Medizinalhanf-Anbau

FDP fragt nach Cannabisausschreibung: Klappt der zweite Anlauf besser? 

Berlin - 17.08.2018, 10:15 Uhr

Steht die Bundesrgeierung noch hinter dem Vorhaben, Medizinalhanf in Deutschland anbauen zu lassen? Dies möchte die FDP-Bundestagsfraktion wissen. ( r / Foto: Imago)

Steht die Bundesrgeierung noch hinter dem Vorhaben, Medizinalhanf in Deutschland anbauen zu lassen? Dies möchte die FDP-Bundestagsfraktion wissen. ( r / Foto: Imago)


Ist es seitens der Regierung noch erwünscht, dass Cannabis in Deutschland zeitnah angebaut werden kann? Diese und weitere Fragen zum Medizinalhanf-Anbau stellt die FDP-Bundestagsfraktion der Regierung. Vergangenen Monat hatte das BfArM seine zweite Ausschreibung für den Anbau in Deutschland veröffentlicht. Für FDP-Gesundheitspolitiker Wieland Schinnenburg ist ein solches Vergabeverfahren grundsätzlich verzichtbar.

Die deutsche Cannabisernte zu medizinischen Zwecken scheint immer weiter in die Ferne zu rücken. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) unterstellt ist, hatte sein erstes Vergabeverfahren Ende März wegen eines Beschlusses des OLG-Düsseldorf aufgehoben und am 19. Juli eine neue Ausschreibung für den deutschen Cannabisanbau veröffentlicht.

FDP moniert Verzögerungen

Wie geht es also weiter beim Thema Anbau von Medizinalhanf? Wird es in Deutschland jemals eine Ernte geben? Diese Fragen stellt man sich nun auch im Bundestag. Im Speziellen hat nun die FDP-Bundestagsfraktion eine dementsprechende Anfrage an die Bundesregierung geschickt. „Hat die Bundesregierung nach wie vor Interesse an einem Anbau von Medizinalcannabis ?“,lautet nun die erste, etwas provokante Teilfrage dieser Kleinen Anfrage. Hauptfragesteller Dr. Wieland Schinnenburg bemängelt die Verzögerungen des Produktionsstarts und kritisiert das bisherige Vorgehen der Behörde. „Ursache kann Unfähigkeit, aber auch Unwilligkeit sein“, erklärt der FDP-Gesundheitspolitiker gegenüber DAZ.online.  

Derzeit wird der Bedarf an Medizinalhanf durch Importe aus den Niederlanden und Kanada gedeckt. Doch vermutlich wäre es für das hiesige Gesundheitssystem eine finanzielle Entlastung, je eher Cannabis aus Deutschland zum Einsatz kommen kann, weil sich die Beschaffung vereinfacht. Deshalb fragt die FDP, welche Kosten der Bundesregierung und den gesetzlichen Krankenkassen durch die Importe bisher entstanden sind und welches Einsparpotenzial diesen Ausgaben durch den deutschen Anbau gegenüber steht.  

Was ist bei der zweiten Ausschreibung neu?

In ihrer Anfrage wollen die Freien Demokraten außerdem wissen, ob sich die Anforderungen für Bewerber bei dem neuen Verfahren im Vergleich zur ersten Runde geändert haben. Denn bei dem Verfahren, das das BfArM im vergangenen Jahr gestartet hatte, mussten teilnehmende Unternehmen Erfahrungen im Cannabisanbau vorwiesen, was für deutsche Firmen nicht möglich war, ohne sich mit ausländischen Produzenten zusammenzuschließen. 

Die FDP-Bundestagsfraktion interessiert sich auch für technische Details: Wie soll beispielsweise mit den pflanzlichen Abfällen umgegangen werden oder wie steht die Bundesregierung zum Einsatz von ionisierender Strahlung zur Keimreduktion? Weitere Fragen der Liberalen beziehen sich auf die geplanten Zeitschienen des Anbaus, etwa wann bei der neuen Bewerberrunde mit der Zuschlagserteilung  beziehungsweise mit der ersten Ernte zu rechnen ist. Das BfArM plant nach eigenen Angaben, die Zuschläge in der ersten Hälfte des kommenden Jahres zu erteilen. Cannabis aus deutschem Anbau werde „voraussichtlich“ ab 2020 zur Verfügung stehen, drückt sich die Behörde vorsichtig in einer Mitteilung aus.

