Kommentar

Die Anti-Apotheken-Kampagne der Krankenkassen

Berlin - 20.06.2018, 17:45 Uhr

Apotheke kaputt - folgt man der derzeitigen Kommunikationspolitik des GKV-Spitzenverbandes, müsste man meinen, dass die Kassen sich den Niedergang der Apotheke vor Ort wünschen, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer. (Foto: Imago)

Apotheke kaputt - folgt man der derzeitigen Kommunikationspolitik des GKV-Spitzenverbandes, müsste man meinen, dass die Kassen sich den Niedergang der Apotheke vor Ort wünschen, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer. (Foto: Imago)


Das Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes zur Umstrukturierung des Apothekenmarktes ist seit knapp drei Wochen in der Welt. Offenbar hat es nicht die öffentliche Diskussion ausgelöst, die sich die Kassen wünschen. In einem exklusiven Seminar für ausgewählte Journalisten hat der Spitzenverband nun nachgelegt und erklärt, gegen das „Zunftwesen“ der Apotheker vorgehen zu wollen. Die Lektüre des Positionspapiers und die nun eröffnete Kampagne lassen nur eine Schlussfolgerung zu, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer: Die Kassen halten die Apotheke vor Ort für überflüssig.

Einmal im Jahr lädt der GKV-Spitzenverband ausgewählte Journalisten zu einem exklusiven, mehrtägigen Treffen ein. Der Kassenverband nutzt dieses Treffen, um seine wichtigsten politischen Forderungen und Themen in den Medien unterzubringen. Die pharmazeutische Fachpresse wurde noch nie eingeladen zu diesen Seminaren. Beim diesjährigen Treffen ging es neben den Kassenfinanzen und der Pflege-Finanzierung wohl auch um den Apothekenmarkt – schließlich ist in einigen Regional- und Lokalmedien am heutigen Mittwoch vom GKV-Positionspapier zur Umstrukturierung des Apothekenmarktes zu lesen.

Hansen: 1,2 Milliarden mit Apotheken sparen

Welche Botschaft die Chefs des Kassenverbandes den Journalisten mit auf den Weg gegeben haben, lässt sich aus den Berichten klar ablesen. Dort heißt es beispielsweise, dass im Apothekenmarkt laut Volker Hansen, Chef des Verwaltungsrates des Spitzenverbandes, „erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven“ von 1,2 Milliarden Euro steckten. Wo Hansen diese Zahl her hat, ist unbekannt. Im Positionspapier seines Verbandes war von 1 Milliarde Euro die Rede, die die Kassen insbesondere durch die drastische  Absenkung des Fixhonorars auf 5,84 Euro erreichen wollen. Das Honorargutachten der Agentur 2HM diente dem Kassenverband dabei als Inspiration.

Falschinformation wird an Journalisten weitergegeben

Die Zeitungen berichten dann auch, dass der GKV-Spitzenverband eine „Mitschuld“ der Apothekervergütung an den steigenden Arzneimittelausgaben der Kassen sehe. Eine Aussage, deren Wahrheitsgehalt gegen Null geht – schließlich sank der Anteil der Apothekenvergütung an den Arzneimittelausgaben zwischen 2014 und 2016 sogar leicht von 15,6 Prozent auf 15,3 Prozent. Und gepaart mit dieser Falschinformation hat der Kassenverbands-Chef Hansen dann gleich noch dieses Zitat abgegeben: „Wir kennen Amazon, Digitalisierung, und Industrie 4.0 – aber bei den Apotheken herrscht noch immer ein altes Zunftwesen.“ Zitiert wird Hansen auch mit den Aussagen, dass der Versandhandel aus- statt abgebaut werden müsse und mit der Frage: „Wieso sollten eigentlich Beitragszahler die Lagerbestände von Apothekern finanzieren?“

Was die Apothekenstruktur betrifft, kommunizierte der Spitzenverband erneut, dass aus seiner Sicht eine Aufhebung des Fremdbesitzverbotes geboten sei, die Versorgung mit Apothekenbussen angepeilt werden solle und es künftig telepharmazeutische Lösungen geben müsse. Wie auch schon in seinem Positionspapier, hat der Spitzenverband wohl auch beim Presseseminar überhaupt nicht erklärt, wie sich das alles positiv auf die Patientenversorgung auswirken solle. Zur Begründung heißt es in den Berichten nur: Alles müsse flexibilisiert werden und die Beratung müsse auch online stattfinden.

