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Schweiz
Verteuern Apotheker und Großhändler die Arzneimittelabgabe?
Schweizer Apotheken und Pharma-Großhändler wollen den Vertrieb für Medikamente massiv verteuern. So lautet ein aktueller Vorwurf in der Schweizer Presse. Sie machten damit ein großes Sparpotenzial zunichte. Worum geht es konkret?
Derzeit ist in der Schweiz eine Änderung der Vertriebszuschläge für erstattungsfähige Arzneimittel in der Beratung. Hiermit sollen negative Anreize bei der Abgabe und beim Verkauf von Medikamenten vermindert und die Abgabe preiswerter Generika gefördert werden. Zudem werden die Parameter für die Berechnung des Vertriebsanteils aktualisiert. Die Anhörung zur Änderung der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) läuft noch bis zum 14. Dezember 2018.
Preisbezogener Zuschlag und Fixzuschlag
Seit der Einführung der leistungsorientierten Abgeltung (LOA) im Jahr 2001 wird die Leistung der Apotheker in der Schweiz nicht mehr primär über die Handelsmarge abgegolten. Sie soll primär die Infrastruktur- und Logistikkosten abdecken. Der Vertriebsanteil, mit dem die Apotheken auch die Großhändler bezahlen müssen, wird vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) festgelegt. Er besteht aus einem preisbezogenen Zuschlag auf den Fabrikabgabepreis (FAP, Prozentmarge) und einem Zuschlag je Packung (Fixmarge). Derzeit liegt der preisbezogene Zuschlag für Arzneimittel mit einem FAP bis 879,99 Franken bei zwölf Prozent, zwischen 880 und 2569,99 Franken gibt es sieben Prozent und bei darüber liegenden FAP entfällt der Zuschlag. Die Fixzuschläge je Packung sind progressiv gestaffelt und reichen von vier Franken (FAP bis 4,99 Franken) bis 240 Franken (FAP ab 2570 Franken).
Preisbezogener Zuschlag neu kalkuliert
Für die geplante Anpassung des preisbezogenen Zuschlags wurden die Parameter zu dessen Berechnung, darunter auch die Grossistenmarge, neu kalkuliert. Sie soll höher veranschlagt werden, meinen die Verbände der betroffenen Distributoren Pharmalog und pharmaSuisse. Kumuliert ergibt sich nach Neuberechnung der Parameter durch das BAG ein neuer preisbezogener Zuschlag von neun Prozent auf den Fabrikabgabepreis. Die bestehenden Preisklassen für die Packungszuschläge sollen von sechs auf fünf verringert und neu strukturiert werden. Es wird vorgeschlagen, die unteren drei zusammenzufassen und bis zu einem Fabrikabgabepreis von 24.99 Franken auszuweiten. Damit würden in Zukunft mengenmäßig 68 Prozent des Arzneimittelverkaufs in der gleichen Preisklasse abgegolten. Außerdem soll die Grenze der höchsten Preisklasse erhöht werden und erst ab einem FAP 3070 Franken gelten.
Zwei Varianten
Interessanterweise hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) zwei Varianten in die Anhörung geschickt:
Variante I sieht den betriebswirtschaftlich ermittelten preisbezogenen Zuschlag von neun Prozent einheitlich für die gesamte Preisspanne bis 3069.99 Franken (FAP) vor. Er läge also niedriger als bisher. Der Packungszuschlag für die tiefpreisigen Arzneimittel fiele in dieser Variante mit neun Franken dagegen durchschnittlich höher aus, womit sich diese relativ deutlich verteuern würden.
Variante II würde für die tiefpreisigen, umsatzstarken Arzneimittel einen höheren preisbezogenen Zuschlag einführen (25 Prozent des FAP) und sieht für dieses Segment gleichzeitig einen leicht tieferen packungsbezogenen Zuschlag von sieben Franken vor. Der Nachteil aus Sicht des BAG wäre hierbei der mögliche Fehlanreiz, in dieser Preisklasse eher ein teureres Arzneimittel abzugeben als ein günstigeres.
Schwellenwerte würde es bei beiden Varianten zwar immer noch geben, doch hätten diese in Relation zum Fabrikabgabepreis der jeweiligen Preisklasse eine weitaus geringere Hebelwirkung auf den Umsatz der Leistungserbringer als bisher, meint das BAG.
Einsparvolumen von 47 Millionen Franken
Für beide Varianten erwartet das Bundesamt ähnlich große Einsparungen zu Gunsten der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) von ungefähr 47 Millionen Franken. Geschätzte 26 Millionen davon würden zu Lasten der Apotheken gehen. Rund 14 Millionen entfielen auf die selbstdispensierenden Ärzte, der Rest auf die Krankenhausapotheken. Für neu zugelassene Arzneimitteln soll der neue Vertriebsanteil per 1. Juli 2019 gelten und für bereits zugelassene per 1. Dezember 2019.
Sparpotential deutlich größer?
Das Sparpotenzial sei jedoch deutlich grösser, meint der „Blick“. Das Nachrichtenportal hält stattdessen ohne weiteres Preissenkungen von mindestens 147 Millionen Franken für möglich, würden die Pharma-Großhändler die Revision nicht dazu nutzen, um ihre Margen zu erhöhen, so der Vorwurf. Statt wie bisher 4,5 verlangten sie künftig sieben Prozent. Unterstützt würden sie dabei von den Apothekern, „eine interessante Allianz“. Die Begründung der Verbände pharmaSuisse und Pharmalog aus dem Mund von Pharmalog-Präsident René Jenny: „Die Preise für die Medikamente ab Fabrik sind stark gesenkt worden.“ Deshalb brauche es prozentual mehr, damit die Apotheker die Logistikkosten decken könnten.
Der Verband der Krankenversicherer könne diese Begründung jedoch nicht nachvollziehen und verweise auf die Großhandelsmarge in Deutschland von 3,15 Prozent. Santésuisse habe für den „Blick“ berechnet, was das bedeuten würde und meine, dass der Betrag zugunsten des Großhandels damit um mindestens 100 Millionen Franken auf insgesamt 330 Millionen steigen würde.
Kostendämpfung wird „sabotiert“
Zwar wolle man beim Gesundheitssystem sparen, doch neue Gesetze und Forderungen sabotierten dieses Vorhaben, heißt es auch in dem Portal „20min.ch“. Gemeint ist damit ebenfalls die Forderung der Apotheker und Grossisten nach einer höheren Vertriebsmarge. Auch hier äußert sich der Krankenversicherungsverband Santésuisse kritisch: „Es ist sehr fragwürdig, die Margen, die in der Schweiz schon heute hoch sind, noch mehr erhöhen zu wollen“, sagt Sprecher Christophe Kaempf gegenüber „20min.ch“. Dies sei nicht im Interesse der Prämienzahler.
Als
weitere kontraproduktive Maßnahme im Sinne der Kostendämpfung führt das Portal
den erhöhten Aufwand der Apotheken infolge der Umteilung der bisherigen Abgabekategorie
C-Arzneimittel an. Etwa 100 Präparate wandern infolgedessen in die
Abgabekategorie B.
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Werden die Mittel nicht von einem Arzt verschrieben, so dürfen die Apotheker diese zwar weiterhin ohne Rezept abgeben, müssen aber ein Beratungsgespräch durchführen und die Abgabe des Medikaments dokumentieren. Kritiker befürchten dadurch millionenschwere Mehrkosten im Gesundheitssystem.
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