- DAZ.online
- News
- Spektrum
- EMA-Dokument: Das ...
Kontraste-Sendung
EMA-Dokument: Das internationale „Lunapharm-Netzwerk“
Am gestrigen Donnerstagabend strahlte das ARD-Magazin Kontraste neue Enthüllungen zu Lunapharm aus. Im Zentrum der Sendung stand ein Dokument der europäischen Arzneimittelbehörde, das ein internationales kriminelles Netzwerk beschreibt – mit dem Brandenburger Händler als Zentrum.
Mitte Juli berichtete das ARD-Magazin Kontraste erstmals über den Lunapharm-Skandal. Seither kommen stückchenweise neue Erkenntnisse über den Brandenburger Händler ans Tageslicht: So hat die Staatsanwaltschaft Potsdam ihre Ermittlungen auf Geschäftspartner von Lunapharm in Hessen ausgeweitet. Nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums stehen die Brandenburgischen Behörden zudem mit Behörden aus Großbritannien, Lettland, Polen, Italien, Zypern, Niederlande, Frankreich und Griechenland in Kontakt.
Scheinfirmen und Intransparenz
Am gestrigen Donnerstag berichtete Kontraste erneut über Lunapharm. In der Sendung ging es um ein Dokument der europäischen Arzneimittelbehörde, das auch DAZ.online vorliegt. Darin sind – ähnlich wie einer Landkarte – die komplexen Lieferwege eines mutmaßlich kriminellen europaweiten Händlernetzwerkes abgebildet. Im Zentrum ist der Brandenburger Händler Lunapharm eingezeichnet. Das Diagramm zeichnet sich durch verwirrende Lieferwege und mangelnde Transparenz aus.
Illegaler Arzneimittelhandel
Lunapharm-Affäre
So werden etwa die zypriotische Firma Gnomon und der bulgarische Händler Lemimed als Handelspartner von Lunapharm genannt. Recherchen des Senders zufolge handelte es sich dabei um Scheinunternehmen, die unter der jeweils angegeben Postadresse physikalisch nicht aufzufinden gewesen sein sollten.
Werden Arzneimittel im Kreis gefahren?
Außerdem soll laut dem Dokument Lunapharm unter anderem den slowakischen Händler Propharma beliefert haben. Der eingezeichnete Handelsweg verläuft dabei im Kreis: So soll der Händler Propharma an das in Bonn ansässige Unternehmen NMG-Pharma geliefert haben und NMG wiederum zurück an Lunapharm.
Die Anfragen von Kontraste bei Propharma und NMG liefen laut der Sendung ins Leere. Das bisher relativ unbekannte Unternehmen NMG-Pharma tauchte seit Bekanntwerden des Skandals immer mal wieder in Medienberichten auf. So musste der Bonner Händler mehrfach Arzneimittel „wegen Unstimmigkeiten in der Lieferkette“ zurück rufen. Außerdem haben nach Bekanntwerden des Skandals acht von elf Krankenkassen, die Rabattverträge mit NMG abgeschlossen hatten, ihre Verträge gekündigt. Eine, die weiterhin zu NMG steht, ist die Barmer. Gegenüber DAZ.online hatte ein Sprecher Ende September erklärt, die Barmer werde sogar einen weiteren Rabattvertrag über den Wirkstoff Goserelin mit NMG abschließen. Man sehe „keine rechtlichen Gründe“, die NMG Pharma von den Open-House-Verfahren auszuschließen, so der Barmer-Sprecher. Die Bezirksregierung Köln, die für die Überwachung von NMG zuständig ist, sprach vor einigen Tagen gegenüber DAZ.online von „laufenden und möglicherweise anstehenden staatsanwaltlichen Verfahren“ gegen das Bonner Unternehmen.
Apotheker warnt vor Risiken durch Importquote
Im Sendungsbeitrag wurde den Zuschauern auch die sogenannte Importförderklausel erläutert, die die komplexen Lieferwege fördere. Diese Regelung wird von der Apothekerschaft seit längerem abgelehnt – unter anderem von Apotheker Franz Stadler, der vor kurzem Kollegen aufrief, keine Importarzneimittel mehr abzugeben. Der Pharmazeut aus dem bayerischen Erding erklärte in der Sendung, dass sich durch die Quote ein großes Patientenrisiko ergebe. Es sei doch nicht notwendig, dass temperaturempfindliche Medikamente drei- bis viermal umgepackt und über verschiedene Ländergrenzen transportiert werden müssten, so Stadler.
Wozu gibt es diese Importquote überhaupt? Die großen Importfirmen Kohl und Eurim Pharma behaupten, die Krankenkassen würden große Einsparungen durch die Reimporte erzielen. Der AOK-Chef von Baden-Württemberg, Christopher Herrmann, verneinte dies in der Sendung. Die Kostenersparnis liege im „Promillebereich“ und stehe in keinem Verhältnis zu der Gefahr, die von den komplexen Lieferwegen ausgingen. „Die Importquote muss weg“, so Hermann.
Werden die Importeure nervös?
Die Lobbyarbeit der Importeuere läuft derzeit auf Hochtouren. Beispielsweise veranstaltete Kohl Pharma 26. September um 7:30 Uhr in der Saarländischen Landesvertretung in Berlin ein „Parlamentarisches Frühstück“, um Bundestagsageordnete von der Sicherheit von Importarzneimitteln zu überzeugen.
Die großen Player im Importgeschäft, Eurim Pharma und Kohl Pharma, sind gegen Stadler mit Unterlassungserklärungen vorgegangen. Der Apotheker solle sich künftig nicht mehr öffentlich zu Risiken durch Importarzneimittel äußern, sonst würden ihm vierstellige Vertragsstrafen drohen. „Das finde ich ein starkes Stück“, sagte Stadler in der Sendung.
Nach Informationen von DAZ.online hat der Apotheker bei der ABDA und dem DAV angefragt, ob sie ihn bei den Anwaltskosten unterstützen. Schließlich macht DAV-Chef Fritz Becker derzeit massiv gegen die Importquote mobil. Doch zu dieser Unterstützung ist die Standesvertretung nicht bereit, erklärte Stadler gegenüber DAZ.online.
Anmerkung der Redaktion: Der letzte Absatz dieses Artikels wurde am 15. Oktober um 8:45 geändert. Laut Eurimpharm hat Apotheker Stadler eine (nicht stafbewehrte) Unterlassungserklärung abgegeben. Er habe „mehrfach zu einem generellen Boykott von Importarzneimitteln
aufgerufen“, so das Unternehmen. Das, so sagt Stadler, habe er ohnehin nicht getan und sagte zu, dies auch weiterhin nicht zu tun.
8 Kommentare
@Gunter Kowalski
von Matthias H. Arlt am 17.10.2018 um 22:33 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Wer weiß denn sowas`?
von Dr. Andreas van de Valk am 15.10.2018 um 21:02 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Wer weiß denn sowas
von Matthias H. Arlt am 16.10.2018 um 13:29 Uhr
Lunapharm fast ein Fetisch?!
von Matthias H. Arlt am 13.10.2018 um 16:55 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Lunapharm fast ein Fetisch
von Dr. Andreas van de Valk am 14.10.2018 um 11:11 Uhr
AW: Lunapharm fast ein Fetisch
von Matthias H. Arlt am 14.10.2018 um 17:20 Uhr
AW: Lunapharm fast ein Fetisch
von Gunter Kowalski am 17.10.2018 um 11:28 Uhr
Lunapharm
von Gunter Kowalski am 13.10.2018 um 10:57 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.