Kritische Nachfragen der pharmazeutischen Fachpresse? Nicht erwünscht.

Sehr gerne hätten wir Volker Hansen und den anderen Vertretern des GKV-Spitzenverbandes kritische Fragen zum Positionspapier gestellt. Doch die DAZ und DAZ.online werden grundsätzlich nicht eingeladen zu diesen Presseseminaren und auf Nachfrage wollte sich die Pressestelle auch nicht inhaltlich zu dem Papier äußern. Und so lassen die Inhalte des Positionspapiers sowie die nun gegenüber der Publikumspresse eröffnete, populistische und fehlerhafte PR-Kampagne nur einen Schluss zu: Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes ist die Institution „Apotheke vor Ort“ schlichtweg überflüssig. Warum sonst sollte man fordern, etwa ein Viertel des Apothekenhonorars einfach zu streichen, die Arzneimittelberatung durch Großkonzerne via Online-Chat übernehmen zu lassen und die provokante These in den Raum stellen, dass die Kassen am Überleben einzelner Apotheken kein Interesse haben?


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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12 Kommentare

Die Wahrheit ist das Wort ...

von Bernd Jas am 21.06.2018 um 14:09 Uhr

... es braucht nur die wiederholte und fortwährende Verbreitung von Lügen in der breiten Öffentlichkeit und sie werden zur Wahrheit.

Das kann man doch mal als kontinuierliche Zermürbungstaktik benennen, denn diese Artikel:

https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/03/14/aok-will-mit-versandapotheken-die-versorgung-gestalten

häufen sich in der letzten Zeit.
Da muss ich dem "PsychoDing" voll zustimmen.

Jedoch, keine Sorgen, wir haben ja eine Agentur für Bareinnahmen, Denkpausen und Ausschweigen für solche Vorgänge.

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Gegenangriff

von Dr.Alfred Stuhler am 21.06.2018 um 9:16 Uhr

Diese "Kriegserklärung" ist doch eine Steilvorlage für einen Gegenangriff:
- Zeigen wir unsere Leistungen für das Gesundheitswesen.
- Darstellung unseres Beitrages zum Einsparvolumen der Krankenkassen durch die Umsetzung der Rabattverträge.
Vorschläge zur Reduzierung der Verwaltungskosten der Krankenkassen.
- Darstellung des Kostenanteils der Apotheken für das Gesundheitswesen im Verhältnis zu den Gesamtausgaben.
Ungeachtet der Tatsache, dass die ABDA ( vielleicht ???) mit Herrn Spahn Stillschweigen über Verhandlungen vereinbart hat, MUSS die ABDA diesen Frontalangriff kontern und die" Fakenews" des GKV Spitzenverbandes ad absurdum führen.
Herr Schmid sollte endlich, statt in seinem neuen Büro Bilder aufzuhängen, durch eine große Medienkampagne für unseren Berufsstand kämpfen.
Dass sich der GKV- Spitzenverband sich der falschen Daten dieses sogenannten Gutachtens bedient, ist die Folge der Untätigkeit unserer Standesvertreter.

