VSA- und Awinta-Mutterkonzern

Noventi will Digital-Dienstleister für alle sein

Stuttgart - 08.10.2018, 07:00 Uhr

Auf der Expopharm in München wird die Noventi (hier der Stand 2017 in Düsseldorf) ihre Digitalstrategie präsentieren. (r / Foto: Schelbert)

Auf der Expopharm in München wird die Noventi (hier der Stand 2017 in Düsseldorf) ihre Digitalstrategie präsentieren. (r / Foto: Schelbert)


Wie kann man dafür sorgen, dass Deutschlands Apotheken beim Thema Erreichbarkeit und Komfort mit reinen Online-Anbietern mithalten und im Idealfall sogar noch mehr bieten? Die Lösung scheint in den Augen vieler eine, wie auch immer geartete, gemeinsame Plattform zu sein. Ankündigungen in diese Richtung gab es beispielsweise vom Wort & Bild Verlag oder vom Joint Venture aus dem Burda-Verlag und der Noweda. Nun hat auch die Noventi, zu der unter anderem die VSA und Awinta gehören, erklärt, welche – ambitionierte – Rolle sie bei so einer digitalen Plattform spielen will.

Die Digitalisierung stellt die Apotheke vor eine ganze Reihe von Herausforderungen. Nicht nur das Gesundheitswesen, vor allem das tägliche Leben der Patienten und Kunden wird zunehmend digitaler. Die Noventi Health SE und Noventi GmbH als „Mutterkonzern“ des Apothekenabrechners VSA, eine Marke der Noventi HealthCare GmbH, und des Warenwirtschaftsanbieters Awinta möchte den Apotheken bei der Bewältigung dieser Herausforderungen helfen. Doch dazu sei eine Kooperation nötig, betont Noventi-Vorstandschef Dr. Hermann Sommer. Dabei meint er nicht nur die Kooperation zwischen den Apotheken, sondern auch zwischen Dienstleistern und Partnern der Apotheken. Sommer sieht hier insbesondere die apothekereigenen Unternehmen, zu denen auch die Noventi zählt, in der Pflicht. „Wenn wir es nicht regeln, kommt ein anderer.“

Apps, Kommunikations-Standards, zentrale Dienste und ein Informationsserver bilden dabei die vier Grundsäulen – Noventi spricht von „Enablern“ (vom englischen „enable“, ermöglichen) – der neuen Digitalstrategie Noventi OTES, die auf der Expopharm vorgestellt werden soll. Auch hier werde sich die neue Offenheit zur Zusammenarbeit zeigen, betont Sommer.

Bei den Apps für die Apotheke ist Noventi seit einiger Zeit besonders aktiv. So wurde gerade angekündigt, CallmyApo, mit der eine schnelle Vorbestellung von Arzneimitteln in der Apotheke vor Ort möglich ist, zukünftig mit dem bisherigen Wettbewerber Apojet vom ARZ Darmstadt zusammen weiterzuentwickeln. Außerdem soll die App allen Apotheken kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Für die Expopharm kündigt Sommer bereits die nächste Ausbaustufe von CallmyApo an. Die neue App werde deutlich mehr können als die bisherige Version.

Dabei soll die CallmyApo-App einen Standard setzen für den digitalen Zugang in die Apotheke. Das berührt dann die zweite Säule von OTES, die Kommunikation. Für den unkomplizierten und intuitiven Austausch von Informationen nutzen viele Menschen tagtäglich Messenger-Apps wie WhatsApp. Doch auf die hohen Datenschutz-Anforderungen, vor allem im Bereich der hochsensiblen Gesundheitsinformationen, werde dabei viel zu wenig Rücksicht genommen. Hier wolle man eine smarte, aber dennoch sehr sichere Kommunikation anbieten.

