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Auch diese Woche unser Und-täglich-grüßt-das Murmeltier-Thema, das Rx-Versandverbot: CDU-Gesundheitspolitiker drängen, aber Spahn zuckt nicht. Und die FDP will’s absolut nicht und träumt derweil schon von Apothekenketten. Und DocMo und Consorten wachsen und wachsen und kaufen und kaufen. Während die Awinta-IT punktgenau zur Datenschutzgrundverordnung mit „kleinen Fehlkonfigurationen“ bei ihrer Webshop-Software kämpft, bricht die ABDA Ihr Schweigen und feiert Richtfest-Party fürs Apothekerhaus: Da wächst ein Häuschen „von schlichter Eleganz“, das „die Einigkeit der Mitglieder“ widerspiegelt. Seufz, wie ist das schön!
22. Mai 2018
Das Rx-Versandverbot-Memorial in dieser Woche heißt: Ran an die Arbeit, nicht aussitzen – das sagen die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU, Karin Maag, und der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich – vor allem in Richtung Gesundheitsminister Jens Spahn, der noch keine Zuckungen macht in Richtung Rx-Versandverbot. Maags und Hennrichs Appell wirken fast wie ein letztes Aufbäumen. Den beiden ist klar, dass es anspruchsvoll sein wird, ein rechtssicheres Verbot zu erarbeiten. Hinzu komme dann noch das EU-Notifizierungsverfahren. Ja, mein liebes Tagebuch, das alles würde dauern und dauern. Und bis dahin, so die berechtigte Sorge Maags, könnte es zu „irreparablen Schäden in der Apothekenlandschaft, vor allem in ländlichen Gebieten“ kommen. Da könnte sie Recht haben. Auch Hennrich möchte, dass sich etwas bewegt, ist da aber schon wesentlich skeptischer, was ein Rx-Versandverbot betrifft. Er setzt daher auf Verträge zwischen Kassen und EU-Versendern, wobei die Boni dann an die Kassen und nicht an die Versicherten gehen sollen. Die Kassen wiederum sollten verpflichtet werden, die Einsparungen an die Apotheken vor Ort weiterzuleiten – und das, mein liebes Tagebuch, würden die Kassen tun? Never ever. Zu schön, um wahr zu werden, oder? Und während man so drüber redet und redet, geht die Zeit ins Land, die SPD schaut genüsslich zu und die Versender feiern fröhliche Urständ.
Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn einen digitalen Eiertanz vollführt und mal für, mal eher weniger für die die elektronische Gesundheitskarte (eGK) plädiert, um dann letztlich doch wieder zu sagen, wir brauchen die eGK, setzt der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Montgomery, auf Fortschritt und spricht klar aus, was er möchte: Er sieht das System der elektronischen Gesundheitskarte als völlig veraltet an, die Gesundheitskarte sei ersonnen worden, bevor die Versicherten Smartphones hatten. Das sollte man bei der weiteren Digitalisierung im Gesundheitswesen berücksichtigen. Mein liebes Tagebuch, da kann man ihm nur zustimmen. Was soll die veraltete Technologie der Plastikkärtchen, die umständlich, teuer und nicht mehr zeitgemäß sind. Montgomery: „Wir sollten am besten einmal den Reset-Knopf drücken und über ein neues System nachdenken.“ Und was sagt unser ABDA-Präsident dazu? Was wollen wir Apothekers? Mein liebes Tagebuch, da kommt nichts. Schweigen.
Entlassmanagement – an und für sich eine gute Sache für Patienten. Aber für uns Apothekers der Retax-Bürokratie-Horror schlechthin. Zwar hat der Deutsche Apothekerverband durch Zusatzverträge mit Primär- und Ersatzkassen einige Fallstricke abwenden können, doch es gibt noch eine wunderschöne Liste von Bestimmungen, was wir dürfen oder nicht dürfen, und viele Wenn-dann-Vorschriften. Es bleibt irrwitzig skurril – wir müssten dafür eigentlich ein Extrahonorar bekommen. Man könnte sich fast wünschen, das Ärzte nicht allzu häufig von Entlassrezepten Gebrauch machen.
