Teure Generika in der Schweiz

Festbetragssystem könnte bald Formen annehmen

Remagen - 05.04.2018, 10:15 Uhr

In der Schweiz könnte es schon bald ein neues Preisbildungssystem für Arzneimittel geben. (Foto: Imago)

In der Schweiz könnte es schon bald ein neues Preisbildungssystem für Arzneimittel geben. (Foto: Imago)


In der Schweiz sind die schon vor rund vier Jahren anvisierten Pläne, für wirkstoffgleiche Arzneimittel ein Referenzpreissystem einzuführen, wieder aufgegriffen worden. Der Druck ist groß, denn Generika sind dort erheblich teurer als in vielen anderen Ländern und haben derzeit nur einen vergleichsweise geringen Marktanteil. Da gibt es viel zu sparen.

Die Schweizer Pläne zur Einführung eines Festbetragssystems kommen zum jetzigen Zeitpunkt nicht überraschend. Bereits im Juni 2014 hatte der Bundesrat einen entsprechenden Beschluss gefasst. Die Vernehmlassung (Anhörung) zur Änderung des Gesetzes über die Krankenversicherung sollte ursprünglich im 2016 eröffnet werden und die Änderungen per 2019 in Kraft treten. Beides wurde dann um ein Jahr nach hinten verschoben.

Kostendämpfungsprogramm verabschiedet

Nun hat der Schweizer Bundesrat auf seiner Sitzung vom 28. März 2018 ein größeres Kostendämpfungsprogramm verabschiedet, mit dem die Pläne noch in diesem Jahr Form annehmen könnten. Das umfassende Programm greift insgesamt 38 Vorschläge auf, die eine international besetzte Expertengruppe im Herbst 2017 vorgelegt hat. Die Reform soll nicht in einem Rutsch, sondern in zwei Paketen auf den Weg gebracht werden. Das erste Paket, das die Einführung des Referenzpreissystems (Festbetragssystems) bei Arzneimitteln beinhaltet, soll im Herbst 2018 in das Anhörungsverfahren geschickt werden. 2019 soll dann ein zweites Paket folgen.

Weit überhöhte Generikapreise

Nach dem jüngsten Auslandpreisvergleich von Generika und patentabgelaufenen Originalmedikamenten des Preisüberwachers im Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung von Anfang November 2017 sind die Schweizer Preise für Nachahmerpräparate weiterhin stark überhöht.

So soll das günstigste Generikum mit demselben Wirkstoff basierend auf dem durchschnittlichen Preisniveau in 15 europäischen Vergleichsländern zweieinhalbmal so viel kosten. Patentabgelaufene Originalmedikamente sollen um 60 Prozent über dem durchschnittlichen Auslandpreisniveau liegen. Der Preisüberwacher macht hierfür vor allem die Regeln für die Preisfestsetzung verantwortlich. Anders als bei den Originalmedikamenten wird der Preis für Generika nicht mit einem Auslandpreisvergleich ermittelt, sondern über den Schweizer Preis des wirkstoffgleichen Originalpräparats. Je nach Umsatz des Originals müssen die Generika bei Neuaufnahme einen Mindestabstand von 20-70 Prozent zum Original einhalten. Ein echter Preiswettbewerb unter den Generikaherstellern habe sich damit bislang nicht etablieren können, stellt der Preisüberwacher fest. 

Generika: Nur 27 Prozent Marktanteil

Auch der mengenmäßige Anteil der Nachahmer am Markt lässt noch deutlich zu wünschen übrig. Mit 27 Prozent nach verkauften Packungen (im kassenpflichtigen Markt) hinkt die Schweiz gegenüber Ländern wie den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien mit 71, 81 bzw. 84 Prozent gravierend hinterher. Das Problem ist aber wohl zum Teil auch hausgemacht, denn derzeit übernimmt die Grundversicherung alle Medikamente auf der Spezialitätenliste, selbst wenn eine kostengünstigere Alternative in Form eines Generikums verfügbar wäre. Die Patienten müssen allenfalls einen höheren Selbstbehalt von 20 statt 10 Prozent bezahlen (differenzierter Selbstbehalt).

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Wie könnte das System aussehen?

Die Preisüberwachung erwartet, dass mit einem Referenzpreissystem jährliche Einsparungen für die Grundversicherung in dreistelliger Millionenhöhe erzielt werden können. Inwieweit das gelingt, dürfte von der Ausgestaltung des Systems abhängen. Derzeit wird angedacht, vorerst alle Medikamente mit demselben patentabgelaufenen Wirkstoff (sowohl Original wie auch Generika) in dieselbe Gruppe einzuteilen. Auch ein schrittweises Vorgehen wird diskutiert, indem zuerst nur die Generika erfasst werden. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) bezahlt dann für jedes Präparat aus einer Gruppe nur noch einen fixen Betrag (Referenzpreis/Festbetrag). Patienten, die ein teureres Arzneimittel haben möchten, müssen die Preisdifferenz selbst bezahlen. Um das hohe Schweizer Generikapreisniveau möglichst schnell herunter zu brechen, soll die Obergrenze des Referenzpreises über einen Auslandpreisvergleich ermittelt werden. Alle Präparate einer Gruppe sollen unabhängig von ihrem individuellen Preis dieselbe Vertriebsmarge in Franken erhalten.

Apotheker befürchten Versorgungsprobleme

Der schweizerische Apothekenverband sieht die Einführung eines Referenzpreissystems mit großer Skepsis. In einem solchen System bestimmten Behörden oder Krankenversicherer die Medikamentenauswahl, mit Fokus auf Kosteneinsparungen statt auf Qualität und Versorgungssicherheit, kritisiert pharmaSuisse. Der Verband befürchtet bei zu niedrigen Preisen Versorgungslücken. Außerdem würden die Patienten damit laufend entweder zum Medikamentenwechsel oder zum Bezahlen des Differenzbetrags zum Festpreis bzw. zum bisher verabreichten Generikum gezwungen. Erfahrungen aus EU-Ländern zeigten, dass solche erzwungenen Medikamentenwechsel zu einer schlechteren Therapietreue und damit zu höheren Kosten führten.

Die Folgen für die Apotheker könnten auch deswegen gravierend sein, weil nach dem Willen der Expertengruppe als ergänzende Maßnahme auch die Verpflichtung zur Generikasubstitution bei der Abgabe eingeführt werden soll. Bislang ist diese für die Apotheker ebenso wie für die selbstdispensierenden Ärzte noch freiwillig. Die Maßnahme steht jedoch noch nicht auf der Agenda des ersten Reformpakets.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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