Zeitungsbericht

2017: Kassen gaben 10,5 Millionen Euro für Homöopathie aus

Berlin - 25.09.2018, 11:30 Uhr

Manche Krankenkassen erstatten Homöopathika im Rahmen von Satzungsleistungen. (c / Foto: imago)

Manche Krankenkassen erstatten Homöopathika im Rahmen von Satzungsleistungen. (c / Foto: imago)


Die Diskussionen rund um die Apothekenpflicht und die Erstattung von Homöopathie flammen derzeit wieder auf. Im Streit um die Satzungsleistungen der Kassen berichtet die Stuttgarter Zeitung nun über spannende Zahlen: Dem Bericht zufolge haben die Kassen, die ihren Versicherten solche Angebote machen, im vergangenen Jahr insgesamt 10,5 Millionen Euro für die Homöopathie ausgegeben. Die Zahl der Kritiker in der Politik und im Kassenlager mehrt sich demnach.

Homöopathika gehören grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der GKV. Ausnahmen sind – wie bei allen OTC-Verordnungen – Rezepte für Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr und das Vorliegen einer „Ausnahmeindikation“, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) festlegt. Dann gibt es für die Kassen aber noch die Möglichkeit, den Versicherten (auch Erwachsenen), im Rahmen einer Satzungsleistung individuelle Erstattungsangebote zu machen. Zahlreiche Krankenkassen nutzen diese Möglichkeit und haben die unterschiedlichsten Erstattungsmuster erarbeitet, mit denen nicht selten Marketing betrieben wird.

Genau diese Programme stehen aber im Zentrum der Kritik: Die Gegner der Homöopathie fordern seit Jahren, dass die Kassen – auch im Rahmen ihrer Satzungsleistungen – nur noch Präparate erstatten dürfen, für die es einen eindeutigen Wirksamkeitsnachweis gibt. Wie viel die Kassen aber insgesamt für die Homöopathie ausgaben, das war bislang nicht bekannt. Bislang lagen lediglich Studien und Schätzungen darüber vor, wie hoch die Gesamtausgaben bei allen Kassen in diesem Bereich sind. Das zum Spiegel-Verlag gehörende Magazin „Bento“ hatte beispielsweise bei vier großen Kassen nachgefragt, wie viel sie für Homöopathika ausgeben – und keine konkrete Antwort erhalten. Die Ausgaben lägen im „Promillebereich“, erklärte demnach beispielsweise die TK.

Die Stuttgarter Nachrichten hingegen berichten nun aus einem Papier des Bundesgesundheitsministeriums, aus dem konkrete Zahlen über alle Kassenarten hinweg genannt werden sollen. Demnach wurden etwa eine Million „Verordnungen“ zu Lasten der GKV ausgestellt, die ein Gesamtvolumen von rund 10,5 Millionen Euro gehabt hätten. Fraglich ist allerdings, ob damit nur die „echten“ Verordnungen – also beispielsweise für Kinder – gemeint sind, oder ob diese Zahlen schon die Erstattungen im Rahmen der Satzungsleistungen beinhalten.

Hersteller vs. Politik und Kassen

Die Stuttgarter Zeitung hatte zuletzt vermehrt über den Streit um die Homöopathie berichtet. Beispielsweise sprach sich G-BA-Chef Josef Hecken in einem Artikel gegen die Erstattung aus. Hecken erklärte nun erneut: „Wenn die Hersteller mit der gefühlten Evidenz bei den Patienten argumentierten“, könne man auch die Erstattung einer „katholischen Pilgerfahrt nach Lourdes“ durch die Kassen beantragen.

In einem Interview mit dem Gesundheitsmagazin „Medwatch“ hatte sich zuletzt auch Martin Litsch, Chef des AOK-Bundesverbandes, skeptisch in Sachen Homöopathie-Erstattung ausgesprochen. Die Stuttgarter Zeitung zitiert nun auch den CDU-Politiker Erwin Rüddel, der auch Vorsitzender des Gesundheitsausschusses ist: „Wenn der Nutzennachweis fehlt, kann ein Medikament auch nicht von der Kasse bezahlt werden.“

Verständlicherweise wehren sich die Hersteller gegen diese Attacken. In dem Bericht erklärt ein Sprecher der Deutschen Homöopathie-Union, dass die Homöopathie bei richtigem Einsatz „den Therapie-Erfolg bei einer Vielzahl von Erkrankungen unterstützen“ könne. Auch der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller verteidigt sowohl die Kassen-Programme als auch die Apothekenpflicht von Homöopathika. Im vergangenen Jahr betonte der Verband in einem Papier beispielsweise die hohe pharmazeutische Qualität und Unbedenklichkeit wie auch die Bedeutung der Apothekenpflicht.

