Kontraste testet DrEd & Co.

TV-Sendung: Riskante Rx-Arzneimittel vom Online-Arzt 

Berlin - 23.11.2018, 16:30 Uhr

Die ARD-Sendung Kontraste zeigt, welchen Risiken sich Patienten bei der Nutzung von Fernarztportalen aussetzen. Bei ihren Recherchen erhielt die Redaktion auch ein Rx-Arzneimittel ohne Originalverpackung und Beipackzettel. (b/Foto: Screenshot Kontraste)

Die ARD-Sendung Kontraste zeigt, welchen Risiken sich Patienten bei der Nutzung von Fernarztportalen aussetzen. Bei ihren Recherchen erhielt die Redaktion auch ein Rx-Arzneimittel ohne Originalverpackung und Beipackzettel. (b/Foto: Screenshot Kontraste)


Die Bundesregierung will das sogenannte Fernverordnungsverbot in Deutschland wieder aufheben. Das vor etwa zwei Jahren eingeführte Verbot sollte verhindern, dass Online-Praxen wie DrEd aus London Patienten hierzulande Rezepte ausstellen. Das ARD-Magazin Kontraste hat verschiedene ausländische Fernarztportale getestet und dabei erhebliche Risiken für die Patientensicherheit festgestellt.

Ohne Arztbesuch an verschreibungspflichtige Medikamente zu kommen, klingt für manche verlockend. Dass Bequemlichkeit auch riskant sein kann, zeigte die Sendung ARD-Kontraste vom gestrigen Donnerstag. Das Kontraste-Team hatte dazu verschiedene ausländische Online-Arztpraxen getestet und über ihre Erfahrungen mit Experten gesprochen.

Was in Deutschland derzeit verboten ist, ist in England nämlich bereits legal: Auf Portalen wie etwa „DrEd“, „Fernarzt“ oder „doktoronline“ lassen sich rezeptpflichtige Medikamente mit wenigen Klicks bestellen. Der Nutzer füllt online einen kurzen Fragebogen aus, den angeblich ein „echter“ Arzt überprüft. Die verschreibungspflichtigen Arzneimittel werden dann von einer beauftragten Versandapotheke direkt nach Hause geschickt. Der Patient trägt die Arzneimittel- und Versandkosten sowie eine Beratungsgebühr selbst.

Bequemlichkeit mit Risiken

Und leider auch die Risiken, erklärt die Kieler Frauenärztin Dr. Doris Scharrel in der Sendung. So sei es unverantwortlich, dass Patientinnen im Netz Kontrazeptiva erhalten, ohne zuvor, wie gesetzlich vorgeschrieben, untersucht zu werden oder über das Thromboserisiko aufgeklärt zu werden. „Das finde ich sehr gefährlich und das stellt das ganze Sicherheitssystem, das wir für eine Frau in Deutschland aufgebaut haben, infrage", betont die Gynäkologin in der Sendung.

Fehlende Überprüfung

Die Strategie der Portale setzt zum einen auf Bequemlichkeit, zum anderen auch auf Schamgefühle der Patienten bei sensiblen Indikationen – so lassen sich problemlos verschreibungspflichtige Abmagerungs- und Potenzmittel oder Antibiotika gegen übertragbare Geschlechtskrankheiten erwerben.

Die fehlende Kontrolle vereinfache den Missbrauch, erläutert Niels Eckstein, Professor für Pharmakologie an der Hochschule Kaiserslautern. So ließe sich in dem Online-Fragebogen problemlos ein viel zu hohes Körpergewicht eingeben, um an Appetitzügler zu gelangen und diese zum Aufputschen zu schlucken.

Umgekehrt kann der Patient nicht überprüfen, ob tatsächlich ein Mediziner seine Angaben auswertet. Außerdem können über diese Vertriebswege möglicherweise auch Fälschungen eingeschleust werden. So kam beispielsweise bei den Testkäufen des Kontraste-Teams ein Arzneimittel ohne Originalverpackung und Beipackzettel an, was ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz ist.

