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Digitalisierung in der ambulanten Versorgung
Die Ärzte sind auf einem guten Weg
Erkenntnisse zur Digitalisierung der Arztpraxen liegen bislang nur lückenhaft vor. Nun bringt eine Erhebung des IGES-Instituts Licht ins Dunkel der Datenverarbeitung und Kommunikation in deutschen Sprechzimmern. So schlecht sieht es danach gar nicht aus, aber es gibt auch noch viel Nachholbedarf.
Alle reden von der Digitalisierung des Gesundheitswesens, die die Leistungserbringer in Zukunft in die Pflicht nehmen wird. In der ambulanten Versorgung ist sie derzeit noch sehr unterschiedlich weit fortgeschritten. Dies zeigt das PraxisBarometer Digitalisierung, das IGES-Wissenschaftler im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erstellt haben.
Es handelt sich um die erste repräsentative Erhebung dieser Art. Im Mai 2018 wurden rund 7.000 Praxen angeschrieben und zu dem Thema befragt. Die Antworten von 1.764 Praxen konnten ausgewertet werden. Am weitesten sei die Digitalisierung in Praxen mit spezialisiert oder interdisziplinär tätigen Fachärzten und in größeren Praxen fortgeschritten, schreiben die IGES-Autoren in einer zusammenfassenden Mitteilung ihrer Ergebnisse. Außerdem seien jüngere Ärzte und Psychotherapeuten bei der Digitalisierung weiter beziehungsweise aufgeschlossener als ältere.
Intern geht es weitgehend digital zu
Einige weitere allgemein geltende Erkenntnisse: Praxisintern erfolgt derzeit vor allem das Praxismanagement digital. In rund der Hälfte der Praxen sind die Patientendokumentation (58 Prozent) sowie die Terminplanung und das Wartezeitenmanagement digitalisiert (56 Prozent). Je größer die Praxis nach Anzahl tätiger Ärzte, desto stärker kommen digitale Anwendungen zum Praxismanagement zum Einsatz. Rund 89 Prozent der Praxen mit fünf Ärzten oder mehr arbeiten mit mehrheitlich digitalisierter Patientendokumentation.
Drei Viertel nutzen medizintechnische Geräte etwa für Ultraschalluntersuchungen oder Herzuntersuchungen (Elektrokardiogramm, EKG) mit digitalen Schnittstellen zum Übertragen von Messergebnissen. Jedoch sind die Geräte aber bei etwa mehr als einem Drittel (37 Prozent) davon noch nicht mit dem EDV-basierten Praxisverwaltungssystem (PVS) verbunden.
Hausärzte setzen häufiger auf Ferndiagnostik und Telemedizin
So viel zu den allgemeinen Trends. Die Hausärzte setzen nach den IGES-Ergebnissen in manchen Punkten besondere Akzente. Während insgesamt 14 Prozent der Arztpraxen Geräte für die Ferndiagnostik (zum Beispiel zur digitalen Übertragung von Messwerten des Blutdrucks, Gewichtsverlaufs oder der Gerinnungsfaktoren) nutzen, sind es bei den Hausarztpraxen gut ein Fünftel. Ebenso viele nutzen die Möglichkeiten der Telemedizin. Außerdem verwenden rund 60 Prozent der Allgemeinarztpraxen digitale Anwendungen für die Arzneimitteltherapiesicherheit (zum Beispiel zum Erkennen von Arzneimittelkontraindikationen). Bei den Praxen der spezialisierten und gesonderten fachärztlichen Versorgung ist dieser Anteil mit rund einem Drittel deutlich geringer. Die IGES-Autoren erklären dies unter anderem damit, dass diese Gruppe auch Fachrichtungen umfasst, die typischerweise keine Arzneimittel verordnen (zum Beispiel Radiologen).
Kommunikation der Ärzte untereinander vielfach noch analog
„Für die Praxen der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten können wir heute mit Fug und Recht sagen: Digitalisierung ist kein Fremdwort, sondern längst Bestandteil des Praxisalltags“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Thomas Kriedel bei der Vorstellung des neuen PraxisBarometers. „Wo es hingegen noch hapert, ist bei der Kommunikation außerhalb des KV-Systems, insbesondere zwischen Praxen und Krankenhäusern. Dabei ist es gerade der sektorenübergreifende Austausch, der von allen Akteuren gewollt und auch mit dem höchsten Mehrwert belegt wird.“
Tatsächlich läuft die schriftliche Kommunikation der Ärzte untereinander oder mit anderen ambulanten Einrichtungen derzeit bei rund 86 Prozent der Praxen entweder mehrheitlich oder nahezu komplett in Papierform. Zwar empfangen die Praxen Labordaten meist digital (86 Prozent der Hausärzte). Deutlich seltener werden aber Befunddaten (17 Prozent), Arztbriefe (13 Prozent) oder Bildmaterial zur Diagnostik (11 Prozent) ohne Papier transferiert. Auch die Kommunikation mit Krankenhäusern erfolgt weitestgehend (zu über 90 Prozent) analog.
Was wird gewünscht, was eher nicht?
Rund 13 Prozent der Praxen kommunizieren mindestens zur Hälfte auf digitalem Weg mit ihren Patienten, und zwar bevorzugt per E-Mail. Das Angebot sonstiger Online-Services, wie Online-Terminvereinbarung oder -Rezeptbestellung oder auch die digitale Übermittlung von Unterlagen aus der Patientendokumentation ist nach der Erhebung gegenwärtig allerdings noch begrenzt. Rund 60 Prozent der Praxen bieten nichts davon. Knapp 30 Prozent würden ihren Patienten zukünftig aber gerne digitale Rezepte, Überweisungen und Bescheinigungen zur Verfügung stellen und 44 Prozent der Hausarztpraxen einen elektronischen Medikationsplan. Deutlich zurückhaltender bewerten die Ärzte laut IGES dagegen den Mehrwert von Online-Sprechstunden, Gesundheits-Apps zur Datensammlung sowie Online-Diagnosen/-Therapien. Das größte Hemmnis der Digitalisierung in den Praxen sind aus Sicht der Mediziner Sicherheitslücken in den EDV-Systemen, gefolgt von deren Fehleranfälligkeit.
Halbgare Lösungen bringen nichts
„Die Digitalisierung bietet auch im Gesundheitswesen viele Möglichkeiten, die Zukunft sinnvoll, also patientengerecht, zu gestalten“, glaubt Kriedel. „Unser PraxisBarometer zeigt, dass wir hier bereits auf einem guten Weg sind. Allerdings dürfen wir nicht nach der Hälfte stehen bleiben. Es nützt wenig, wenn ein Arzt ein Formular zwar am Computer ausfüllen kann, es hinterher aber ausdrucken und in einen Briefumschlag stecken muss.“ Mit solchen „halbgaren“ Lösungen werde man die Ärzte zu Recht nicht überzeugen können.
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