Lunapharm-Affäre

Ist die Taskforce geeignet, den Brandenburger Skandal aufzuklären?

23.08.2018, 15:25 Uhr

Im Brandenburger Landtag wird es am kommenden Dienstag spannend: Die Taskforce soll erste Ergebnisse bei der Aufklärung des Lunapharm-Skandals abliefern. Die Opposition bezeweifelt, dass in diesem Gremium die richtigen Leute sitzen. (s/Foto: Imago)

Im Brandenburger Landtag wird es am kommenden Dienstag spannend: Die Taskforce soll erste Ergebnisse bei der Aufklärung des Lunapharm-Skandals abliefern. Die Opposition bezeweifelt, dass in diesem Gremium die richtigen Leute sitzen. (s/Foto: Imago)


Seit fast sechs Wochen versucht die Landesregierung Brandenburg, den Skandal um Lunapharm aufzuklären. Das Gesundheitsministerium hat dazu eine Taskforce beauftragt, die am kommenden Dienstag dem Landtag erste Ergebnisse vorlegen soll. Die AfD-Landtagsfraktion fordert eine Neubesetzung dieses Gremiums. Auch die Grünen kritisieren dessen Zusammensetzung. Sind die Bedenken der Opposition gerechtfertigt?

Kommende Woche soll es so weit sein: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erwartet für den kommenden Montag erste Ergebnisse bei der Aufklärung des Lunapharm-Skandals. Am darauffolgenden Dienstag sollen diese auf der dritten Sondersitzung des Gesundheitsausschusses im Brandenburger Landtag diskutiert werden. Das zuständige Gesundheitsministerium (MASGF) hatte, nachdem die Vorgänge rund um die mutmaßlich gestohlenen Krebsmedikamente bekannt wurden, eine siebenköpfige Taskforce eingesetzt. Diese soll etwaige Versäumnisse bei der Arzneimittelaufsicht evaluieren, Empfehlungen für einen verbesserten Patientenschutz abgeben sowie einen möglichen Reformbedarf auf Bundes- beziehungsweise EU-Ebene ermitteln. 

Vertreter der Opposition der rot-roten Landesregierung haben in den vergangenen Tagen Zweifel erhoben, ob dieses Gremium geeignet ist, valide und unabhängige Untersuchungsergebnisse zu liefern. So forderte am gestrigen Mittwoch die AfD-Landtagsfraktion, die Taskforce neu zu besetzen. Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen in Brandenburg, Axel Vogel, äußerte in der zweiten Sondersitzung des Gesundheitsausschusses am vergangenen Donnerstag Kritik an deren Zusammensetzung.

Von sieben Mitgliedern sind nur drei Externe

An die Taskforce werden große Erwartungen gestellt. Sowohl der Ministerpräsident als auch seine Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) verweisen bei kritischen Fragen konsequent auf dieses Gremium. Woidke erhofft sich von der Aufarbeitung durch die Taskforce, das Vertrauen in die Arzneimittelüberwachung wieder herzustellen. Golze möchte die Ergebnisse der Taskforce abwarten, bevor sie weitere personelle Konsequenzen in ihrem Ministerium zieht. „Mir war es wichtig, diese Taskforce in unabhängige Hände zu geben“, betonte Golze am vergangenen Donnerstag. Doch genau diese Unabhängigkeit bezweifeln AfD und Grüne. Zu Recht?

Wie ist die Taskforce eigentlich zusammengesetzt? Das Gremium wird geleitet von Apotheker Dr. Ulrich Hagemann, der bis 2010 Chef der Abteilung Pharmakovigilanz beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) war. Seit 2005 ist Hagemann zudem außerordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Der Vorsitzende der AdkÄ, Internist und Onkologe Professor Wolf-Dieter Ludwig, ist ebenfalls Mitglied der Taskforce. Der dritte externe Experte ist der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK), Professor Martin Schulz.

Drei weitere Mitglieder stammen aus Golzes Ministerium und zwar die Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt, die leitende Justiziarin Susanne Köhler, sowie Ernst-Friedrich Pernack, Referatsleiter Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, Produktsicherheit. Außerdem ist die Präsidentin des Brandenburger Landesamtes für Soziales und Versorgung Liane Klocek vertreten.

Beurteilt sich das Ministerium selbst?

