TV-Satire

Kalkofe lacht über Spahn und Versandapotheken

Berlin - 09.04.2018, 12:50 Uhr

Kabarettist Oliver
Kalkofe nimmt Jens Spahns Beziehungen zu Versandapotheken aufs Korn. (Screenshot: NDR - Extra 3)

Kabarettist Oliver Kalkofe nimmt Jens Spahns Beziehungen zu Versandapotheken aufs Korn. (Screenshot: NDR - Extra 3)


Insbesondere mit Blick auf das geplante Rx-Versandverbot war in den vergangenen Wochen in einigen Medien immer wieder von der angeblichen Macht der Apothekerlobby zu lesen. Nun hat sich Fernseh-Kabarettist Oliver Kalkofe satirisch dem Apothekenmarkt genähert: In der NDR-Sendung „Extra3“ macht sich Kalkofe über die gemeinsame Vergangenheit von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und DocMorris-Vorstand Max Müller lustig. Allerdings interpretiert Kalkofe die politische Wahrheit recht frei.

Das Medienecho darauf, dass sich die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag für das Rx-Versandverbot einsetzt, hätte eindeutiger nicht sein können: Sinngemäß war oft zu lesen, dass die mächtige Apothekerlobby es einmal mehr geschafft habe, die Politik von einer rückschrittlichen Maßnahme überzeugt zu haben, nur um sich die Konkurrenz vom Hals zu halten. Für den Patienten bringe das Verbot – in Zeiten der Digitalisierung – keine Vorteile mit sich.

Über die Aktivitäten der Lobby der Versandapotheken war hingegen wenig zu lesen. Bei der Ernennung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn flammte lediglich kurz noch einmal die Recherche des „Focus“ auf. Zur Erinnerung: Das Magazin deckte 2012 auf, dass Spahn, sein ehemaliger Büroleiter und das heutige DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller einst eine gemeinsame PR-Agentur betrieben, in der Kunden aus dem „Medizin- und Pharmasektor“ wichtige Informationen aus der Gesundheitspolitik angeboten wurden. Laut „Focus“ warb Politas mit dem folgenden Slogan auf seiner Internetseite: „Ganz gleich, ob es um eine Anhörung, ein Hintergrundgespräch oder um eine Plenardebatte geht. Wir sind für Sie dabei.“

Überraschenderweise hat nun der TV-Kabarettist Oliver Kalkofe diese Geschichte in der Satire-Sendung „Extra3“ aufgegriffen. Kalkofe setzt sich in seinem etwa vierminütigen Beitrag mit dem Titel „Laudatio für die GroKo“ satirisch mit der personellen Besetzung der neuen Regierung auseinander. Über Jens Spahn, der in dem Beitrag als tätowierter Türsteher gezeigt wird, sagt Kalkofe wörtlich:


„Unser taffer Mr. Du-Kommst-Hier-Nicht-Rein. Da wird er dann doch wieder zum Ausländerfreund, wenn andere für uns die Scheiße billig wegmachen. Aber so tickt nunmal ein Gesundheitsminister, der vorher für die Pharmalobby gearbeitet hat und von Versandapotheken bezahlt wurde, während er sich im Bundestag für die Liberalisierung des Apothekenmarktes einsetzte. Absurd, aber wirklich wahr, das kann man eigentlich gar nicht mehr toppen. Höchstens noch durch einen ehemaligen Braunkohle-Lobbyisten als Umweltminister.“

Oliver Kalkofe, TV-Kabarettist


Wie wahr ist Kalkofes Satire?

Dass Kalkofe mit diesen Äußerungen auf Spahns und Müllers gemeinsame Agentur anspielt, ist naheliegend. Allerdings entsprechen die Aussagen des Satirikers hierbei nur bedingt der Wahrheit. Denn erstens ist zumindest in der medialen Öffentlichkeit nie etwas über den Kundestamm von Spahns Agentur bekannt gewesen. Im „Focus“ war damals von „Klienten aus dem Medizin- und Pharmasektor“ die Rede. Dass sich der neue Bundesgesundheitsminister von Versandapotheken hat bezahlen lassen, ist nicht bekannt.

Nur ein Liberalisierungsantrag im Bundestag

Zweitens ist auch die Aussage, dass Spahn sich im Bundestag für die Liberalisierung des Apothekenmarktes einsetzte, nur begrenzt wahr. Jens Spahn zog 2002 erstmals in den Bundestag ein. Zur Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes hat es im Bundestag seitdem einen einzigen Antrag gegeben, der aus der Fraktion der Grünen um die damalige Gesundheitspolitikerin Biggi Bender kam.

2006: Kabinettsbeschluss zu Höchstpreisen

2006 hat es dann allerdings einen Kabinettsbeschluss gegeben, der zumindest die Rx-Preisbindung teil-liberalisiert hätte. Im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wollte die Bundesregierung damals eine Höchstpreisregelung einführen, so wie sie heute von DocMorris und den deutschen Versendern gefordert wird. Spahn war damals stellvertretender Vorsitzender der AG Gesundheit der Unionsfraktion. Inwiefern der heutige Minister damals an dieser Höchstpreis-Regelung, die im parlamentarischen Verfahren wieder herausgenommen wurde, mitwirkte, ist ebenso völlig unklar.

Insbesondere in seinen Anfangsjahren wollte Spahn liberalisieren

Was zutrifft, ist aber, dass Spahn sich zumindest in seinen Anfangsjahren im Bundestag des Öfteren in den Medien für eine Liberalisierung aussprach. 2004 erklärte in einem Magazin der Kammer Westfalen-Lippe zum Beispiel: „Die Diskussion um den Fremdbesitz wird regelmäßig befördert von allerhöchster Stelle, vom Kanzler nämlich. Ich bin kein Freund dieser Gedankenspiele, denke aber, dass das Verbot früher oder später fallen wird.“ Und was die Aufhebung der Rx-Preisbindung betrifft, sagte Spahn damals: „Weil mit Blick auf die preislich flexibleren ausländischen Versender wegen der starren Arzneimittelpreisverordnung und den Festpreisen zu Recht eine Inländerdiskriminierung beklagt wird, bin ich sehr offen dafür, über andere Lösungen nachzudenken.“

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Bedingt wahr ist Kalkofes Liberalisierungs-These vielleicht auch mit Blick auf die Entscheidung des Bundestages, den Versandhandel zu erlauben (2004). Damals stimmten SPD, Union und Grüne gemeinsam für eine große Gesundheitsreform, die auch den Versandhandels-Passus enthielt. Die FDP stimmte damals gegen eine Marktöffnung für den Versandhandel.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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