Hennrich: Keine Registrierung mehr für Homöopathika

Der CDU-Arzneimittelexperte hat nun einen „Kompromissvorschlag“ präsentiert: Er wolle gesetzlich klarstellen, dass die Kassen Arzneimittel der besonderen Therapierichtung nur erstatten dürfen, „wenn diese in einem förmlichen Zulassungsverfahren ihre Wirksamkeit nachgewiesen haben“. Die Möglichkeit der Registrierung, für die der Nachweis der bloßen Unbedenklichkeit ausreicht, würde demnach wegfallen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Im Ernst...

von Pharmi am 25.09.2018 um 11:53 Uhr

Es wird um diese Zahl von 10,5 Mio € so ein Aufriss gemacht? Die Kassen horten über 20 Milliarden, darüber gibt es eine solche Aufregung nicht...
2017 sind im Gesundheitssystem über 230 Milliarden ausgegeben wurden und dann geht hier um den Witzanteil von 0,005%... vielleicht sollte man wieder auf die Wichtigen Themen gucken...

10,5 Mio sind im Schnitt etwas über 500€ pro Apotheke...

» Auf diesen Kommentar antworten | 6 Antworten

AW: Im Ernst

von Karl Friedrich Müller am 25.09.2018 um 13:28 Uhr

Das dürfte so viel sein, wie auch Negativzinsen für die 20 Mrd. anfallen

AW: Im Ernst

von Hans am 25.09.2018 um 14:10 Uhr

Mal so am Rande. Allein die AOK gibt 8x so viel für Werbung aus und das bringt dem Patienten noch weniger... das wirkt dann nicht mal als Placebo... Eine Diskussion wie bei den Globuli aktuell, gibts da allerdings gar nicht...

AW: Im Ernst

von RPGNo1 am 25.09.2018 um 16:09 Uhr

Zitat: "Es wird um diese Zahl von 10,5 Mio € so ein Aufriss gemacht?"

a) "Fraglich ist allerdings, ob damit nur die „echten“ Verordnungen – also beispielsweise für Kinder – gemeint sind, oder ob diese Zahlen schon die Erstattungen im Rahmen der Satzungsleistungen beinhalten."
Mit anderen Worten: Die Zahl steht sehr wackligen Beinen.

b) Kleinvieh macht auch Mist. Als Brillenträger wäre es mir weitaus lieber, wenn mit dem Geld Gläser bezuschusst würden anstatt wirkungslose Süßigkeiten.

AW: Im Ernst

von Pharmi am 26.09.2018 um 23:47 Uhr

@RPGNo1
Meinen Sie wirklich, diese 10 Mio würden dann zukünftig für Brillengläser ausgegeben werden? 80 Mio gibt allein die AOK für Werbung aus, 20 Milliarden haben die Kassen auf der hohen Kante. Geld wäre also mehr als genug da, trotzdem wird gespart oder eben für Dinge ausgegeben, die dem Patienten auch nix nutzen, wie eben für PR... Würden die 10 Mio nun wegfallen, kann man doch fast sicher sein, dass dieses Geld sicherlich nicht für den Patienten ausgegeben wird... Und bei 40 Mio Brillenträgern, wären das dann 25ct pro Patient... da lohnt sich doch die Bürokratie nicht...

AW: Im Ernst

von Pharmi am 27.09.2018 um 0:07 Uhr

@RPGNo1
Und wenn Sie mich schon zitieren, dann doch bitte auch mit den beiden anderen Zahlen in diesem Kontext! Rückt diese vermeintlich hohe Zahl dann in ein ganz anderes Licht...

AW: Im Ernst

von RPGNo1 am 27.09.2018 um 14:39 Uhr

Wir kommen jetzt in den Bereich des "whataboutisms". Weil die KK viel Geld für Werbung (was nicht sein muss, da gebe ich Ihnen recht) ausgeben, sind die 10,5 Mio € (?) für Homöopathika jetzt also unwichtig? Quasi Peanuts?

Oder um die Sache umzudrehen und auf die Spitze zu treiben: Warum bezahlen die KK nicht auch warme Socken? Verhindert schließlich Erkältungen und spart viel Geld für meist fragwürdige Erkältungsmittel ein.

Oder wie wäre es der Apothekenpflicht auf "medizinische" Hühnerbrühe? Omas Hausmittel zeigt schließlich echte lindernde Wirkung, ganz im Gegensatz zu Globuli.

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