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Krankenkassen-Automat
Das Projekt „Gesundheitsterminals“ in Apotheken stockt
In rund 50 Apotheken Deutschlands stehen derzeit sogenannte Gesundheitsterminals, über die Versicherte mit ihrer Krankenkasse kommunizieren und Gesundheitsinformationen abrufen können. Für die Apotheken könnte dies ein zusätzliches Instrument sein, um Kunden an sich zu binden. Das Ziel des Betreibers ist es, die Geräte künftig flächendeckend in Deutschland aufzustellen. Doch der Weg dahin verlief bislang holprig, viele Krankenkassen halten sich zurück.
Auch die Pinneberger Adler-Apotheke hat nun so ein Gerät. Seit Anfang März finden Kunden dort ein sogenanntes Gesundheitsterminal, das aussieht wie ein Schreibtisch mit spiegelblanker Platte: großflächiger Bildschirm mit einfacher Berührungssteuerung, ein Scanner, eine Kamera, ein Lesegerät, über das sich die Kunden mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte (EGK) autorisieren. Anschließend können sie ihre Krankmeldung scannen und direkt an die Krankenkasse schicken, nach Fachärzten in der Umgebung suchen oder sich die Daten anzeigen lassen, die auf ihrer Versichertenkarte gespeichert sind.
Bundesweit gibt es derzeit rund 50 dieser Gesundheitsterminals, sagt Dieter Rittinger, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Infrastruktur und Versorgungsmanagement (Degiv) und geistiger Vater der Terminals, gegenüber DAZ online. Sein Unternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Kamp-Lintfort ist Spezialist für Softwarelösungen im Gesundheitswesen. Sein Ziel ist es, dass eines Tages bundesweit rund 7500 dieser Geräte in Apotheken und Medizinischen Versorgungszentren aufgestellt sind. Täglich sollen damit künftig 1,5 Millionen Kundenkontakte hergestellt werden. Doch das ist kein leichter Weg. Seit 2015 trommelt er für sein Vorhaben. Schon damals waren eigentlich mehrere hundert solcher Terminals angekündigt, dieses Ziel wurde also verfehlt.
Sicheres System
Am Anfang war die Idee: „Wie schaffe ich es, die Kunden und Versicherten in die digitalen Prozesse hinein zu bekommen und dabei den letzten Meter zu ihnen zu überwinden?“, so Rittinger. Zum anderen erkannte er die gesetzliche Verpflichtung der Krankenkassen, den Versicherten Zugang zu den persönlichen Daten zu verschaffen, die sich hinter der EGK verbergen. Die Lösung sah der ehemalige Krankenkassenmanager und IT-Experte in der Entwicklung eben dieser Terminals, die er am liebsten in Apotheken aufgestellt sieht. Denn dort kommen die Versicherten und Patienten nach einem Arztbesuch vorbei, dort könnten sie gleich ihre Krankmeldung auf elektronischem Weg abschicken, Informationen zu ihrem Krankheitsbild abrufen oder weitere Kommunikation mit ihrer Kasse erledigen. „Das Gesundheitsterminal entlastet die Krankenkassen und deren Versicherte in Aufwand und Kosten, erfüllt kostengünstig gesetzliche Erfordernisse, und bietet wohnortnahe Kontaktpunkte für alle Teile der Bevölkerung“, wirbt die Degiv für die Apparate.
Darüber hinaus, so Rittinger, würden sich die Versicherten hier in einem gesicherten System bewegen, in dem sie nicht befürchten müssten, dass ihre sensiblen Daten in falsche Hände gelangen. „Wir haben bei unseren Terminals eine andere Sicherheitsarchitektur als beispielsweise auf dem heimischen Windows-PC, und wir sind damit nicht im Netz“, erläutert der Degiv-Chef. Er verweist auf eine Aussage des Landeskriminalamtes Sachsen, wonach persönliche Gesundheits- und Sozialdaten für Kriminelle zehnmal wertvoller seien als Bankdaten.
