Betrug im Gesundheitswesen

Rezeptfälscher prellen Kassen und Apotheken

Berlin - 05.07.2018, 15:50 Uhr

117 Fälle von mutmaßlichem Betrug im Gesundheitswesen brachte die AOK Hessen 2016 und 2017 zur Staatsanwaltschaft. ( j / Foto: Gerhard Seybert / stock.adobe.com)

117 Fälle von mutmaßlichem Betrug im Gesundheitswesen brachte die AOK Hessen 2016 und 2017 zur Staatsanwaltschaft. ( j / Foto: Gerhard Seybert / stock.adobe.com)


Rezepte fälschen, nie erbrachte Leistungen abrechnen – es gibt einige Möglichkeiten, Krankenkassen illegal um das Geld ihrer Versicherten zu bringen. Doch die Kassen sind solchen Betrügern zunehmend auf der Spur. So meldet die AOK Hessen, sie habe in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt 840 Hinweise zu möglichem Fehlverhalten im Gesundheitswesen erhalten. Von betrügerischen Apothekern berichtet die Kasse diesmal nicht – dafür von solchen, die selbst geschädigt wurden.

Betrug im Gesundheitswesen ist ein bekanntes Phänomen, das offensichtlich dauerhaft aktuell bleibt. Regelmäßig vermelden Krankenkassen, die zunehmend eigene Ermittlerteams aufgestellt haben, ihre Erfolge. Die AOK Hessen hat nun ihre Zweijahresbilanz für die Jahre 2016 und 2017 vorgestellt. 840 Hinweise zu möglichem Fehlverhalten bekamen die AOK-Ermittler in diesem Zeitraum. Das sind 25 Prozent mehr als noch im Vorjahreszeitraum. Bearbeitet haben sie 448 Fälle – davon 296 neue.

„Diese Steigerung ergibt sich aus der Zunahme von Hinweisen, die zwar nicht alle zu einem begründeten Verdacht führen, aber immerhin mussten wir in 117 Fällen die Staatsanwaltschaft unterrichten“, erklärt die Leiterin der Stabsstelle, Heike Degenhardt-Reinmold. Hinter jedem Hinweis könnten sich sowohl einfach zu bewertende als auch sehr komplexe und arbeitsintensive Fälle verbergen. Ihnen nachzugehen lohnt sich auch finanziell: 2016 und 2017 habe man fast 3,3 Millionen Euro zurückführen können, so die AOK Hessen. Seit die Krankenkasse ihre Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten gegründet hat, seien es über 16 Millionen Euro gewesen.

Gefälschte Norditropin-Rezepte für 280.000 Euro

Doch um welche Fälle geht es eigentlich? Der AOK Hessen zufolge sind es häufig sogenannte Luftleistungen, Rezeptfälschungen und Doppelabrechnungen. Ein Beispiel: Von Juni 2016 bis Oktober 2017 wurden 65 gefälschte Rezepte über Norditropin Flex im Gesamtwert von 280.000 Euro mit der AOK Hessen abgerechnet. Das Wachstumshormon-Präparat wird bei Kindern verordnet, ist aber aufgrund seiner muskelbildenden Eigenschaften auch bei Sportlern beliebt. Eine gängige Packungsgröße kostet fast 5.000 Euro. Die gefälschten Rezepte wurden ursprünglich fast ausschließlich in hessischen Apotheken eingelöst. Dies geschah in der Regel spätabends oder nachts.

2017 weiteten die Betrüger ihren Aktionsradius auch auf angrenzende Bundesländer aus. Den Apotheken wird hier keine Komplizenschaft vorgehalten. Im Gegenteil – sie waren am Ende oft selbst geschädigt: Wo die AOK der Auffassung war, sie hätten die Rezeptfälschung erkennen müssen (insbesondere, wenn die angegebene Betriebsstätten-Nummer einem Zahnarzt zuzuordnen ist), forderte sie geleistete Zahlungen zurück.

Pflegeversicherung: 64 Betrugsfälle

Ein anderes Beispiel betrifft einen ambulanten Pflegedienst, der nicht erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt hat. Zeugenbefragungen der Polizei zeigten, dass die Pflegebedürftigen keine der angegebenen Leistungen – etwa Körperwäschen oder Hilfeleistungen bei Toilettengängen – erhalten hatten. Den Beschuldigten wurde im Bereich der Pflegeversicherung in 64 Fällen Abrechnungsbetrug mit einem Gesamtschaden in Höhe von fast 65.000 Euro zur Last gelegt.

Einem Sprecher der AOK Hessen zufolge gab es im aktuellen Berichtszeiträum keine auffallenden Fälle, in die Apotheken involviert waren. Auch werte die Kasse den Gesamtschaden durch Rezeptfälschungen nicht gesondert aus. Zufrieden ist die Kasse mit der Zusammenarbeit mit der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main. Diese gestalte sich „sehr gut, vertrauensvoll und im höchsten Maße professionell“, so der Sprecher.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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