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Die GKV

von Sven Larisch am 21.06.2018 um 8:57 Uhr

Hat das "Positionspapier" der GKV nun seinen Weg in die Klatschpresse gefunden und wurde von sogenannten Journalisten ungefragt geschluckt, da ihnen wohl offensichtlich bei der Tagung jegliche Fähigkeit des selbstständigen Denkens abhanden kam.
Wieso reagieren unseren obersten Verbände nicht? Oder gibt's kein Gelb für Lobbyarbeit? Mich jeden Tag zur Apotheke schleppen, jeden tag Diskussionen mit Patienten warum etwas nicht da ist (oh tschuldigung - 400 000 Artikel haben wir nicht vorrätig); warum die Packung anders ist und die bestimmt schlechter ist als die andere (oh- wenden sie sich an Ihre KK , die macht die Verträge); natürlich kann ich es ihnen bestellen und sie haben es in 2 h - nein - dann lieber doch im Internet mit fraglichen Transporttemperaturen bestellen?? - bitte hier ihr Rezept; sie sind aber teuer , im Internet habe ich das billiger gesehen - schön dann bestellen sie für 0,99 Cent die Paracetamol.. vergessen sie nicht das Porto.
Ach in Spanien, Holland , Gireichenland und Türkei ist alles soooo viel billiger- ja da verdienen die menschen auch nur einen Bruchteil und der Mehrwertsteuersatz ist ein anderer und die Preisfindung auch und und und...
Die Geschichten sind fast unzählig und nerven im Arbeitsallktag. Selbst ein -"Danke für die tolle Beratung" kann das nur wenig aufwiegen- denn für eine gute Beratung kann ich meine Angestellten nicht bezahlen.
Also bei mir macht sich Frustration breit, jeden Tag mehr und mehr. Die Freude an der Arbeit - weg . Also auf Automatik schalten und lächeln. Mögen einige den "Kampf" gegen die Krankenkassen aus dem heroischen Blickwinkel "David gegen Goliath" ansehen, sehe ich eher ein Kampf gegen Windmühlen. Ein alter Mann auf einem sterbenden Ross, der noch nicht gemerkt hat, das seine Zeit abgelaufen ist. Tragisch und komisch zugleich.
Sollen doch alle KK Mitarbeiter, Vorstände etc. im Notdienst bei Amazone und Onlineapotheken klingeln- viel Spass :-) Das wir den Notdienst durch unsere Normaleinahmen finanzieren bleibt ja sonst unerwähnt.
In dem Sinne: eine schöne Restwoche

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GKV Spitzenverband

von Peter Kaiser am 21.06.2018 um 8:46 Uhr

Gegenvorschlag:
1. Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze, ermöglicht jedem Bürger sich privat zu Versichern.
2. gesetzliche Krankenkassen werden überflüssig und können abgeschafft werden.
3. Wer sich keine private Krankenversicherung leisten kann, sowie Kinder werden durch eine steuerfinanzierte Krankenversicherung geschützt.
4. Die MWSt. für Leistungen an Bedürftige und Kinder entfällt.
Vorteile:
Selbstständige und Beamte finanzieren durch Ihre Steuern das solidare System mit.
Bei den Verwaltungskosten der GKV kann über 16 Mrd. € pro Jahr eingespart werden.
GKV muss keine Rücklagen horten.
Privatversicherte sind motiviert, sich gesund zu verhalten.

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Antwort

von Reinhard Rodiger am 20.06.2018 um 22:40 Uhr

Im Sonderbericht "zum Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung "der BVA finden sich reichlich Aussagen zu Gesetze missachtenden, nicht den Versicherten dienenden
Praktiken.
Zitate aus der Pressemitteilung vom April 2018 (Präsident des Bundesversicherungsamtes F.Plate)
" Wenn sich Krankenkassen nur noch als Unternehmen begreifen und ihre Markt- behauptung in den Vordergrund ihrer Bemühungen stellen, haben sie ihren Auftrag in der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung vergessen." ....
.... "Die von ihnen (den KK) angebotenen Satzungsleistungen, Wahltarife, Bonusprogramme, aber auch Selektivverträge führen zu häufig nicht zu der vom Gesetzgeber gewollten tat- sächlichen Verbesserung der Versorgung."

Es finden sich reichlich Argumente, um ein Positionspapier "Zur ethischen Neuorientierung der Krankenkassen" zu verfassen.
Besondere Feinheiten zu den Alltagspraktiken kann jeder beisteuern.

Wie auch immer, eine eigene Aktion oder Antwort wäre schon hilfreich.Der Stoff liegt rum.

Wer greift ihn auf?

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Zu kurz gedacht

von Christiane Patzelt am 20.06.2018 um 19:16 Uhr

Was hören wir momentan nicht alles für Alternativ-Versorgungs-Modelle zur Apotheke..irgendwas zwischen PizzaDienst um3 Uhr morgens und komplette OnlineVersorgung für Alle...mir scheint, der Einzige mit vernünftigem Verstand ist der Patient von heute (natürlich mit Ausreißern nach oben und unten).

