- DAZ.online
- News
- Recht
- Sachverständige ...
Bottroper „Zyto-Skandal“
Sachverständige beleuchten Analytik kritisch
Am gestrigen Mittwoch ging es vor dem Landgericht Essen um die Analysen der aus der Bottroper „Zyto-Apotheke“ beschlagnahmten Infusionsbeutel. Von der Verteidigung beauftragte Sachverständige hatten die Methoden der Staatsanwaltschaft kritisiert. Und auch die Anwälte selbst hatten sie für unzulässig erklärt.
Bei den beschlagnahmten Infusionsbeuteln aus der Bottroper „Zyto-Apotheke“ waren zum Teil erhebliche Abweichungen vom deklarierten Gehalt (in quantitativer und qualitativer Hinsicht) festgestellt worden. Das wirft die Frage auf, ob die vom LZG-NRW (Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen) und vom Paul-Ehrlich-Institut durchgeführten Analysen einer methodenkritischen Betrachtung standhalten. Gibt es neben kleinen Kritikpunkten auch solche, die Anlass wären, den Analysenergebnissen zu misstrauen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich drei Sachverständige, allesamt Pharmazeuten, die am Mittwoch den 16. Mai vor dem Landgericht in Essen erschienen waren: Professor Dr. Henning Blume, 15 Jahr lang Leiter des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL), Dr. Matthias Heuermann, Vizechef und Bereichsleiter Arzneimittel des LZG, und schließlich Christoph Luchte, für die Probenuntersuchung zuständiger Laborleiter im LZG.
Eigentlich zuständig und akkreditiert für solche Untersuchungen ist in Nordrhein-Westfalen das LZG. Da es dort Kapazitätsprobleme gegeben habe, habe das LZG aber einen Teil der Proben an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weitergereicht, das „für die meisten Bereiche ebenso qualifiziert“ sei – so Luchte. Wo dies nicht der Fall sei, habe man dies kenntlich gemacht.
Mehr zum Thema
Wirkstoffbestimmungen
Gutachter bemängeln Analysen im Zyto-Prozess
PEI-Experte in Zyto-Prozess
„Wir haben überhaupt kein Signal gesehen“
„Klärungsbedarf hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit“
Blume arbeitete heraus, dass die (volle) Akkreditierung und Zertifizierung einer Institution ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung sei. Es basiere jedoch auf einer retrospektiven Betrachtung, die – damit die Inspektoren richtig arbeiten und sich ein genaues Bild machen können – eine vollständige und genaue Dokumentation aller Arbeiten erfordere. Ohne diese seien Kernforderungen an wissenschaftliches Arbeiten, insbesondere die Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit von Ergebnissen, nicht zu erfüllen. Anforderungen, deren Erfüllung die Behörden bei Inspektionen zum Beispiel von der Pharmaindustrie verlangen, müssten sie auch für sich selbst gelten lassen – ohne Wenn und Aber. Das sei bei den zur Diskussion stehenden Analysen nicht überall voll gelungen. Daher bestehe hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit weiterer Klärungsbedarf
Waren die Arzneibuchmethoden anwendbar?
Einen besonderen Stellenwert bei der Expertenanhörung hatte die Frage nach der Anwendbarkeit von Arzneibuch-Methoden. Blume sagte, er vermisse (besonders Im Gutachten des PEI) eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Frage. Die Arzneibuch-Methoden bezögen sich auf Arzneistoffe, nicht auf Arzneimittel, die ja – wie jeder Pharmazeut weiß – als Arzneizubereitungen nicht allein aus Wirkstoffen bestehen. Dr. Heuermann nahm für das LZG in Anspruch, dort stützte man sich bei seiner Analytik von Arzneimitteln weder allein auf das Arzneibuch noch auf die von Herstellern beigebrachte Analytik. Bei letzterer müsse ja immer die jeweilige Matrix von Hilfsstoffen, die ja je nach Hersteller unterschiedlich sein könne, berücksichtigt werden. Insgesamt kam auch Blume nach Würdigung der beigebrachten Erläuterungen zu dem Schluss, dass die angewendeten Verfahren „so in Ordnung“ seien. Der Weg über selbst entwickelte Analysemethoden dürfe jedoch keineswegs eine Erklärung für eine weniger präzise Dokumentation der Untersuchungen sein. Hier geht es um uneingeschränkte Nachvollziehbarkeit.
Mehr zum Thema
Gesundheitsausschuss NRW-Landtag
CDU und FDP lehnen strengere Zyto-Kontrollen ab
Konsequenz aus dem Bottroper Zytoskandal
Selbstverpflichtung der Zyto-Apotheker in NRW soll für mehr Transparenz sorgen
Wirkstoff auskristallisiert: Falsches Ergebnis?
In der Diskussion kam auch zur Sprache, dass gemessene
Wirkstoffmengen vielleicht dadurch verfälscht sein könnten, dass – wie bei
einigen wenigen Proben festgestellt – Teile des Wirkstoffs auskristallisiert
sein könnten. Ob man dies ggf. übersehen könne, so die Frage von der
Verteidigerseite. Dann würde man ja in einem Infusionsbeutel fälschlich zu
wenig Wirkstoff finden. Dass ein solches Szenario zu nachhaltigen Problemen in
der Beurteilung führen könnte, wurde jedoch von keinem der Experten für
wahrscheinlich gehalten.
1 Kommentar
Schöne Argumentation, das
von Wolfgang Müller am 17.05.2018 um 22:32 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.