NDMA-Kontamination

Grüne: Kassen sollen Patienten über Valsartan-Probleme informieren

Berlin - 02.08.2018, 15:15 Uhr

Die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche fordert die Krankenkassen auf, ihre Versicherten über die Kontamination der Valsartan-Präparate zu informieren. (m / Foto: Külker)

Die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche fordert die Krankenkassen auf, ihre Versicherten über die Kontamination der Valsartan-Präparate zu informieren. (m / Foto: Külker)


Die Arzneimittelexpertin der Grünen im Bundestag, Kordula Schulz-Asche, lässt in Sachen Valsartan nicht locker: Nachdem sie die Bundesregierung bereits danach fragte, wie viele Patienten von den Verunreinigungen betroffen sein könnten, geht es nun um die Aufklärung der Betroffenen. Die Grünen-Expertin verlangt, dass die Krankenkassen alle Valsartan-Patienten schriftlich über das weitere Vorgehen informieren.

Die Grünen-Bundestagsfraktion interessiert sich nach wie vor für die Ursachen und Folgen der Valsartan-Verunreinigungen mit dem wahrscheinlich krebserregenden Stoff NDMA. Kurz nach Bekanntwerden der Kontaminationen in vielen Generika stellte Kordula Schulz-Asche, Arzneimittelexpertin bei den Grünen, eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung. Die Politikerin wollte etwas zum Ausmaß des Skandals wissen: Die Bundesregierung schrieb, dass etwa 900.000 Patienten betroffen sein könnten. Schulz-Asche verlangte daraufhin auch vom Bundesgesundheitsministerium eine lückenlose Aufklärung gegenüber den Patienten: „Da sehe ich auch das Gesundheitsministerium und Herrn Minister Spahn in der Pflicht, diese Aufklärung schonungslos zu betreiben und die Öffentlichkeit umfassend zu informieren“, so die Politikerin.

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Nun legt Schulz-Asche nach. In einer neuen kurzen schriftlichen Anfrage an die Bundesregierung geht es der Grünen-Abgeordneten darum, wie die Patienten von dem Skandal erfahren. Ganz konkret lautet die Frage, ob die Bundesregierung jetzt Maßnahmen ergreift, um die Patienten direkt über die NDMA-Kontamination zu informieren. Auf Nachfrage von DAZ.online erklärte Schulz-Asche, dass aus ihrer Sicht die Krankenkassen ihre Versicherten in Briefen darauf hinweisen müssten. Welche Ziele verfolgen die Grünen in dieser Angelegenheit? Und was müsste aus Sicht der Oppositionsfraktion besser laufen?

DAZ.online: Frau Schulz-Asche, Sie scheinen weiterhin unzufrieden zu sein mit der Aufklärung und der Informationspolitik bei den Valsartan-Verunreinigungen. Woran liegt das?

Schulz-Asche: Die Antwort auf unsere schriftliche Frage offenbarte, dass allein im vergangenen Jahr bis zu 900.000 Patienten von den verunreinigten Medikamenten betroffen waren. Für diese Patienten ist es jetzt natürlich enorm wichtig, Klarheit darüber zu erhalten, wie schwerwiegend  die Verunreinigung war, der sie mitunter über Jahre ausgesetzt waren. Die EMA hat dafür ein Verfahren gestartet, welches frühestens in 60 Tagen Antworten liefern soll. Die inzwischen bekannt gewordenen Untersuchungen des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker sind höchst besorgniserregend. Umso wichtiger ist es, dass es auch von offizieller Seite aus schnellstens belastbare Aussagen zur gesundheitlichen Gefährdung der vielen betroffenen Patientinnen und Patienten gibt.

Schulz-Asche: Minister Spahn muss schonungslos aufklären

DAZ.online: Nun müssten aus Ihrer Sicht die Krankenkassen bei der Aufklärung mithelfen. Warum könnte das den Patienten aus Ihrer Sicht helfen?

Schulz-Asche: Die Patienten müssen direkt über die Rückrufaktion und mögliche Gefährdungen informiert werden. Berichte in den Medien reichen dafür nicht aus. Nach unseren Informationen müsste eine solche direkte Benachrichtigung der Betroffenen den Krankenkassen zumindest technisch möglich sein. Ob die Bundesregierung dies auch beabsichtigt, haben wir sie daher in einer weiteren schriftlichen Frage gefragt.

