Erkenntnisse aus dem Medpex-Deal

Zur Rose/DocMorris breiten sich weiter aus

München - 18.10.2018, 17:45 Uhr

Aus der Schweiz nach ganz Europa: Zur Rose expandiert weiter. (Foto: picture alliance/KEYSTONE)

Aus der Schweiz nach ganz Europa: Zur Rose expandiert weiter. (Foto: picture alliance/KEYSTONE)


Die geplante Übernahme des Versandgeschäftes der Ludwigshafener Onlineapotheke Medpex durch Zur Rose für rund 170 Millionen Euro verdeutlicht, dass der Schweizer Konzern auf mehreren Ebenen und systematisch seine Marktposition ausbaut, teilweise auch zementiert. Der Einfluss des Mutterunternehmens von DocMorris im deutschen und europäischen Apothekengeschäft dürfte damit weiter zunehmen.

Walter Oberhänsli gibt sich im Gespräch mit Analysten und Journalisten ruhig, beinahe zurückhaltend. In überlegten, unaufgeregten Worten erläutert der 1958 geborene Rechtsanwalt und Vorstandschef von Zur Rose im schweizerisch geprägten Englisch, welche Bedeutung die Akquisition des Versandgeschäftes von Medpex, Deutschlands drittgrößter Versandapotheke, für sein Haus hat. Und er berichtet, wie die weitere Strategie von Zur Rose, nach eigenen Angaben Europas größte Versandapotheke, aussieht. Wettbewerber und Inhaber stationärer Apotheken dürften ungeachtet des Tonfalls beunruhigt sein, was aus dem Schweizerischen Frauenfeld zu vernehmen ist. 

Da ist zum einen das Potenzial, dass der jetzt angekündigte Medpex-Deal in sich birgt: Das Ludwigshafener Versandunternehmen, so Oberhänsli, verfüge nämlich über die am schnellsten wachsende E-Commerce-Apothekenwebseite in Deutschland. Das Marketing des Unternehmens sei „highly sophisticated“, also extrem gut entwickelt - davon könne sogar Zur Rose lernen, die mit der niederländischen Tochter DocMorris immerhin eine ebenfalls nicht ganz unbedeutende Versandapotheke betreibe. Schließlich verfüge die Pfälzer Firma über eine einzigartige Kombination aus Wachstum und Profitabilität. Das heißt: Medpex wird nicht nur den Umsatz von Zur Rose weiter nach oben befördern, sondern soll den Konzern auch auf der Gewinnseite anschieben. In dieser Kombination, erläutert Oberhänsli, werde es Zur Rose im deutschen Onlineapothekengeschäft auf einen Marktanteil von 31 Prozent bringen – nahezu doppelt soviel wie der schärfste Konkurrent Shop Apotheke Europe, dessen Marktanteil Oberhänsli mit 16 Prozent angibt. Gleichzeitig werde Zur Rose mit Medpex rund 5,6 Millionen aktive Kunden haben – ebenfalls doppelt soviel, wie Shop Apotheke zähle. Zusammengerechnet brachten es Zur Rose und Medpex im Jahr 2017 auf einen Umsatz von 1,13 Milliarden Schweizer Franken (rund 972 Millionen Euro) und damit auf weit mehr als die 284 Millionen Euro, die Shop Apotheke im vergangenen Jahr auf der Erlösseite bilanzierte. Es ist auch immer noch deutlich mehr als die über 500 Millionen Euro, die Shop Apotheke für 2018 erwartet. 

Gewichte verschieben sich

Die Gewichte verschieben sich also deutlich zugunsten von Zur Rose. Und in diesem Geschäft ist es ein ganz entscheidender Faktor, wer mehr Gewicht auf die Waage bringt: Denn jeder zusätzliche Kunde bringt pures Geld in die Kassen bei kaum steigenden Kosten. Einmal etabliert, können die Online-Verkaufsplattformen, die dahinter liegenden IT-Systeme wie auch die Logistik problemlos einige tausend weitere Kunden „abarbeiten“. Sprich: Je mehr zahlende Nutzer, umso wirtschaftlicher, effektiver und damit wettbewerbsfähiger ist der Versandhändler.