Die Akutversorgung wird umso wichtiger, je weniger vorsorgend die Patienten unterwegs sind—wir sind wie viele kleine amazons vor Ort und sprungbereit, wenn der Patient versorgt werden will (auch wenns dem Benkert nicht gefällt), keiner unserer Patienten muss 2 Tage auf sein Schmerzmittel warten-und wir werden immer flinker!

Sollten die Krankenkassen die Rezepte in den Versand lenken, werden sie den Ärger der Patienten mit Sicherheit auf sich ziehen - werden die Kassen den Fremdbesitz erfüllt bekommen, wechseln sich auf kurz oder lang die Positionen von Pferd und Kutscher (eine Kette bestimmt dann den Preis, kauft sich ne Krankenkasse, kauft sich Ärzte — sehen wir ja alles im Ausland).

Natürlich sind solche Schlagzeilen schmerzhaft, ich persönlich erwarte solche Schlagzeilen schon fast jährlich zur Sommerpause — ABER wir haben den Patienten an unserer Seite — also Kopf hoch und fit am HV sein, damit wir den wichtigsten Teilnehmer an der Versorgung nicht verprellen:
den Patienten!

ApothekerInnen sind keine Logistiker!
ApothekerInnen sind Patientenschützer!

Und die Schlagzeilen hier kommen nur von Versicherungsfritzen und BWLern....pffff....

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AW: Zu kurz gedacht

von Frank Zacharias am 21.06.2018 um 10:43 Uhr

Sie sprechen meinen Mitarbeitern und mir aus dem Herzen. Das ist unsere Motivation und wir machen das weiter so. Es gibt immer einige Patienten, die meckern - aber die Masse erlebt unsere Leisung und Mehrwert tagtäglich!

Faustpfand Akutversorgung?

von Dr. Stephan Hahn am 20.06.2018 um 18:49 Uhr

Dieses Faustpfand könnte man durch die Wiedereinführung des Dispensierrechtes für Ärzte im Notdienst und auch sonst aushebeln...

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AW: Faustpfand Akutversorgung

von Christiane Patzelt am 20.06.2018 um 19:47 Uhr

Dann gehen aber die Quoten bei den Rabattverträgen flöten oder legt sich der Arzt auch 17 verschiedene Ramipril 5mg in den Praxisschrank? Und wieviel Bock haben Ärzte auf die monatliche Umsatzsteuererklärung...?

AW: Faustschlag mit Akutveilchen

von Bernd Jas am 21.06.2018 um 11:04 Uhr

Hö,hö,
Dispensier-Recht mit Rundumversorgung durch die Ärzte....
Das möcht ich sehen.
Da müssten die Praxen sich sofort einen Apotheker, zwei PTA´S und ´ne PKA einstellen, um sich die Hände an diesem ...... "Geschäft" nicht dreckig zu machen.

Krieg

von Torben Schreiner am 20.06.2018 um 18:25 Uhr

Überspitzt dargestellt flatterte uns da eine Kriegserklärung ins Haus. Aber wir sind ja glücklicherweise kampferprobt und wissen, wie man aus allen Rohren schießt.
Die Holländer und Amazon drängen jeden Tag stärker in den Markt, da geht den Kassen das Herz auf.
Unser wichtigstes Faustpfand bleibt aktuell die fächendeckende Akutversorgung, nur auf die richtige Vermarktung kommt es halt an.

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AW: Krieg

von Christiane Patzelt am 20.06.2018 um 19:21 Uhr

Naja, die BKK möcht ich sehen, die sich mit amazon um Preise zofft...amazon ist ein Parasit, sowas weiß auch der Eine oder Andere bei der Krankenkasse.
Lassen Sie sich nicht irre machen von solchen Schlagzeilen, das ist Provokation—eher so ein PsychoDing...das können Krankenkassen auch toll, fragen Sie mal Ihre Patienten. Da gibts die dollsten Geschichten, was die Kassen so am Telefon treiben mit den Versicherten....rollen sich die Fußnägel....

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