Im neuen Vergabeverfahren hat das BfArM eine jährliche Produktionsmenge von 2,6 Tonnen veranschlagt, was für den vierjährigen Zeitraum der Ausschreibung einer Gesamtmenge von 10,4 Tonnen entspricht. Dies stellt zwar eine Steigerung im Vergleich zu den 6,6 Tonnen dar, die in dem ersten Ausschreibungsverfahren geplant waren. Doch wird die neue Menge den Bedarf decken?  

Genügen 10,4 Tonnen für vier Jahre?

Einer Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes gegenüber dem deutschen Ärzteblatt zufolge entstanden den gesetzlichen Krankenkassen im Monat April 2018 2,33 Millionen Euro für die Kosten für die Erstattung von Cannabisblüten. Unter der Annahme, dass es sich dabei um Medizinalhanf als Rezepturarzneimittel handelt, das dem Vernehmen nach pro Gramm zwischen 23 und 30 Euro kostet, entspräche dies einer Menge zwischen 77 und 100 Kilogramm Medizinalhanf pro Monat.  

Dies würde zwar einer Menge von bis zu 4,8 Tonnen für vier Jahre entsprechen.   Allerdings sind dabei noch keine Privatverordnungen mit eingerechnet. Berücksichtigt man darüber hinaus regionale Ausnahmen wie etwa Schleswig-Holstein, wo holländisches Cannabis als Fertigarzneimittel gilt und zur Hälfte des Rezepturpreises abgegeben werden kann, käme man auf höhere Mengen. Außerdem ist vor einer etwaigen Extrapolation der GKV-Zahlen zu bedenken, dass sich nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes der Bedarf an Cannabisblüten von Juni 2017 bis April 2018 verfünffacht hat. Dieser steigende Trend spiegelt sich in den immer wieder auftretenden Lieferengpässe wieder.

Die Liberalen wollen daher von der Regierung wissen, wie viele Patienten derzeit mit medizinischem Cannabis behandelt werden und wieviele Inhaber einer Importerlaubnis bis einschließlich Juni 2018 beantragt haben, ihre Einfuhrmengen zu erhöhen. Bisherige Stellungnahmen des BMG weisen darauf hin, dass der Importbedarf steigt. So hat etwa das BfArM seit dem 7. September 2017 drei Anträge auf Erteilung von Importerlaubnissen über einen Gesamtumfang von 2100 Kilogramm Cannabis genehmigt. Darüber hinaus haben sechs Unternehmen, die bereits eine Importerlaubnis haben, zusammengerechnet eine Erhöhung der Einfuhrmengen von 21.300 Kilogramm beantragt.

Wozu ein Ausschreibungsverfahren?

Bei Cannabis handelt es sich nicht um eine „normale" Arzneipflanze, deren Markt durch Angebot und Nachfrage geregelt wird, was die Beschaffung zur Patientenversorgung erschweren kann. „Ich würde gerne auf eine Ausschreibung verzichten und stattdessen nur fachliche Anforderungen an die Hersteller stellen. Das reicht bei anderen Medikamenten ja auch“, kommentiert Schinnenburg die Situation. 

Sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern, in denen Cannabis zu medizinischen Zwecken eingesetzt wird, werden Import und Anbau von Medizinalhanf durch eine staatliche Kontrollstelle – eine sogenannte Cannabisagentur – geregelt. In Deutschland gehört die Cannabisagentur zum BfArM. Dies ist nach dem Einheitsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 so vorgesehen und liegt an der Einstufung von Cannabis als Betäubungsmittel.

WHO will Cannabis neu bewerten

An dieser Einschätzung könnte sich künftig etwas ändern. So hat das „Expert Committee on Drug Dependence“ (ECDD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Anfang Juli beschlossen, dass Cannabis im November einer gründlichen Neubewertung durch Experten unterzogen werden soll.  

„Viele Länder erlauben die Verwendung von Cannabis zur Behandlung von Krankheiten wie Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Depressionen, Schmerzen nach Verletzungen und Multipler Sklerose“, heißt es in dem Bericht der Vorabbewertung durch das ECDD. „Die dem Ausschuss vorgelegten Beweise deuten nicht darauf hin, dass Cannabispflanzen und Cannabisharz ähnliche schädliche Wirkungen haben wie andere Substanzen, die in Anhang IV des Einheitsabkommen über Betäubungsmittel von 1961 über Suchtstoffe aufgeführt sind. Die Einstufung von Cannabis und Cannabisharz in die Substanzkategorie IV scheint nicht mit den zugrunde gelegten Kriterien vereinbar zu sein.“



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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