Die AfD-Abgeordnete Birgit Bessin hat kein Verständnis: „Es ist völlig untragbar, dass Staatssekretärin Hartwig-Tiedt ihr eigenes Fehlverhalten aufklären soll. Soll sie sich selbst befragen? Da frage ich mich schon, wo hier Noch-Ministerin Golze ihren stets wiederholten Willen zur Aufklärung tatsächlich in die Tat umsetzen will. Es sieht eher so aus, als ob durch die Besetzung der Taskforce das Versagen von Ministeriumsspitze und Landesgesundheitsamt vertuscht werden soll“, erklärt sie in einer Pressemeldung. Die Kritik von Vogel am vergangenen Donnerstag ging in eine ähnliche Richtung. So sei aus seiner Sicht das Gremium nicht unabhängig genug, da es sich nur bei drei von sieben Mitgliedern um externe Experten handelt.

Haben die Experten die richtige Expertise?

Doch auch an der Kompetenz der drei externen Experten bestehen Zweifel. So erklärte Hagemann laut AfD in der vergangenen Ausschusssitzung, dass im Fall Lunapharm keine betroffenen Patienten ermittelt werden könnten. Mit dieser Äußerung habe er sich „disqualifiziert“, findet Bessin. Zur Erklärung: Bei der Mehrzahl der betroffenen Medikamente handelt es sich um Onkologika. In der Tat wäre bei den patientenindividuell zubereiteten Zytostatika eine Rückverfolgung sehr wohl möglich, unter der Voraussetzung, dass vorschriftsmäßig dokumentiert wurde. Die entsprechenden Vorgaben existierten bereits zu Hagemanns Amtszeit. In Berlin ist diese Rückverfolgung mithilfe der betroffenen Apotheken auch gelungen. 

Hagemann und Schulz sind zwar Experten für Arzneimittelsicherheit auf übergeordneter Bundesebene. Für lokale Inspektionen von Pharmafirmen und -händlern sind die Landesbehörden zuständig. Um etwaige Versäumnisse bei der Aufsicht aufzudecken, wäre es möglicherweise hilfreich gewesen, Fachleute für Arzneimittelüberwachung wie etwa Apotheker anderer Landesbehörden einzubeziehen. Bei anderen Themen wiederum, wie etwa, wann ein Arzneimittelrückruf erforderlich ist oder ob es einen Bedarf gibt, Bundes- oder EU-Vorgaben zu Produktqualität und Vertriebswegen anzupassen, sollten sich die beiden Apotheker aufgrund ihrer Erfahrung gut auskennen.

Wie genau lässt sich das mögliche Risiko beurteilen?

Da Mediziner Ludwig auch Onkologe ist, soll er ein Gutachten darüber erstellen, welche Risiken für die Patienten bestanden haben, sollte die Wirksamkeit durch mutmaßlich unsachgemäße Transportbedingungen beeinträchtigt gewesen sein. Hierfür könnte es hilfreich sein, zu wissen, ob und um wie viel der Wirkstoffgehalt welcher Produkte außerhalb der Spezifikationen liegt. Doch dazu ist bislang nichts Näheres bekannt. Die Stichproben, die im vergangenen Jahr untersucht wurden, waren zwar einwandfrei, jedoch handelte es sich dabei um nicht-temperatursensible Arzneimittel. 

Zwar wurden bei Lunapharm durch die Staatsanwaltschaft vor einem Monat 31 Rückstellmuster – inklusive temperaturempfindlicher Präparate – sichergestellt, die wie Ministerium ankündigte, analysiert werden sollten. Unterstellt man Lunapharm und seinen Bezugsquellen jedoch kriminelle Energien, ist es fraglich, ob die Proben repräsentativ sind. Denn bei einem etwaigem Arzneimittelschmuggel wäre es nicht gewährleistet, dass die Chargen von homogener Qualität beziehungsweise die Angaben auf den Packmitteln korrekt sind. Bei dem Druck, der aktuell auf dem Gesundheitsministerium lastet, ist es dennoch auffällig, dass die Analysenergebnisse noch nicht vorliegen beziehungsweise kommuniziert wurden.

Anmerkung der Redaktion 23.8.2018, 15:46 - Nach Auskunft einer Ministeriumssprecherin werden die Analysenergebnisse zur kommenden Sondersitzung des Gesundheitsausschusses voraussichtlich noch nicht vorliegen.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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