Online-Ärzte entspannt

Für DrEd zahlt sich die eigene Marketingstrategie offenbar aus – nach eigenen Angaben haben die Online-Ärzte bereits über zwei Millionen Video-Sprechstunden durchgeführt. Die Gefahr für die Patienten schätzt DrEd-Gründer David Meinertz als gering ein: „Der Arzt entscheidet in jedem Einzelfall, wie auch der Kollege in der Arztpraxis vor Ort". Auch Start-Up-Unternehmer und Gründer von Fernarzt, Eckhardt Weber, verteidigt in der Sendung sein Geschäft. „Ich glaube, da halten wir mit unserem Konzept alle Standards ein“, so Weber.

BMG forciert E-Rezept 

Auch in Deutschland gibt es inzwischen Online-Sprechstunden. Auf dem Deutschen Ärztetag wurde eine Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes in die Muster-Berufsordnung aufgenommen. Noch scheinen nicht alle Bundesländer geschlossen dahinter zu stehen.

Baden-Württemberg war das erste Bundesland, das seine Berufsordnung dahingehend änderte, dass Behandlungen auch ausschließlich per Video stattfinden können. Inzwischen gibt es dort auch mehrere Anbieter, die solche Spechstunden anbieten. Im kommenden Jahr wollen sich die Apotheker (Kammer und Verband) mit dem E-Rezept am DocDirekt-Modell der KV Baden-Württemberg beteiligen.

Die Bundesregierung will nun auch elektronische Fernverordnungen ermöglichen. Im ersten Entwurf zum GSAV ist davon die Rede, dass das 2016 vom Bundestag beschlossene Verbot wieder aufgehoben werden soll. Und auch beim Thema E-Rezept macht das BMG Druck: Bis zum Frühjahr 2020 sollen Ärzte, Kassen und Apotheker die rechtlich nötigen Rahmenbedingungen für die digitale Verordnung etablieren.

Klein-Schmeink: Spahn vergisst Patientenschutz

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Maria Klein-Schmeink kritisiert, dass Gesundheitsminister Spahn in seinen Digitalisierungs-Plänen den Patientenschutz nicht ausreichend berücksichtige. Die Gesundheitspolitikerin fordert Kontrollen und klare Regelungen. „Wir brauchen auch ganz klar eine Regelung dafür, wann Fernbehandlung nicht stattfinden darf", so die Gesundheitspolitikerin in der Sendung.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Fernverordnung - e-rezept

von Ratatosk am 26.11.2018 um 9:52 Uhr

Nun sollte auch der letzte Unwissende erkennen können, daß dies alles zur Strategie der Umlenkung und Förderung der Großkonzerne gehört. Nur so funkioniert das digital im geschlossenen Kreis der Begünstigten und spart diesen Geld um noch mehr Milliardäre zu kreieren, während der Rest einfach abstirbt. Das Konzept ist aus deren Sicht genial, für alle anderen katastrophal.
Die Toten für den Quatsch wird die Politik schon anderen unter den Teppich kehren. Anabolika, Schlafmittel etc etc. sind kein Problem mehr, kleine Anleitung nach London oder sonstwohin und angeschloßene Apotheke, mehr brauchts nicht mehr.

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Kontraste oder was

von Dr. Andreas van de Valk am 23.11.2018 um 17:35 Uhr

Wie schön das Kontraste berichtet. Vielleicht so genial recherchiert wie am 12.7.2018?

Im "Lunapharm-Skandal" hat Kontraste schlicht die Unwahrheit berichtet Bereits 15 Tage nach der ersten Ausstrahlung hat die Leiterin der griechischen Arzneimittelaufsicht Stamati den europäischen Kollegen in einer RAS-Meldung (HMA WGEO) zur Kenntnis gebracht (Google Translator):

".... Wir möchten darauf hinweisen, dass es unserer Agentur keinen offiziellen Bericht über den Diebstahl von Arzneimitteln dieser Kategorie durch ein Krankenhaus oder einen Großhändler gab. Wir schätzen, dass die vertriebenen Produkte trotz der Tatsache, dass sie gefälscht wurden (fehlende Dokumentationsgeschichte), tatsächlich diejenigen waren, die die Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen für den griechischen Markt freigegeben haben..."

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