AKNR unterliegt im Rechtsstreit gegen Betriebskrankenkasse

DocMorris-Werbung als Presseprivileg

Berlin - 03.05.2018, 17:45 Uhr

Das Oberlandesgericht München hat sich mit einem Werbeflyer von DocMorris aus dem Jahr 2014 befasst. (Foto: Imago)

Das Oberlandesgericht München hat sich mit einem Werbeflyer von DocMorris aus dem Jahr 2014 befasst. (Foto: Imago)


Wie weit geht die Wirkung des EuGH-Urteils?

Und damit kommt das Gericht zu der Frage: Ist die Anwendung des deutschen Arzneimittelpreisrechts gegenüber einer niederländischen Versandapotheke mit dem europäischen Recht vereinbar? Laut dem hinlänglich bekannten Urteil des EuGH vom Oktober 2016 ist es das nicht. Und diese Entscheidung ist den Richtern am OLG München zufolge auch zu berücksichtigen, wenn die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a) HWG geprüft wird. Sie erklären, dass sie grundsätzlich an die EuGH-Entscheidung gebunden seien, gehen aber auch kurz auf die Möglichkeit eines neuen Vorabentscheidungsersuchen ein. Ein solches hält auch der Bundesgerichtshof grundsätzlich für möglich, wenn es weitere, neue Feststellungen gibt, die belegen können, dass die deutsche Preisbindung geeignet ist, die flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung in Deutschland sicherzustellen.

SBK keine taugliche Beklagte

Letztlich kommen die Richter am Münchener OLG aber zu dem Schluss, es könne dahingestellt bleiben, ob DocMorris als niederländische Versandhandelsapotheke vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH den deutschen Arzneimittelpreisregelungen unterworfen ist. Denn die SBK könne sich auf das Presseprivileg berufen, das aus dem Grundrecht der Meinungsfreiheit abgeleitet wird. Damit sei die Kasse im Hinblick auf einen etwaigen Wettbewerbsverstoß nicht passivlegitimiert. Das heißt: Sie ist keine taugliche Beklagte.

Vielmehr könne sich die SBK auf die Grundsätze der eingeschränkten Haftung der Presse für wettbewerbswidrige Anzeigen ihrer Inserenten berufen. Nach ständiger Rechtsprechung hafte der Herausgeber eines Presseerzeugnisses nur dann für die Veröffentlichung gesetzeswidriger Werbeanzeigen Dritter, wenn er seine Pflicht verletzt hat, zu prüfen, ob die Veröffentlichung der Anzeigen gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Eine Haftung bestehe nur dann, wenn die Anzeige grobe und eindeutige, unschwer erkennbare Wettbewerbsverstöße enthalte. Das gelte auch für Kundenzeitschriften wie die der SBK.

Gesetzeswidrigkeit muss sich aufdrängen

Die Richter erklären auch den Hintergrund dieser eingeschränkten Haftung von Presseherausgebern: Sämtliche Werbeanzeigen auf etwaige Gesetzesverstöße juristisch zu überprüfen, würde deren Tätigkeit unzumutbar erschweren. Es zöge nicht nur einen beträchtlichen Zeitaufwand nach sich, sondern binde auch erhebliche personelle Ressourcen. Maßstab für die Beurteilung sei nicht die Sichtweise eines juristisch gebildeten Betrachters, sondern des Redaktionsmitarbeiters, der mit der Anzeigenschaltung befasst ist. „Nur wenn sich aus dessen Warte die Gesetzeswidrigkeit der Anzeige geradezu aufdrängt, ist er gehalten, die Werbeanzeige nicht bzw. erst nach Durchführung einer fachkundigen juristischen Prüfung freizugeben“. Im vorliegenden Fall sei dies nicht der Fall gewesen.

Ebenfalls mit Hinweis auf das Presseprivileg lehnte das OLG zudem einen Unterlassungsanspruch ab, der sich auf einen Verstoß gegen den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung beruft.

Die Revision hat das Gericht nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe.

Urteil des Oberlandesgerichts München vom 12. April 2018, Az.: 6 U 1679/17



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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