23. Mai 2018
Früher, ganz früher, da war die FDP mal eine Partei, die sich auch um Kleinunternehmer und den Mittelstand kümmerte. Auch das wirtschaftliche Wohlergehen kleinerer Unternehmen wie die Apotheken lagen ihr am Herzen. Jetzt scheint sie in Richtung Großkapital abgedriftet zu sein, auch beim Apothekenthema. Das Wohlergehen von ausländischen, kapitalorientierten Versandapotheken steht bei dieser Partei sichtlich ganz weit oben. Anders lässt sich der populistische Fragenkatalog nicht interpretieren, der mit scheinheiligen und durchsichtigen Fragestellungen an die Bundesregierung nur eine Richtung zum Ziel hat: Ein Rx-Versandverbot des Versandhandels bringt den Vor-Ort-Apotheken nichts, schadet nur dem Versandhandel. Der Gipfel der Fragen: „Kann die Bundesregierung zusichern, dass mit einem Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln keine weiteren Apotheken vor Ort und insbesondere in strukturschwachen Regionen schließen…?“ Mein liebes Tagebuch, schwachsinniger geht es nimmer. Keine Regierung der Welt könnte so etwas zusichern. Und die einzig richtige Frage stellt die FDP nicht, nämlich ob mit einem Rx-Versandverbot die Preisbindung wiederhergestellt werden könnte. Wie hieß doch ein Werbeslogan der FDP im Wahlkampf: „Manchmal muss ein ganzes Land vom 10er springen.“ FDP, dann sei doch mal mutig und spring – und kämpfe für die Arzneimittelpreisbindung!
24. Mai 2018
Hallo, SPD-, Grüne- und FDP-, ja, und mittlerweile auch CDU-Gesundheitspolitiker, schaut doch bitte mal genau hin, was sich da im deutschen Apothekenmarkt tut. Vielleicht merkt ihr dann alle mal, dass die Sorgen und die Befürchtungen von uns Vor-Ort-Apothekers kein Fake und keine Mache sind, sondern bitterer Ernst. Nennen wir’s beim Namen: Der Arzneimittelversand von den niederländischen Versendern an der deutschen Grenze nach Deutschland wächst und wächst. Allen voran der DocMorris-Päckchenpacker, der zur Schweizerischen Zur-Rose-Gruppe gehört und mit seinen Umsätzen wohl schon bald an der 1 Milliarden-Grenze kratzt. Er liefert sich mit der niederländischen Shop-Apotheke ein Kopf-an-Kopf-Rennen, beide scheinen sich mit Übernahmen und Kooperationen übertreffen zu wollen. Kein Wunder, Größe dürfte in diesem Markt ein und alles sein, je größer, desto lukrativer. Konsolidierung nennt man das. Jüngster Coup von DocMorris auf diesem Weg: die Übernahme des Versandgeschäftes der Apo-Rot-Apotheke. Diese Hamburger Versandapotheke soll eine der fünf erfolgreichsten deutschen Online-Apotheken sein. Mein liebes Tagebuch, erfolgreich, aber wohl nicht erfolgreich genug. Die Inhaberin streicht vor dem erheblichen Wettbewerbsdruck und der Gesetzeslage (u. a. die unterschiedliche Preisgestaltung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln) die Segel. Die Logistik für Apo-Rot wird also gegen Ende des Jahres DocMorris von den Niederlanden aus übernehmen. Apo-Rot schließt sein Logistikzentrum in Hamburg, nicht für jeden der 370 Mitarbeiter wird eine neue Beschäftigung gefunden werden. Frage an die deutschen Gesundheitspolitiker: Seht ihr eigentlich, was da abläuft? Warum tut ihr alles, um ausländische Versender immer noch stärker zu machen, indem ihr nichts tut?
Ups, sorry, wir haben da so ein paar kleine „Fehlkonfigurationen“ bei unserer Webshop-Software für den Versandhandel, so ein paar klitzekleine Sicherheitslücken – musste das Apotheken-IT-Haus Awinta eingestehen, nachdem Informatiker der Bamberger Uni eklatante Sicherheitslücken in vielen Online-Shops gefunden hatten, die von Awinta gepflegt werden. Journalisten von NDR und WDR hatten über die Sicherheitslücken berichtet. Oh, mein Tagebuch, besser können solche Entdeckungen und Veröffentlichungen vor dem Tag der Datenschutzgrundverordnung nicht platziert werden, das ist eine Punktlandung. In der Haut von Awinta möchte ich nicht stecken. Das IT-Haus hat natürlich umgehend reagiert und „die kurzzeitige Sicherheitslücke geschlossen“. Nach Awinta-Angaben soll es zu keinem kriminellen Missbrauch mit Daten gekommen sein. Das Sicherheitsdebakel ist damit natürlich nicht vom Tisch. Denn auch die Shopbetreiber, also die Online-Versender, die Awinta-Software benutzen, sind in der Pflicht, ihre Kunden darüber zu informieren, dass es hier für eine gewisse Zeit Schwachstellen gegeben habe. Wie viele Webshops von Apotheken betroffen waren, ist unklar. Laut Awinta sei es nur eine sehr kleine Anzahl gewesen, laut den Analysen der Informatiker sollen es dagegen 177 Versandapotheken gewesen sein, unter ihnen die Versender Sanicare und Apotal. Was lehrt uns das, mein liebes Tagebuch? Im Internet ist nichts sicher, es gibt nichts, was nicht geknackt werden könnte. Jeder Shop auf der Welt könnte geknackt werden, meint selbst ein Versandapotheker. Da stellen wir uns die Gretchenfrage: Brauchen wir wirklich all die Arzneimittelshops?
