Schweiz

Qualitätszirkel Arzt-Apotheker sind ein Gewinn für alle

Remagen - 06.04.2018, 16:30 Uhr

In der Schweiz gibt es seit Jahren Qualitätszirkel von Ärzten und Apothekern. (Foto: Imago)

In der Schweiz gibt es seit Jahren Qualitätszirkel von Ärzten und Apothekern. (Foto: Imago)


Die gemeinsamen Qualitätszirkel von Apothekern und Ärzten gelten in der Schweiz als Erfolgsmodell. Sie schaffen Vertrauen und sparen Kosten. In der März-Ausgabe des offiziellen Magazins der Schweizer Apotheker, dem „pharmaJournal“, berichten zwei engagierte Apothekerinnen über ihre Erfahrungen damit.

In der Schweiz arbeiten Apotheker und Ärzte in Qualitätszirkeln zusammen, mit dem Ziel, die Verschreibungsgewohnheiten der Mediziner zu optimieren. Konkret soll durch die interprofessionelle Zusammenarbeit die bestmögliche Medikation zu einem angemessenen Preis gefunden werden. Die Initiative wurde schon vor zwanzig Jahren gestartet, mit einem Pilotprojekt im Kanton Fribourg. Heute gibt es bereits rund 70 solcher Zirkel. Apotheker, die sich hier einbringen wollen, absolvieren dafür eine Weiterbildung zum Erwerb des Fähigkeitsausweises „Konsiliarapotheker für die ambulante Medikamenten-Verschreibung“.

Die Gründung und Leitung eines Qualitätszirkels Arzt-Apotheker fordern Zeit und Energie, aber es lohnt sich auf jeden Fall, meinen die beiden Apothekerinnen Solange Barbay und Linda Cretegny. In der aktuellen Ausgabe des Magazins der Schweizer Apotheker „pharmaJournal“ schildern sie ihre Erfahrungen mit dem Zirkel, den sie selbst aus der Taufe gehoben haben.  

Gründung des neuen Zirkels geglückt

Im Jahr 2015 haben Barbay und Cretegny gemeinsam die Pharmacie du Marché in der Gemeinde Aubonne im Kanton Waadt erworben und damit die Nachfolge ihrer vorherigen Chefin angetreten. Obwohl die Übernahme sie stark in Anspruch genommen hat, riefen sie noch im selben Jahr einen Qualitätszirkel Arzt-Apotheker ins Leben. In Aubonne gab es zwar schon seit 2007 einen solchen Zirkel, in dem sie sich ebenfalls engagiert hatten, aber dieser sei zu groß geworden, als dass noch eine gute Gruppenarbeit möglich gewesen wäre, erklärt Solange Barbay. Deshalb beschlossen sie, einen neuen zu gründen und einen Teil der Ärzte aus dem bestehenden Qualitätszirkel dafür anzuwerben. Zusätzlich versuchten sie, an Orten, die bis dato noch nicht abgedeckt waren, weitere Allgemeinmediziner zum Mitmachen zu bewegen. Bei elf Ärzten war ihre Überzeugungsarbeit schließlich erfolgreich, darunter vier, die noch nie zuvor an einem Qualitätszirkel teilgenommen hatten.

Vor allem am Anfang viel Arbeit

Danach konnte es an die Arbeit gehen. Zunächst wählten sie die Themen aus und bereiteten die Kurse vor. Hierzu wurden die Verschreibungen aller Ärzte des Zirkels statistisch analysiert. Sie erstellten Verschreibungsprofile der Ärzte in anonymisierter Form und erhoben Daten zur wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Präparate innerhalb einer therapeutischen Gruppe sowie zum Volumen oder auch zur Häufigkeit ihrer Verschreibung. Außerdem wurde der Durchschnittswert des Zirkels und der einer Vergleichsgruppe außerhalb der Initiative ermittelt. Dies sei am Anfang sehr zeitintensiv gewesen, berichtet Cretegny, aber wenn man nach einem Zyklus von drei Jahren wieder auf dieselben therapeutischen Gruppen zurückkomme, sei ein Großteil der Arbeit schon erledigt.

Den Konsens suchen

Die Kurse des Qualitätszirkels von Aubonne finden immer zwischen 12 und 14 Uhr statt, weil dieses Zeitfenster für die Ärzte am günstigen ist. Die Sitzung beginnt mit der Verteilung der Verschreibungsprofile an die Mediziner, anschließend präsentiert die Moderatorin die Statistiken der Gruppe. Dieser Teil dauert fünf bis zehn Minuten. Einschließlich der Diskussion der Daten im Hinblick auf internationale und schweizerische Empfehlungen für die Verordnung nimmt ein Kurs rund eine Stunde in Anspruch. Ziel jeder Zirkelsitzung sei es, zu einem lokalen Konsens zu gelangen, betonen Cretegny und Barbay. Jedes Jahr würden drei therapeutische Gruppen vorgestellt und diskutiert. Mit insgesamt rund zehn zu behandelnden Themen dauere der erste Fortbildungszyklus zwei bis drei Jahre. Anschließend befasse man sich ein weiteres Mal damit. „Erst dann können wir die Effekte in der Praxis messen“, erläutert Solange Barbay.

„Bei uns finden die Ärzte Lösungen für ihre Probleme“

„Die ersten Sitzungen sind entscheidend“, betont ihre Kollegin Cretegny, „denn es gilt, das Vertrauen der Ärzte zu gewinnen und ihnen zu zeigen, dass Qualitätszirkel für ihre tägliche Praxis von Nutzen sein können.“ Das Eis sei aber schnell gebrochen gewesen, und die für Kostenfragen stark sensibilisierten Mediziner lernten die angebotenen unabhängigen Inhalte zu schätzen. „Die grundversorgenden Ärzte stehen unter starkem Druck durch die Versicherer, gibt sie zu Bedenken. „Bei uns finden sie Lösungen für ihre Probleme.“

Die Patienten sind begeistert

Kaum zwei Jahre nach dem Start ihres eigenen Zirkels ziehen die beiden Apothekerinnen eine sehr positive Bilanz. Sie hegen keinerlei Zweifel, dass ein solches lokales Netzwerk die rundum-Versorgung der Patienten verbessert. „Die Patienten sind begeistert, wenn sie erfahren, dass ihr Apotheker Kontakt mit ihrem Arzt pflegt“, schildert Cretegny. Zwar verlange ihr Engagement in dem Qualitätszirkel viel Zeit und Energie, aber es lohne sich, stärke das Selbstvertrauen und trage außerdem zu einer besseren Anerkennung der Kompetenzen von Apothekern bei.  

Einsparungen konkret messbar

Beide wünschen sich, dass die Qualitätszirkel noch stärker in das Bewusstsein von Experten und Politikern rücken. Denn für Cretegny und Barbay machen die Zirkel unmissverständlich klar, dass die Apotheker einen Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten leisten können.

Wie in den aktuellen Fakten und Zahlen 2017 von pharmaSuisse nachzulesen ist, haben Ärzte, die an Qualitätszirkeln teilnahmen, im Jahr 2016 rund 218 000 Franken eingespart. Am Beispiel des Qualitätszirkels Apotheker-Ärzte in Fribourg-Pionniers rechnet der Apothekerverband vor, dass die Medikamentenkosten der teilnehmenden Ärzte im Zeitraum von 1999 bis 2015 „nur“ um insgesamt 35 Prozent gestiegen sind, gegenüber 75 Prozent bei einer Kontrollgruppe von Ärzten ohne Qualitätszirkel



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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