Erweiterte Kompetenz 

Kanada: Apotheker in Saskatchewan dürfen die Pille verschreiben

Stuttgart - 03.04.2018, 13:45 Uhr

In vielen Provinzen Kanadaa ist der Weg zum nächsten Arzt weit. Apotheken sollen die Lücke schließen. (Foto: imago /  All Canada Photos)

In vielen Provinzen Kanadaa ist der Weg zum nächsten Arzt weit. Apotheken sollen die Lücke schließen. (Foto: imago /  All Canada Photos)


Frauen in der kanadischen Provinz Saskatchewan müssen nicht mehr zum Arzt gehen, um sich die Pille verschreiben zu lassen. Seit neuestem geht das in der Apotheke. Die Verschreibungskompetenzen der Apotheker wurden entsprechend erweitert. Neben Kontrazeptiva umfasst die Erweiterung auch Antibiotika gegen Harnwegsinfekte. 

Apotheker in der kanadischen Provinz Saskatchewan haben deutlich größere Kompetenzen als ihre deutschen Kollegen: Sie dürfen beispielsweise Folgerezepte ausstellen oder im Notfall zuvor bereits verschriebene Mittel verordnen. Seit einigen Jahren bereits können sie Arzneimittel gegen Bagatellerkrankungen (minor ailments) verschreiben, wenn sie eine entsprechende Fortbildung absolviert haben. Die zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen (level I prescribing authority) wurden nun erweitert. Demnach dürfen Apotheker jetzt auch Kontrazeptiva, wie die Pille, Pflaster und Ringe, sowie Antibiotika gegen Harnwegsinfekte verschreiben. Angestoßen wurde dies Medienberichten zufolge vom dortigen Gesundheitsministerium gemeinsam mit den Selbstverwaltungsorganen der Apotheker und Ärzte (Saskatchewan College of Pharmacy Professions (SCPP) and College of Physicians and Surgeons).

Apotheken seien gut erreichbar und hätten zudem längere Öffnungszeiten, erklärt der Chef des Apothekerverbandes der Provinz, Dawn Martin. Man betrachte dies als einen zusätzlichen Beitrag der Apotheker zu Gesundheitssystem. Weiter sagt er: „Apotheker sind dafür ausgebildet. Sie wollen diesen Service anbieten und es ist auch gewünscht.“ 

Besserer Zugang zur Gesundheitsversorgung

Hinsichtlich der Fähigkeit, die Situation zu bewerten, unterscheiden sich Apotheker nicht von anderen Health Care Professionals, findet Myla Wollbaum, die beim Apothekerverband Saskatchewan für die Berufspraxis zuständig ist. Die neuen Regelungen erleichterten Frauen den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Insbesondere Frauen in ländlichen und abgelegenen Gegenden, wo es unter Umständen keinen Arzt gibt, könnten so Verhütungsmittel bekommen, sagt Wollbaum.

In der Provinz müssen Frauen oft 40 bis 60 Kilometer zur nächsten Arztpraxis fahren, eine Apotheke haben hingegen auch viele kleinere Orte. 

Die Organisation Planned Parenthood begrüßt die Neuerungen. So müsse man bei Ärzten oft lange auf Termine warten. Je mehr Möglichkeiten es gebe, an Kontrazeptiva zu kommen, desto besser werde der Zugang für die Frauen. 

Wie finden das die Ärzte?

Die meisten gesunden Frauen im gebärfähigen Alter können nun hormonelle Kontrazeptiva in der Apotheke bekommen. Bei Minderjährigen vertraue man auf die professionelle Einschätzung der Apotheker, heißt es seitens des Apothekerverbandes. In den Guidelines wird ein Alter unter zwölf Jahren als Kontraindikation genannt. Für die notwendige Beratung, für die eine umfangreiche Leitlinie zur Verfügung steht, dürfen die Apotheker von den Patientinnen eine Gebühr verlangen – zusätzlich zu den Kosten des Arzneimittels.

Allergrößten Wert legt man bei den Verschreibungsaktivitäten der Apotheker darauf, dass die Ärzte involviert sind. So sind Apotheker angehalten vor der Verordnung, die Mediaktionshistorie im sogenannten Pharmaceutical Information Programm einzusehen und zudem den Hausarzt über die Verschreibung und deren Hintergründe zu informieren. Im Idealfall existiert ein sogenanntes Collaborative Practice Agreement zwischen Ärzten und Apothekern, also eine explizite fachliche Vereinbarung. Manche Verschreibungen sind auch nur mit solchen Absprachen möglich, in anderen Fällen genügen gesetzliche Regelungen.

In einem Informationsblatt für Ärzte heißt es, die Möglichkeit für Apotheker, Rezepte auszustellen, solle auf keine Fall Ärzte ersetzen – ganz im Gegenteil. Grundlage dieser erweiterten Kompetenzen sei eine enge Zusammenarbeit zwischen Patienten, Hausärzten und Apothekern. Die Erlaubnis unter gewissen Umständen zu verordnen, eröffne den Apothekern zusätzliche Möglichkeiten, die Ärzte bei der Arzneimitteltherapie zu unterstützen und trage dazu bei, den Nutzen der Patienten zu maximieren

Keine Diagnosen vom Apotheker

Weiter heißt es: Die Gesetze statteten Apotheker mit zusätzlicher Flexibilität aus, um in vielen Situationen dem Patienten helfen zu können, ohne erst Rücksprache mit dem Arzt halten zu müssen. Apotheker seien jedoch nicht ausgebildet, Diagnosen zu stellen. Ihre Kompetenz liege darin, festzustellen, was für die jeweilige Diagnose, die entweder er Arzt oder der Patient selbst gestellt hat, das beste Arzneimittel ist. Daher basierten die Regelungen zur apothekerlichen Verschreibungskompetenz auf Zusammenarbeit.

Neben der Level I prescribing authority verfügen manche besonders qualifizierte Apotheker über eine Level II prescribing authority, die ihnen erweiterte Kompetenzen einräumt. Diese erlaubt es ihnen zum Beispiel zusätzlich Therapien anzusetzen – nach Diagnosestellung durch den Arzt – oder Dosierungen zu ändern.  Auch hier spielt die enge Kooperation mit den Ärzten eine wichtige Rolle. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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