Auf Reisen bei der Stammapotheke bestellen, bei einer anderen abholen

Unter zentralen Diensten versteht man bei Noventi Angebote wie die Rezeptabrechnung oder Logistik-Dienstleistungen. So werde man auf der Expopharm in München den neuen Service PKVdirekt vorstellen: Die Apotheke kann über diesen Service ihre Privatrezepte genau wie GKV-Rezepte bei der VSA abrechnen. Neben der Liquiditätssicherung kann dieser Service auch die Kundenbindung steigern, wenn der Patient nicht mehr in Vorleistung treten und mit seiner Versicherung abrechnen muss. Die Angebote in diesem Bereich könnten aber so weit gehen, dass zukünftig auch Zahlungen zwischen Apotheken abgewickelt werden, etwa wenn ein Kunde auf Reisen ein online bei seiner „Stammapotheke“  bestelltes Arzneimittel bei einer anderen Apotheke abholt. Auch für die „Post-Papier-Ära“ sieht man sich bei Noventi bestens aufgestellt, für die erwartete rasche Einführung des elektronischen Rezepts zumindest sei alles vorbereitet.

Und auch das Informationsbedürfnis der Apotheker will Noventi zukünftig befriedigen. Mit einem Informationsserver, der die Technologie der Künstlichen Intelligenz (KI) mit kuratierten Informationen vereint. Das Ziel soll ein „Informations- und Serviceportal“ sein, sagt Sven Bertram, der bei der Noventi als Generalbevollmächtigter für die Digitalstrategie zuständig ist. Anders als im „freien Internet“ sollen alle Informationen fachlich fundiert sein, so Bertram. Sie sollen nicht auf Algorithmen beruhen, sondern auf der „Gesamtheit des Wissens“. „Ich möchte mich nicht mehr drum kümmern müssen, wem ich welche Frage stelle, und das wollen wir ermöglichen“, erklärt Bertram. 

Jeder soll die Technologie nutzen können

Bei allen vier Grundsäulen, das betonen Sommer und Bertram, sei man offen für die Zusammenarbeit mit Partnern. So sollen die Funktionalitäten der CallmyApo-App auch von anderen Anbietern verwendet werden können. Niemand müsse mehr einen Vorbestell-Service in der Apotheke technisch aufbauen, sondern könne die Noventi-Technologie nutzen, so Sommer. Für den Patienten sei das natürlich transparent, er könne aber weiter die Anwendungen nutzen die er kennt. „Vorne sieht das immer noch aus wie zum Beispiel Apotheken.de, im Hintergrund läuft Noventi. Wir bauen sozusagen die Autobahn.“  Noventi setze dabei auf eine Art Bibliothek, die modular aufgebaut ist, und jeder die Module nutzen kann, die er möchte, erklärt er, und zwar kostenfrei.

Gleiches gelte für die Kommunikationsstandards und die Angebote auf dem Informationsserver. „Wir sind offen für jeden“, betont Sommer und fordert die Organisationen der Standesvertretung und alle am Apothekenmarkt beteiligten Partner auf, miteinander zu kooperieren. Dabei sei es zuerst einmal irrelevant, ob eine Apotheke heute Noventi-Kunde oder ein Unternehmen ein Wettbewerber sei. Für die Noventi stellt das in gewisser Weise einen Paradigmenwechsel da: „Wir verabschieden uns davon, dass Kunden immer alles von uns nehmen müssen“, so Sommer. Am Ende, so gibt sich Sommer überzeugt, werde sich seine Strategie auszahlen: In fünf Jahren möchte man mit 50 Prozent der deutschen Apotheken eine Geschäftsbeziehung aufgebaut haben – heute sind es bereits gut 30 Prozent.



Dr. Benjamin Wessinger (wes), Apotheker, DAZ-Chefredakteur
redaktion@daz.online


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

hohe Dichte an Apotheken

von Orlando Lieberum am 09.10.2018 um 10:30 Uhr

In den Städten gibt es eigentlich eine ausreichend hohe Dichte bzgl. Erreichbarkeit und Komfort. Nur in den ländlichen Regionen muss man verständlicherweise weiter fahren, siehe auch https://pharmacy.nearest.place

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