Versender im TV-Test

„Werbung und Umsatz gehen bei Versandapotheken vor Beratung“

Berlin - 06.04.2018, 12:10 Uhr

Fünf große Versandapotheken schnitten schlecht im Beratungs-Test ab. (Screenshot DAZ.online/ HR)

Fünf große Versandapotheken schnitten schlecht im Beratungs-Test ab. (Screenshot DAZ.online/ HR)


Ein erneuter vernichtender Verbrauchertest für die großen Versandapotheken: Das TV-Magazin „service:gesundheit“ des Hessischen Rundfunks hat fünf große Versender getestet. Konkret wurde unter die Lupe genommen, wie die Versender ältere Patienten beraten. Das Ergebnis ist verheerend. Einzig der niederländische Versender DocMorris kann in einigen Bereichen punkten.

Einige deutsche und ausländische Versandapotheken haben es in diesen Tagen mit einem erneuten schlechten Test ihrer Beratungsleistungen zu tun. Das TV-Magazin „service:gesundheit“ hat die Dienstleistungen von fünf Versendern getestet und kommt zu dem Schluss, dass insbesondere ältere Menschen vor einer Bestellung im Internet gewarnt werden müssen. „Günstig aber gefährlich?“, diese Frage stellt sich die Moderatorin in der Einleitung des Beitrags, der am gestrigen Donnerstag im Fernsehen lief. Und weiter: „Eigentlich sind auch Versandapotheken dazu verpflichtet, ihre Kunden zu beraten. Aber machen sie das auch wirklich?“

Wie ist das TV-Magazin bei seinem Test vorgegangen? Die Redaktion hat die fünf umsatzstärksten Anbieter im Markt getestet. Denn: „Die Umsätze steigen rasant, aber werden die Kunden auch richtig beraten?“ Die fünf getesteten Versender inklusive Umsatz-Zahlen sind: DocMorris (317,1 Millionen Euro), Shop Apotheke (145,5 Millionen Euro), Medikamente-per-Klick (116 Millionen Euro), Medpex (115 Millionen Euro) sowie die Europa Apotheek Venlo (101 Millionen Euro).

Test: 80-Jährige bestellt Schmerz- und Schlafmittel

Die Redaktion hat sich für den Test als eine 80-jährige Dame ausgegeben, die in allen fünf Online-Shops die gleichen Arzneimittel bestellte: Aspirin 500mg (20 Stück), Thomapyrin Intensiv (20 Stück), Diclofenac 25mg (20 Stück) sowie Hoggar Night. Zur fachlichen Auswertung hat sich das HR-Fernsehen die Hilfe des Pharmakologen Prof. Dr. Martin Wehling von der Uni-Klinik Mannheim gesichert. Wehling weist auf die gefährliche Mischung insbesondere der drei Schmerzmittel hin und erklärt die möglichen Nebenwirkungen für Nieren und Magen.

Als erstes Ergebnis wird festgestellt: Keiner der fünf Versender warnt schon beim Bestellprozess vor möglichen Nebenwirkungen. Auf der DocMorris-Seite könne man sogar einen Wechselwirkungs-Check anklicken, man erhalte aber die Aussage, dass bei dieser Kombination „keine bedeutenden Wechselwirkungen“ bestehen. Wehling kommentiert: „Allein schon bei der Bestellung keinen Warnhinweis zu geben, ist ein Fehler.“ Immerhin: Drei Versender, darunter auch DocMorris, legten ihrer Sendung ein Informationsblatt bei. Kurios: DocMorris warnte seine 80-jährige Kundin vor Nebenwirkungen in der Schwangerschaft.

DocMorris: Plus für Warnhinweis

Als besonders „sinnvoll“ wird auch hervorgehoben, dass DocMorris die Packung des Schlafmittels Hoggar Night mit einem gelben Warn-Aufkleber versehen hat, auf dem vor dem Verlust der Verkehrstüchtigkeit gewarnt wird. Dass die anderen Versender das Mittel ohne jeglichen Kommentar eine 80-Jährige verschicken, findet Wehling eine „Katastrophe“. Er weist auf mögliche Risiken, wie etwa Stürze hin.

„Besonders aufgefallen“ sei der Redaktion und dem Pharmakologen insbesondere die Strategie der Versender: „Die Verkaufsstrategie steht oft im Vordergrund“, wird erklärt. Oft blinke es auf den Seiten mit Werbung für noch mehr Schmerzmittel. Die Tester stolperten auch über den Vorschlag, Wick MediNait noch besonders günstig dazu zu kaufen. Wehling erklärt: „Für Ältere ist das völlig unsinnig.“

Hotlines testen gut

Auch die Hotlines der Versender nahmen die TV-Tester unter die Lupe. Die Redakteurin fragte unter der Angabe, dass die Medikamente für ihre 80-jährige Mutter seien, ob man die Präparate gleichzeitig einnehmen solle. Das Resultat: „Alle Kontaktpersonen in der Hotline haben vor einer gleichzeitigen Einnahme gewarnt. Unser Tipp ist daher, die Hotlines bei jedem Zweifel vorher zu kontaktieren“, heißt es. Bei DocMorris sei allerdings aufgefallen, dass die Hotline nicht leicht zu erreichen sei.

Die Endbewertung der fünf Versender ist rundum schlecht: Für die Werbung und die Beratung im Netz bekamen alle fünf Unternehmen ein Minus, DocMorris bekam ein Extra-Plus für die Mengen-Begrenzung, die es bei keiner anderen Versandapotheke gab. Die Info-Blätter im Paket lagen immerhin bei drei Versendern vor, wobei das Blatt von Medpex wohl nicht so informativ war. Für ihre Beratung an der Hotline erhielten alle Versender ein Plus. Trotzdem kommen die Tester zu dem Schluss: „Werbung und Umsatz gehen bei den Versandapotheken vor Beratung. Deswegen bekommen selbst die besseren Drei keine guten Noten.“

Auch die Stiftung Warentest kam zu einem schlechten Ergebnis

Es ist nicht das erste Mal, dass die Beratungsleistungen der Versandapotheken schlechte Testresultate erhalten. Erst Ende Oktober hatte die Stiftung Warentest 15 deutsche und drei ausländische Versandapotheken getestet und kam zu einem für die Versender verheerenden Ergebnis. Sieben der 18 getesteten Unternehmen erhalten die Bewertung „mangelhaft“, die beste vergebene Note ist „befriedigend“. Die Tester stören sich insbesondere an den schlechten bis gänzlich ausbleibenden fachlichen Beratungen der Versender.

Immerhin: Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken reagierte damals auf den Test und erklärte, dass die schlechten Resultate eine Motivation dafür sei, die Services der Versender zu verbessern.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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