methadon, durchgeführt werden, um die Wirkung über einen großen Konzentrationsbereich von L-Methadon abschätzen zu können. Die Verwendung einer einzigen beliebig gewählten Konzentration von L-Methadon wie in der Wick-Studie gleicht einem Lotteriespiel, ob man rein zufällig eine wirksame oder unwirksame Konzentration verwendet. Mit einer falsch gewählten Dosis kann man die Unwirksamkeit jedes Medikamentes darstellen.
Außerdem ist es erforderlich, dass man in Zellkulturen immer mit dem reinen Wirkstoff und mit der aktiven Substanz arbeitet, um Störfaktoren zu vermeiden. In der Wick-Studie wurde in der Zellkultur die Prodrug Temozolomid eingesetzt, die aber erst zur aktiven Substanz umgewandelt werden muss.
Warum Glioblastomzellen in der Wick-Studie in der überwiegenden Mehrzahl keine Opioidrezeptoren besitzen und gerade diese Zellen dann in die Untersuchungen von der Wirkung von L-Methadon eingesetzt wurden, ist aufgrund der bereits vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht nachzuvollziehen. Warum L-Methadon statt D,L-Methadon und auch warum nur eine einzige Konzentration von L-Methadon in dieser Studie verwendet wurde, ist nach den oben dargelegten wissenschaftlichen Aspekten ebenfalls nicht zu verstehen.“
Literaturverzeichnis
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Friesen C, Hormann I, Roscher M, Fichtner I, Alt A, Hilger R, Debatin KM, Miltner E.
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Co-treamtent with L-Methadone significantly increases the efficacy of cytostatic drugs in prostate cancer cell
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https://www.msd.de/fileadmin/files/fachinformationen/temodal_hartkapseln.pdf
20 Kommentare
Labortest
von Ilidia am 24.04.2018 um 15:58 Uhr
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Knochen Metastasen
von Astrid Brenner am 24.04.2018 um 10:54 Uhr
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Verschwörungstherorie?
von Sabine Rukavina am 12.03.2018 um 17:43 Uhr
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AW: Verschwörungstherorie
von Josef HÜLSDÜNKER am 15.03.2018 um 16:23 Uhr
Unterstellungen von "Karsten"
von Juergen Busch am 12.03.2018 um 10:32 Uhr
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Was nicht passt, wird passend gemacht
von Karsten am 11.03.2018 um 12:38 Uhr
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AW: Was nicht passt, wird passend gemacht
von Mag. Ingrid Prohaska am 12.03.2018 um 12:25 Uhr
Die unglaublichen Studie des Hr. Wick
von Änne Gentzen am 09.03.2018 um 23:13 Uhr
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Unkenntnis - oder etwa Absicht?
von Hergen Ramm am 09.03.2018 um 12:45 Uhr
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Wick´sche Welt...wie Sie der Pharmalobby gefällt
von H. Knott am 09.03.2018 um 10:50 Uhr
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AW: Wick´sche Welt...wie Sie der
von Franziska Rößler am 09.03.2018 um 10:57 Uhr
Neutrale Berichterstattung wünschenswert
von Julia Arens am 09.03.2018 um 10:44 Uhr
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AW: Neutrale Berichterstattung wünschenswert
von Jürgen Busch am 09.03.2018 um 21:48 Uhr
Unfassbar
von Franziska am 09.03.2018 um 10:18 Uhr
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Vergebene Chance
von Ralf Sender am 08.03.2018 um 17:26 Uhr
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AW: Vergebene Chance
von Christian Becker am 10.03.2018 um 11:44 Uhr
Labortest Pofessor Wick
von Brigitte Eiermann am 08.03.2018 um 16:28 Uhr
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AW: Labortest Pofessor Wick
von Peter Linden am 08.03.2018 um 22:10 Uhr
Unkenntnis - oder etwa Absicht?
von Juergen Busch am 08.03.2018 um 14:53 Uhr
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AW: Unkenntnis - oder etwa Absicht
von Claudia Trost am 09.03.2018 um 14:12 Uhr
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