Arzneimittel falsch entsorgt

Diclofenac im Trinkwasser

Stuttgart - 11.04.2018, 14:00 Uhr

Entsorgen Patienten Diclofenac unsachgemäß in der Toilette und belasten so das Trinkwasser? (Foto: photomax31 / stock.adobe.com)

Entsorgen Patienten Diclofenac unsachgemäß in der Toilette und belasten so das Trinkwasser? (Foto: photomax31 / stock.adobe.com)


In Hessen ist Diclofenac im Trinkwasser nachgewiesen worden. Der Vorwurf der Wasserversorgung Offenbach: Patienten entsorgten ihre Arzneimittel unsachgemäß über die Toilette. Stimmt das im Falle des Diclofenacs – oder scheiden einfach viele NSAR-Patienten den Wirkstoff „natürlich“ über Urin und Fäces aus?

Zu einem richtigen Umgang mit Arzneimitteln gehört auch eine sachgerechte Entsorgung. Hier hapert es offenbar. Denn jüngst erreichen uns immer wieder Meldungen über Arzneimittelrückstände im Grund- oder Trinkwasser. Warnten im Oktober des vergangenen Jahres die Berliner Wasserbetriebe vor Valsartan im Trinkwasser, hat die Wasserversorgung im hessischen Offenbach nun Diclofenac nachgewiesen. Der Wiesbadener Kurier berichtete darüber.

Wie gelangen Arzneimittel ins Trinkwasser?

Als Ursache des Übels von Arzneimittelrückständen in Trinkwässern sieht Bernd Petermann den Verbraucher, der die Arzneimittel über die Toilette entsorge. Petermann ist Geschäftsführer des Zweckverbandes Wasserversorgung Offenbach. Somit will Petermann auch künftig eher die Bürger in die Pflicht nehmen. Sie sollten über die richtige Entsorgung von Arzneimitteln informiert werden. Diese Maßnahme, gepaart mit einer Forderung an die Pharmaindustrie, leichter abbaubare Arzneimittel zu produzieren, erachtet sein Verband für zielführender, als eine vierte Reinigungsstufe in Klärsysteme zu implementieren. Eine solche zusätzliche Reinigungsstufe ist nach Ansicht von Trinkwasserexperten jedoch „eine ausgereifte Technik“. Das erklärte der frühere Fachgebietsleiter im Umweltbundesamt, Hermann H. Dieter, dem Wiesbadener Kurier. So könnten Trinkwasserbrunnen langfristig gegen Abwassereinflüsse gesichert werden.

Doch steckt tatsächlich die falsche Entsorgung via Toilette hinter den Arzneimittelrückständen im Trinkwasser? Oder scheiden einfach viele Diclofenac-Patienten den Wirkstoff über Urin und Fäces aus?

Arzneimittel falsch über die Toilette entsorgt – oder mit Urin und Fäces ausgeschieden?

Diclofenac unterliegt als oral zugeführter Arzneistoff einem ausgeprägten First-pass-Effekt. 30 Prozent des Diclofenacs werden metabolisiert über die Fäces ausgeschieden, 70 Prozent eliminieren die Patienten pharmakologisch inaktiviert renal. Daher liegt bei Diclofenac das Übel wohl tatsächlich in der unsachgemäßen Toiletten-Entsorgung des Arzneimittels. Vorstellbar wäre noch, dass rektale Zäpfchen oder Retardpräparate in größerem Maße als schnellfreisetzende Tabletten unresorbiert und unverändert fäkal ausgeschieden werden und in der Toilette landen – wobei allerdings Zäpfchen ein verhältnismäßig kleines Verordnungsvolumen im Diclofenac-Markt bilden dürften (Diclofenac: 290,6 Millionen DDD 2015; Arzneiverordnungsreport 2016).

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Anders verhält es sich beim 2017 im Berliner Trinkwasser nachgewiesenen Valsartan. Laut Fachinformation wird Valsartan „vorwiegend in unveränderter Form“ eliminiert, und zwar 83 Prozent der applizierten Dosis biliär, 13 Prozent renal. Valsartan ist nach Angabe der Berliner Wasserwerke besonders hartnäckig bei der Klärbarkeit.
Verschärft wird die Situation des AT-1-Rezeptorantagonisten im Trinkwasser durch steigende Verordnungszahlen in den vergangenen Jahren. Laut dem Arzneiverordnungsreport 2016 schlägt Valsartan (Monopräparate) bei den DDD (daily drug dose) mit 635,7 Millionen zubuche, das entspricht einem Plus von 21,9 Prozent zum Vorjahr. Bei Diclofenac hingegen sanken die DDD vom Jahre 2014 um 8,1 Prozent verglichen mit 2015.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Diclofenac im Trinkwasser

von Peter-MIchael Hax am 04.07.2018 um 6:43 Uhr

Topisches Voltaren und Co. sollten verboten werden. Zumindest die Werbung, die absolut irreführend ist! Der weitaus größte Anteil des auf die Haut aufgetragenen Wirkstoffs wird überhaupt nicht resorbiert, die antiphlogistische Wirkung dürfte die von Placebo kaum überschreiten. Hier werden nur Geschäfte auf dem Rücken leichtgläubiger Verbraucher gemacht.

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Analytik

von Dr. Schweikert-Wehner am 12.04.2018 um 10:30 Uhr

Da ist erst mal zu fragen, ob bei der Analytik nur der reine Arzneistoff oder auch die Metaboliten erfasst und die Moleküle voneinander unterschieden werden?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Diclofenac ...

von Reinhard Herzog am 11.04.2018 um 14:38 Uhr

... dürfte, zudem als Natriumsalz, schlicht zu einem bedeutenden Teil unzersetzt von der Haut abgewaschen werden.
Die Verkaufszahlen von topischem Voltaren und Co. lassen das jedenfalls plausibel erscheinen.

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