Tacrolimus, retardierte Hartkapseln

Substitutionsausschlussliste soll erweitert werden

Stuttgart - 02.08.2018, 09:00 Uhr

Weil Generika zu Advagraf kommen, will der G-BA die Substitutionsausschlussliste um retardierte Tacrolimus-Präparate erweitern. (Foto: G-BA)

Weil Generika zu Advagraf kommen, will der G-BA die Substitutionsausschlussliste um retardierte Tacrolimus-Präparate erweitern. (Foto: G-BA)


Der Gemeinsame Bundesausschuss plant, die Substitutionsausschlussliste zu erweitern – allerdings nicht um einen neuen Wirkstoff, sondern um eine Darreichungsform. Künftig sollen neben Tacrolimus Hartkapseln auch die retardierten Tacrolimus Hartkapseln vom Aut-idem-Austausch ausgeschlossen werden. Der Grund: Ein retardiertes Generikum zu Advagraf® steht in den Startlöchern: Tacforius® von Teva.

Tacrolimus ist einer der ersten Wirkstoffe, der es auf die Substitutionsausschlussliste geschafft hat, als Hartkapsel. Die erste Tranche dieser vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erstellten Liste trat im Dezember 2014 in Kraft. Das Ziel: Sie sollte verhindern, dass Wirkstoffe mit geringer therapeutischer Breite durch wirkstoffgleiche Arzneimittel ausgetauscht werden.

Knapp zwei Jahre später, im August 2016, wurde die Liste ergänzt. Unter anderem wurden hier Phenprocoumon oder Opiode wie Oxycodon mit aufgenommen.

Aut-idem Ausschluss auch für Tacrolimus Retardkapseln 

Nun steht die nächste Erweiterung bevor – diesmal geht es allerdings nur um eine weitere Darreichungsform von Tacrolimus. Denn das Immunsuppressivum gibt es nicht nur in schnell freisetzender Form. Astellas brachte 2007 mit Advagraf® ein Retardpräparat auf den Markt, das seither Nieren- und Lebertransplantierten die nur noch einmal tägliche statt der zweimal täglichen Einnahme ermöglicht. Das Patent von Advagraf® läuft nun aus, Generika drängen bald auf den Markt – Teva hat die zentrale Zulassung für Tacforius®. Grund für den G-BA, zu handeln und bei Tacrolimus auch retardierte Hartkapseln auf die Substitutionsausschlussliste zu setzen. Den Beschluss hat der G-BA bereits gefasst, nun läuft bis 30. August 2018 ein Stellungnahmeverfahren, ob die Arzneimittel-Richtlinie dahingehend geändert wird.

Bislang war ein Aut-idem-Austausch gar nicht möglich, da Advagraf® das einzige retardierte Tacrolimus-Präparat mit dieser Freisetzungskinetik war. Envarsus® enhält zwar ebenfalls Tacrolimus in retardierter Form, doch ist die Bioverfügbarkeit durch eine spezielle Technologie mit der von Advagraf® nicht vergleichbar (siehe unten).

Was ist der Unterschied bei retardierten Tacrolimus-Originalen Envarsus® und Advagraf®?

Tacrolimus ist indiziert bei Organtransplantationen. Die Zulassung umfasst die Prophylaxe der Transplantatabstoßung bei erwachsenen Leber- und Nierentransplantatempfängern und die Behandlung der Transplantatabstoßung bei Erwachsenen, die sich gegenüber anderen Immunsuppressiva als therapieresistent erwiesen haben. Astellas vermarktet Advagraf® derzeit in unterschiedlichen Stärken:

  • Advagraf® 0,5 mg Hartkapseln, retardiert
  • Advagraf® 1 mg Hartkapseln, retardiert
  • Advagraf® 3 mg Hartkapseln, retardiert
  • Advagraf® 5 mg Hartkapseln, retardiert

Envarsus® noch geschützt vor Generika 

Mit der gleichen Indikation wie Advagraf® hat Chiesi ein retardiertes tacrolimushaltiges Arzneimittel im Markt, Envarsus®. Die Stärken unterscheiden sich teilweise von denen bei Advagraf®. Außerdem sind es keine retardierten Hartkapseln, sondern Retardtabletten:

  • Envarsus® 0,75 mg Retardtabletten
  • Envarsus® 1 mg Retardtabletten
  • Envarsus® 4 mg Retardtabletten

Trotz des gleichen Wirkstoffes, Tacrolimus als Monohydrat, sind die Präparate nicht austauschbar. Grund hierfür ist die von Chiesi bei Envarsus® Retardtabletten eingesetzte MeltDose®-Technologie, die eine deutlich bessere Bioverfügbarkeit des Wirkstoffes im Darm ermöglicht. Die Präparate sind nicht bioäquivalent. Bei einer Umstellung von Transplantat-Patienten von Advagraf® auf Envarsus® muss eine Dosisreduktion um 30 Prozent stattfinden.

Chiesi ist vor generischen Anbietern wohl die nächsten Jahre noch geschützt, geht man vom üblichen Patentschutz aus. Envarsus® ist relativ jung und erhielt erst 2014 die Zulassung.

MeltDose®-Technologie

Bei der MeltDose®-Technologie wird die Löslichkeit eines Wirkstoffes durch eine Minimierung der Partikelgröße verbessert. Hierbei wird der zumeist schwer wasserlösliche Wirkstoff geschmolzen und dann auf inerte Trägerpartikel aufgesprüht, die anschließend zu Granulat agglomerieren und dann zu Tabletten weiterverarbeitet werden können.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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