DAZ.online: Was die Verunreinigungen selbst betrifft, ist die Ursache ja immer noch nicht bis ins letzte Detail aufgeklärt. Welche Konsequenzen fordern Sie, damit so etwas nicht noch einmal passiert?

Schulz-Asche: Es muss geklärt werden, wie die Verunreinigungen über so lange Zeit unentdeckt bleiben konnten. Die Prüfungs- und  Sicherheitsmaßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene konnten die Verunreinigungen anscheinend nicht aufdecken. Wie konnte das passieren? Ist unsere Arzneimittelversorgung sicher? Sollte es Lücken in den Kontrollen von Wirkstoffen geben – und dem scheint so – müssen diese gefunden und schnellstens geschlossen werden. Da sehe ich auch das Gesundheitsministerium und Herrn Minister Spahn in der Pflicht, diese Aufklärung, auch auf europäischer Ebene, schonungslos voranzutreiben.

DAZ.online: Erneut stehen nun auch wieder die Rabattverträge und die Generika-Preise in der Kritik. Immer wieder wird auch verlangt, die Arzneimittelproduktion wieder stärker nach Europa zurückzuholen. Wie sehen Sie das?

Schulz-Asche: Alle, die als Konsequenz aus diesem Skandal fordern, die Arzneimittelproduktion verstärkt zurück nach Europa zu verlagern, sollten sich im laufenden europäischen Gesetzgebungsverfahren zur SPC-Waiver-Verordnung dafür einsetzen, dass generische Arzneimittelhersteller schon vor Patentablauf auf Vorrat innerhalb von Europa produzieren dürfen. Da eine Produktion auf Vorrat bisher nicht möglich ist, verlagern generische Hersteller ihre Produktion ins außer-europäische Ausland und verschicken diese dann nach Europa, um hier ab dem ersten Tag des Patentablaufs lieferfähig zu sein.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Geringes Risiko?

von Ole S. Galen am 17.08.2018 um 8:51 Uhr

Wenn ich nicht völlig falsch rechne liegen die Ergebnisse des ZL über der Massengrenze ab der Gemische mit NDMA nach der TRGS-905 als krebserregend einzustufen und als entsprechende Gefahrstoffe zu behandeln sind. Aber Arbeits- und Patientenschutz sind wohl zwei Paar Schuhe.
Zugleich ist für NDMA das ALARA-Prinzpip maßgebend, das (nur) mit einem sofortigen patientenseitigen Rückruf umzusetzen wäre Die Daten der potentiell Betroffenen liegen in Apotheken und Arztpraxen vor. Da die Maßnahme der akuten Gefahrenabwehr dient spielt Datenschutz auch keine Rolle - wenn er denn überhaupt greifen sollte liegt für den Verstoß ein rechtfertigender Notstand vor. Vielleicht sollte man sich lieber Gedanken über eine unterlassene Hilfeleistung machen?

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Erst Verursacher und dann „schonungslose“ Aufklärung?

von Heiko Barz am 03.08.2018 um 11:21 Uhr

Ich kann dieses naive und zynische Gebrabbel der sogenannten Grünen Gesundheitsexperten nicht mehr lesen und hören. Wer hat denn diese „Gemengelage“, wie Ratatosk zielsicher beschreibt, zu verantworten. „Biggi Bender, (ha,ha wo verdient sie heute ihren Lebensunterhalt?) Ulla Schmidt sind die „Macher“dieses Wahnsinns, der uns nach 15 Jahren an den Rand der Existenz geführt hat.
Jetzt, wo das Kind längst im Brunnen liegt, soll die von uns lange beklagte „außereuropäische“ Arzneimittelproduktion wieder ins Land zurückgeholt werden. Sind wir denn mit einem Mal doch wieder so viel besser?
Diese Äußerungen von Schulz-Asche wie auch ähnliche von Dittmer sind eigentlich eine Bankrotterklärung an ihre heute gut „situierten“ Glaubensschwestern von damals.
Wenn nicht ein Wunder geschieht, dann wir es mit den Vor-Ort Apotheken ähnlich laufen: erst vernichten und wenn die Politik dann den unverrückbaren Schaden erkennt, wieder eine Schuldanpassung anderer zu etablieren, und sich diesem selbstverursachten Schaden zu entziehen.
Für die Zukunft sollte unser Pharmaziestudium um ein Semester „politisches Denken“ erweitert werden!

