Regulierung der Freien Berufe

EU schwächt Dienstleistungspaket für Ärzte und Apotheker ab

Berlin - 23.03.2018, 07:00 Uhr

Das EU-Parlament und der Ministerrat haben sich darauf verständigt, dass Heilberufler im Dienstleistungspaket eine Sonderrolle bekommen. (Foto: Imago)

Das EU-Parlament und der Ministerrat haben sich darauf verständigt, dass Heilberufler im Dienstleistungspaket eine Sonderrolle bekommen. (Foto: Imago)


Das sogenannte EU-Dienstleistungspaket ist das Schreckgespenst vieler Freiberufler hierzulande: Kurz gesagt will die EU mit dieser Richtlinie bewirken, dass neue Regulierungen in den Freien Berufen grundsätzlich immer erst auf EU-Ebene abgestimmt werden müssen. Insbesondere Ärzte und Apotheker hatten heftig protestiert. Nun schwächt die EU das Paket zumindest leicht ab. Nach Informationen von DAZ.online soll es für Heilberufler einen „besonderen Beurteilungsspielraum“ geben.

Ausnahmsweise einmal gute Nachrichten aus Brüssel: Nach Informationen von DAZ.online haben sich der EU-Ministerrat und das EU-Parlament am vergangenen Dienstag auf letzte Änderungen am sogenannten EU-Dienstleistungspaket geeinigt. Konkret geht es um die sogenannten Verhältnismäßigkeitsprüfungen: Mit diesen Prüfungen sollen die EU-Mitgliedsstaaten künftig immer abwägen, ob neue, geplante Regulierungen in den Freien Berufen auch notwendig und angemessen sind. In der Praxis heißt das: Jedes Mal, wenn der Gesetzgeber hierzulande eine Änderung an der Regulierung des Apotheker- oder Ärzteberufes beschließen will, müsste er vorher prüfen und belegen, dass diese neue Regulierung keine Nachteile für andere EU-Mitglieder mit sich bringt und den Zugang anderer EU-Bürger zu diesem Beruf nicht erschwert.

Ähnlich wie bei den Gesundheitssystemen, über deren Gestaltung die EU-Staaten selbst entscheiden dürfen, darf die EU eigentlich nicht in die Liberalisierung oder Regulierung der Freien Berufe eingreifen. Daher sieht das EU-Dienstleistungspaket auch keine direkten Liberalisierungen vor, sondern „nur“ Verhältnismäßigkeitsprüfungen. Über die Ausgestaltung dieser Prüfungen waren sich das EU-Parlament und der EU-Ministerrat allerdings uneinig. Der Konflikt bestand darin, ob auch Gesundheitsberufe zu den Freien Berufen gezählt werden, die solchen Verhältnismäßigkeitsprüfungen unterliegen.

In einem ursprünglichen Entwurf war das so vorgesehen. Der Ministerrat wollte den Gesundheitsberufen keinen besonderen Status gewähren. Die Apotheker, Ärzte und Zahnärzte protestierten heftig dagegen: Aus Sicht der Heilberufler sind Regulierungen im Gesundheitswesen zur Aufrechterhaltung der Versorgungsqualität wichtig. Zumindest im EU-Parlament kam diese Botschaft an: Bis zuletzt verhandelten Parlament und Ministerrat nun über die genaue Formulierung, was die Heilberufler betrifft.

EU-Kommission: Regulierung bei Gesundheit gerechtfertigt

Noch ist der Text der Einigung nicht veröffentlicht. Informationen von DAZ.online zufolge sollen die Verhältnismäßigkeitsprüfungen für Apotheker und Ärzte zwar nicht ganz wegfallen. Allerdings sollen die Mitgliedsstaaten einen „besonderen Beurteilungsspielraum“ bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit in Gesundheitsberufen erhalten. Konkret soll im Richtlinienentwurf festgehalten werden, dass der Gesundheitsschutz bei der Bewertung regulierter Freier Heilberufe immer eine Rolle spielen soll. Wenn die Mitgliedsstaaten also beispielsweise eine neue Regulierung im Apothekenwesen planen, müssen sie zwar noch die Verhältnismäßigkeit und EU-Konformität prüfen. Dabei sollen sie aber eine höhere Flexibilität als in anderen Berufsgruppen haben.

In einer Pressemitteilung begrüßte die EU-Kommission diesen Kompromiss: „Für eine Reihe von Berufen, beispielsweise in den Bereichen Gesundheit und Sicherheit, ist die Reglementierung häufig gerechtfertigt. Es gibt jedoch zahlreiche Fälle, in denen durch übermäßig umständliche und nicht mehr zeitgemäße Vorschriften qualifizierten Bewerbern der Zugang zu Berufen unverhältnismäßig erschwert wird. Das wirkt sich auch zum Nachteil der Verbraucher aus.“

Wie die Prüfungen und die Ausnahmen für Heilberufler genau ausgestaltet werden, steht noch nicht fest. Denn die nun getroffene Einigung muss zunächst in allen EU-Ländern und auch bei den zuständigen EU-Parlamentariern abgestimmt werden. Stimmen alle Institutionen zu, kann die Richtlinie in Kraft treten.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Wer oder Was bestimmt "Dienstleistungspakete"?

von Heiko Barz am 23.03.2018 um 9:08 Uhr

Man stelle sich nur vor, von welchen, aus ihrer Partei nach Brüssel "abgestellten" Protagonisten unsere verhältnismäßig komplexen Berufsbilder abhängig geworden sind. Diese sogenannten "Entscheider" aus Brüssel interessieren sich nicht einmal einen 'Deut' für die Grundsätzlichkeiten unserer freiberuflichen Aktivitäten. Hauptsache man ist Mitglied einer Kommission und erhält Tagungsgelder. Welch einen Unsinn man dabei verzapft und welche berufseinschneidenden und existenzgefährdenden Aktivitäten "man" beschließt, ist unserem Berufsbild spätestens seit Herbst 2016 schmerzlich in Erinnerung. Diesen "Entscheidern" ist es auch vollkommen 'Wurscht', welche Existenzen sie vernichten, kann man jene ja auch nicht einmal für individuelle Fehlentscheidungen ( siehe polnischer Gesundheitskommissar) finanziell zur Verantwortung ziehen.
Aber die Deutschen mit ihren selbst auferlegten Zwangsenteignungen -bedingt durch Brüsseler Schwachsinn- sind eigentlich die Triebfedern allen Übels.
Europa "First" und Alles Nationale unwichtig hintan, das wird unsere Zukunft sein!
Durch diese Art europäischer Vergewaltigung hat unser Berufstand - jedenfalls seit 2004 - schon einige Milliarden im Europasand zwangsvergraben.
Die immer wieder vorgetragenen Behauptung: ohne Europa- als politischen Verbund - ginge es Deutschland, Steueraufkommens bedingt, wesentlich schlechter, kann für unsere Gesundheitsbilder in keine Weise zutreffen, ganz im Gegenteil!

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