Vorteile für Apotheken
Aber auch die Apotheken sollen laut Rittinger von den für sie kostenlosen Apparaten profitieren. Zwar sei es eine Herausforderung, erst einmal mit den Apothekern ins Gespräch zu kommen. „Die sehen uns teilweise wie einen ärztlichen Außendienst, der sie vor allem Zeit kostet. Manche verwechseln uns auch mit den Aliud-Terminals, mit denen wir aber nichts zu tun haben und auch nicht zu vergleichen sind.“ Die Aliud-Apparate informieren Apothekenkunden mit digitalen Broschüren und Erklärvideos über Gesundheits- und Lifestylethemen. Sobald Rittinger und seinen Mitarbeitern aber ein Gespräch mit den Apothekern gelinge, sei die Reaktion meist positiv. „Die Apotheker sehen darin eine Chance, sich als eine Art Gesundheitszentrum zu etablieren. Damit können sie sich im Wettbewerb, unter anderem mit den Onlineapotheken, einen Vorteil verschaffen.“
Rittinger verweist darauf, dass er in jedem Fall die Unterstützung der Krankenkassen brauche, unter anderem als Finanziers. 80 Cent pro Versicherten und Jahr sollten diese an die Degiv zahlen. Das entspreche dem Gegenwert eines einzigen Werbebriefes pro Kunde und Jahr. Er argumentiert, dass die Kassen mit den Geräten unter dem Strich einfacher und kostengünstiger mit den Versicherten kommunizieren könnten.
Doch die Einführung der Gesundheitsterminals verläuft schleppend, bislang sind nur wenige Versicherer mit im Boot, allen voran die DAK sowie einige Betriebskrankenkassen. Die DAK unterstützt nicht nur das Pinnerberger Terminal, sondern hat sich zum Ziel gesetzt, damit in Deutschland in die Fläche zu gehen. Rittinger will aber auch andere Versicherer überzeugen mitzumachen. Dafür brauche es den Schulterschluss der Kassen - und der ist bislang nicht sehr ausgeprägt. „Ich habe das Beharrungsvermögen der Versicherer unterschätzt“, stellt der Unternehmer ernüchtert fest. „Und ich habe nicht erwartet, dass einige ihre gesetzlichen Verpflichtungen zum digitalen Datenzugang nicht erfüllen.“
EU-Datenschutz-Grundverordnung
Rittinger setzt aktuell unter anderem auf die bevorstehende Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung, die dem einzelnen Bürger mehr Kontrolle über seine Daten verschaffen soll und damit zusätzlichen Druck auf die Kassen ausüben dürfte. Und er setzt auf mühsame Überzeugungsarbeit: „Wir haben zu rund 100 Kassen einen direkten Draht.“
Vielleicht hat das Zögern der Versicherer auch damit zu tun, dass die digitale Kommunikation zwischen Kassen und Kunden künftig eher über Smartphone oder Laptop als über die Gesundheitsterminals laufen wird. Trotz des Bekenntnisses der DAK zu einem großflächigen Roll-Out der Gesundheitsterminals sieht Unternehmenssprecher Helge Dickau diese nur als einen Baustein in der Digitalstrategie seines Unternehmens. Er gibt zu, dass Handy und der persönliche Computer auf jeden Fall eine bedeutende Rolle spielen werden. Auf einen Zeitpunkt, wann die Zahl von bundesweit 7500 Terminals erreicht sein werde, will sich Dickau jedenfalls nicht festlegen: „Im Augenblick sammeln wir erstmal Erfahrungen, wie die existierenden Geräte angenommen werden.“
Derweil will Rittinger die Kunden langsam an seine Apparate gewöhnen. Anfangs, sagt er, stünden ihnen nur einige Funktionen zur Verfügung: „Sie sollen die Möglichkeit zum Üben haben.“ Mit der Zeit sollen weitere Angebote dazukommen, beispielsweise die Beantragung einer ärztlichen Zweitmeinung, wenn eine Operation anstehe. Langfristig, so die Vorstellung Rittingers, solle die gesamte Verwaltung der Gesundheitsleistungen über diese Terminals laufen.
Dieser Tag muss irgendwann kommen, denn immerhin geht es auch um die wirtschaftliche Zukunft seines Unternehmens. Umsatzzahlen verrät der Unternehmer nicht, weist aber darauf hin, dass ihn mehrere Privatpersonen finanziell unterstützen. „Die wollen kein schnelles Geld sehen“, macht Rittinger klar. Und hofft derweil, dass alsbald weitere Kassen bei ihm unterschreiben.
1 Kommentar
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von Dieter Rittinger am 16.03.2018 um 16:14 Uhr
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