25. Mai 2018
Nicht dass da eine falsche Hoffnung keimt: Die „liebe“ FDP will Apothekenketten. Beschluss ist Beschluss, erklärt nun ein Ombudsmann der Partei, nachdem es zwischenzeitlich zu einem kleinen Hü und Hott gekommen war, was man denn eigentlich wolle. Also, nun klar und eindeutig, ohne Wenn und Aber: Die FPD spricht sich für eine Apothekenliberalisierung aus, für den Fall des Mehrbesitz- und Fremdbesitzverbots und sie will Apothekenketten. Und gegen das Rx-Versandverbot ist sie sowieso. Na denn, bye-bye FDP.
Und das ist die allerschönste Nachricht der Woche – zumindest hört man endlich mal wieder was von der ABDA. Nein, nicht zum Honorarmodell und nicht zum Honorargutachten, sondern zum Richtfest des neuen Eigenheims. Mit einem super-coolen Richtfest-Event feierte unsere Berufsvertretung ihr bescheidenes Apothekerhäuschen in Berlin. Schon Mitte des nächsten Jahres dürfen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einziehen. Auf der Richtfest-Party meinte Fritz Becker, das Haus werde repräsentativ mit Understatement und schlichter Eleganz wirken und passe daher gut zu den Apothekern. Mein liebes Tagebuch, fragt sich nur, an welche Apotheker er da gedacht hat? Und das heißt dann wohl auch, dass das alte Häuschen wohl etwas weniger Understatement und mehr aufdringliche Eleganz gehabt hatte. Mein liebes Tagebuch, lassen wir die alten Fehlentscheidungen ruhen. Das neue Haus wird der Bringer! Allein das Gestaltungskonzept der Innenräume soll „die Einigkeit der Mitglieder“ widerspiegeln. Mir bebt das Herzelein. So viel Harmonie im Apothekerhaus!
15 Kommentare
eGK-Reset
von Christian Becker am 28.05.2018 um 11:35 Uhr
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Kollege Barz
von Dr.Diefenbach am 27.05.2018 um 13:09 Uhr
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AW: Kollege Barz
von Mart in Didunyk am 27.05.2018 um 13:51 Uhr
AW: Kollege Barz
von Bernd Jas am 27.05.2018 um 16:46 Uhr
AW: Kollege Diefenbach und Kollege Didunyk
von Wolfgang Müller am 27.05.2018 um 18:08 Uhr
Elektronik und oder pharmazeutische Zukunft?
von Heiko Barz am 27.05.2018 um 13:06 Uhr
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AW: "Elektronik" das Problem?
von Wolfgang Müller am 27.05.2018 um 18:33 Uhr
eGK
von Andreas P. Schenkel am 27.05.2018 um 11:35 Uhr
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AW: eGK
von Martin Didunyk am 27.05.2018 um 12:35 Uhr
ABDA und Verbände ----- Staat im Staat ....
von Martin Didunyk am 27.05.2018 um 11:21 Uhr
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Reset-Knopf, transpar-/permanentes Schweigen, DSGVO und andere Fehlsteuerungen
von Gunnar Müller, Detmold am 27.05.2018 um 11:18 Uhr
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Das Schweigen der Lämmer
von Dr.Diefenbach am 27.05.2018 um 10:36 Uhr
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AW: Das Schweigen der Lämmer
von Heiko Barz am 27.05.2018 um 12:41 Uhr
Geld
von conny am 27.05.2018 um 9:25 Uhr
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Passt das?
von Ulrich Ströh am 27.05.2018 um 8:35 Uhr
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