Was plant Oberhänsli weiter?

Interessant dürfte für Beobachter aber auch sein, wie die weiteren Pläne von Oberhänsli und seinem Team aussehen. So hat sich Zur Rose auf die Fahnen geschrieben, nicht weniger als das herausragendste Gesundheits-Ökosystem in Europa auf die Beine zu stellen. Grundlage dafür sollen die existierenden Online-Plattformen sein. Die sollen angereichert werden mit E-Health-Services, also Dienstleistungen rund um das Thema Gesundheit.

Katalysator dieser Entwicklung soll insbesondere die spanische Marktplatz-Plattform Promofarma sein, deren Übernahme Zur Rose Anfang August bekanntgegeben hatte. Auf diesem Wege will der Konzern künftig nicht nur Endkunden, also die Verbraucher, ansprechen, sondern je nach Land auch Krankenversicherungen, Ärzte, Krankenhäuser und Medikamentenhersteller. Oberhänsli deutet an, dass Promofarma auch das Instrument sein könnte, um künftig Apotheken in Ländern wie Italien und Frankreich zu erwerben. 

Kein weiterer Zukauf in Deutschland

Die intensive Akquisitionspolitik von Zur Rose in Deutschland dürfte dagegen erstmal zum Stillstand gekommen sein. Wenngleich Oberhänsli zwischen Flensburg und Garmisch weitere „Big Player“ im Arzneimittel-Versandgeschäft ausmacht – namentlich nennt er Medikamente per Klick, Apotal und Apo Discounter - so gibt er zu verstehen, dass er derzeit keine Pläne habe, hier weitere Versandhäuser zu erwerben. Weit mehr scheint ihn dagegen das schwedische Unternehmen Apotea zu interessieren, zumal in Schweden der Rx-Anteil im Onlinegeschäft deutlich höher sei als in Deutschland. Diese Quote auch in den hierzulande zu Zur Rose gehörenden Firmen zu steigern steht ebenfalls auf seiner Agenda.

Mit den bisherigen wie auch künftigen Akquisitionen hat sich auch die Wachstumsstrategie des Konzerns verändert. So erläutert Oberhänsli, dass das Unternehmen zum Zeitpunkt des Börsengangs im Sommer vergangenen Jahres lediglich eine Akquisition verbucht hatte und vor allem organisch, also aus eigener Kraft, gewachsen sei. Heute stünden fünf Zukäufe in den Büchern und das Wachstum resultiere zu einem erheblichen Teil aus diesen Einkäufen.

Konzentration und Ausbau in Herleen

Darüber hinaus will das Unternehmen künftig verstärkt die Synergieeffekte aus den getätigten und noch zu vollziehenden Übernahmen – von Promofarma über Apo-Rot zu Eurapon und Vitalsana – realisieren. So soll das operative Geschäft, das derzeit noch über die verschiedenen Standorte verteilt ist, ab 2021 zu einem wesentlichen Teil im niederländischen Herleen, dem Standort der Tochtergesellschaft DocMorris, konzentriert werden. Damit einhergehend soll das dortige Logistikzentrum massiv ausgebaut werden: von einer aktuellen Jahreskapazität von zehn Millionen Paketen auf 30 Millionen Pakete im Jahr 2021. Noch weiter in die Zukunft geblickt soll es sogar für die Verarbeitung von jährlich 50 Millionen Paketen wetterfest gemacht werden. Gleichzeitig sollen der Automatisierungsgrad erhöht und damit die Kosten für die Bearbeitung der Pakete um 50 Prozent gesenkt werden. Nicht nur Größe, auch Effizienz stehen beim Zur Rose-Management also hoch im Kurs.

Angesichts dieser Entwicklungen und Perspektiven dürften nicht nur kleinere Wettbewerber hellhörig werden. Möglich, dass auch der Appetit eines Großen – wie in der Branche bereits gemunkelt -– auf den weiter wachsenden Schweizer Arzneimittelversender zunimmt.                                                                                                                                         



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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