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Datenschutzverordnung - mal andersrum

von Ratatosk am 02.08.2018 um 18:20 Uhr

Alles hat 2 Seiten !, hätten auch die Grünen kommen sehen müßen, aber dafür reicht es nicht. Diese Gemengelage ist gerade auch von den Grünen mit der SPD bewußt herbeigeführt worden.
Die Grundstoff und Generikaindustrie bewußt hier vernichtet, der organisierten Kriminalität die Tore geöffnet. Jetzt will man sich nur noch profilieren und vom Versagen der Grünen ablenken, - und auch wieder mal schön in die Presse tröten dürfen.
Gute gesetzliche Rahmenbedingen wären nöitig gewesen !

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Entweder - Oder, liebe Grüne und DAZ

von Wolfgang Müller am 02.08.2018 um 17:52 Uhr

Wenn man denn nun doch schon unbedingt den "Rückruf auf Patientenebene" will:

Die einzige Möglichkeit einer seriösen und angemessenen Kommunikation mit betroffenen Patienten (allerdings eher über die Medien als über die Krankenkassen) ist zumindest nach aktueller Datenlage das Aufgreifen der FDA-Stellungnahme: "Ein zusätzlicher Krebsfall zu erwarten unter 8000 Patienten, die verunreinigtes Valsartan in höchster Dosierung über volle vier Jahre eingenommen haben".

Diese sicher nicht vollkommen substanzlose Aussage dieser international regelmäßig Maßstäbe setzenden Institution berücksichtigt dann auch die enorme Wichtigkeit, keinen einzigen Patienten zuviel unnötig in übertriebene Krebsangst zu versetzen, wenn er von seiner Einnahme eines "falschen" Valsartan womöglich über mehrere Jahre erfährt.

Diese FDA-Stelliungnahme sollte auch Frau Schulz-Asche unbedingt zur Kenntnis gebracht werden, "zum Wohle des Patienten".

Darauf aufbauend, sollten die Patienten trotz des nicht unbedingt als besonders bedrohlich einzustufenden Risikos aufgefordert werden, sich zügig ein anderes Valsartan zu besorgen, oder gleich ein ganz anderes Sartan. Was nach derzeitigem Rechts-Stand leider nur über eine neue Verschreibung geht.

Was im Zuge dieser Maßnahme sinnvollerweise gleich mit zu korrigieren wäre. In dem Sinne, dass Apotheker auch ohne neue Verschreibung ein unbelastetes Valsartan im Austausch abgeben dürfen.

Wetten, das das Alles keiner ernsthaft weiterverfolgt, because: "not invented here"? Okay, ich gebe zu: Zweckpessimismus.

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Datenschutz schleifen?

von Reinhard Rodiger am 02.08.2018 um 16:07 Uhr

Ich frage mich, ob die Grünen hier wissen, was sie fordern.Eine Benachrichtigung der Patienten durch die Kassen setzt Kenntnis der Individualdaten voraus. Das ist aus gutem Grund untersagt.Denn sie bekämen die Daten ,die sie in die Lage versetzt , Patientenkosten zu "optimieren".Also Risiken zu bestimmen,Behandlungen besser steuern, also am Patienten sparen etc. Technisch ist das sicher möglich und öffnet aber die Schleusen jeglichen Verbraucherschutzes.
Ich hoffe nur,es wird rechtzeitig bemerkt, was hier kommen kann und sicher von den Kassen begrüsst wird.

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AW: Datenschutz

von Bernd Küsgens am 02.08.2018 um 19:49 Uhr

Lieber Kollege Rodiger,
Sie vermengen da etwas: Datenschutz und Grüne, das hat es nur für die unbedarfte Presse gegeben!

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