Herbstkongress LAK BW

Osteoporoserisiko: Wie kann die Apotheke helfen?

Heidelberg / Stuttgart - 26.11.2018, 16:15 Uhr

Dr. Verena Stahl erklärte, wie sich die Apotheke in der Osteoprorose-Prävention einbringen kann. (Foto: cst / DAZ)

Dr. Verena Stahl erklärte, wie sich die Apotheke in der Osteoprorose-Prävention einbringen kann. (Foto: cst / DAZ)


Macht eine Ultraschallknochenmessung in der Apotheke Sinn? Wie können Apotheker Osteoporosekandidaten viel effektiver erkennen?Und was haben Benzodiazepine, Teppiche und Türschwellen gemeinsam? Auf kompetent-charmante Art erklärte Dr. Verena Stahl beim Herbstkongress der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg wichtiges und doch häufig versäumtes zur Osteoporose.

Osteoporose ist eine systemische Skeletterkrankung, die Knochenmasse ist reduziert, auch die Mikroarchitektur des Knochens ist verändert – so lautet die Definition der Osteoporose. Anschaulicher erklärte Dr. Verena Stahl ein solch verändertes Knochengerüst beim Herbstkongress der Landesapothekerkammer (LAK) Baden-Württemberg am vergangenen Wochenende in Heidelberg: „Die Mikroarchitektur eines osteoporotischen Knochens ist wie ein poröser Zwieback“. Und was vielleicht bei einem Zwieback noch als Qualitätskriterium der Frische gewertet wird – das knuspernde Geräusch beim Brechen –, will im Gegenteil dazu beim Knochen tatsächlich niemand hören.

Risikogruppe: sehr schlanke Mädchen mit veganer Ernährung

Nun gibt es bestimmte „Kandidaten“, die in besonderem Maße für die Entwicklung einer Osteoporose prädestiniert sind. Manche Risikofaktoren muss man einfach akzeptieren, wie eine genetische Disposition. Andere hingegen können Patienten durchaus selbst beeinflussen. So fördert Rauchen die Gefahr einer Osteoporose erheblich: Nicotinkonsum verdoppelt das Osteoporoserisiko. „Wenn Sie rauchen, hören Sie auf damit“, mahnt die Apothekerin und zitiert bei dieser prophylaktischen Maßnahme unisono die Meinung der Fachgesellschaft und die Empfehlungen der Leitlinien.

Auch das Gewicht leistet seinen Beitrag zum Schutz vor Osteoporose. Vor allem Patienten mit Untergewicht und einem Body Mass Index kleiner 20 kg/m2 sind gefährdet. Untergewicht sei vor allem bei jungen Patientinnen häufig ein Riesenthema. Verzichteten die Mädchen zusätzlich zu ihrer schlanken Linie auch noch aufgrund einer veganen Ernährung auf Milch und Milchprodukte sei dies in besonderem Maße kritisch. In jungen Jahren erfolgt der Aufbau der Knochenmasse. „Wenn wir als junge Mädchen nicht genügend Milch und Milchprodukte konsumieren, dann haben wir später ein Problem“. Man könne dieses Defizit in späteren Jahren nicht mehr aufholen. Ein erhöhtes Risiko können auch Spitzensportlerinnen haben – obwohl sie ihre Muskeln und Knochen durch Bewegung sicherlich ausreichend stimulieren. Hier können jedoch zu niedrige Östrogenspiegel die Knochengesundheit gefährden. Vor allem das Ausbleiben der Periode sollte als Warnsignal erkannt werden.

Viele Patienten wissen zwar vage um ihr Risiko für Osteoporose – sei es, dass die Eltern bereits Frakturen erlitten haben und genetische Prädisposition besteht, es an ausreichend Bewegung hapert oder die Ernährungsgewohnheiten suboptimal sind. Sie ändern aber nichts in ihrem Verhalten. Zu ungreifbar scheint die Gefahr. Hier ist nach Ansicht Stahls auch die Apotheke gefordert: „Wir müssen den Kunden ihr Osteoporoserisiko schwarz auf weiß vor Augen führen“, sagt Verena Stahl. Aber wie?

Ultraschallmessung der Knochen in Apotheken wenig sinnvoll

Wenig zielführend und aussagekräftig sind ihrer Meinung nach Ultraschallmessungen, die im Rahmen von Aktionstagen zur Knochengesundheit in Apotheken teilweise angeboten werden. Zwar würden diese Angebote von den Kunden meist „hervorragend angenommen“ – weil eine Knochendichtemessung beim Arzt um ein Vielfaches teurer sei. Doch: „Eine Ultraschallmessung ist kein Qualitätskriterium, anhand dessen sich feststellen lässt, ob jemand an Osteoporose leidet oder nicht", so Stahl. Zumal Apotheker zur Diagnosestellung auch rechtlich nicht die Befugnis haben. Eine solche Messung gebe lediglich einen ersten Anhaltspunkt. „Viel lieber wäre mir, wenn wir einen Osteoporosetag nicht mit dem Messgerät verbringen, sondern im Gespräch mit dem Kunden".

In einer Minute das Osteoporoserisiko abschätzen

Verena Stahl empfiehlt den Ein-Minuten-Osteoporose-Risikotest der IOF, Interantional Osteoporosis Foundation. 19 einfache Fragen geben bei diesem Test Aufschluss über die Knochengesundheit. Fragen, die der Apotheker gemeinsam mit dem Patienten beantworten soll, klären den Alkoholkonsum, das Ernährungsverhalten, beispielsweise, ob man Milchprodukte meidet, die Zeit, die in der Sonne verbracht wird (Vitamin-D-Status) und das Körpergewicht. Auch auf Arzneimitteleinnahmen wie Cortison prüft der Fragebogen oder Magen-Darm-Erkrankungen, die mit Resorptionsstörungen einhergehen (Morbus Crohn) oder eine mögliche Eierstockentfernung vor dem 50. Lebensjahr (potenzieller Estrogenmangel). Der Test ist einfach, kurz, es gibt ihn in vielen Sprachen und er funktioniert auch online. Als positiv erachtet Stahl vor allem, dass bei der abschließenden Analyse auch auf die einzelnen Risikofaktoren eingegangen wird.

Der Osteoporose-Risikotest steht hier zum Download bereit.

Die große Gefahr ist der Sturz!

Ein Thema, was nach Ansicht von Verena Stahl bislang in der Gesellschaft zu wenig Aufmerksamkeit genießt, obwohl auch die Leitlinien ausführlich darauf eingehen, ist die Sturzprävention. „Wichtig ist, gut auf sich und auf den eigenen Haushalt aufzupassen“, erklärt Verena Stahl. Welche Stolperfallen lauern hier vielleicht? „Die beste Medikation nützt nichts, wenn Sie mehrfach im Jahr über einen rutschigen Teppich oder eine Türschwelle stolpern und stürzen“. Und weiter: „Die große Gefahr ist der Sturz“. Es mache viel Sinn, sich mit diesen eigentlich einfachen sturzpräventiven Geschichten auseinanderzusetzen – auch wie die Beleuchtung im Haus vielleicht ist oder ob manche Patienten vielleicht auch von einer Gehhilfe profitieren. Eine Sturzprävention gewinnt vor allem zusätzlich an Bedeutung, macht man sich klar, dass Osteoporosepatienten bereits Wirbelkörperfrakturen erleiden, nur weil sie Alltagsgegenstände anheben.

Als Arzneimittelexperten sollte daneben der Blick des Apothekers natürlich auch potenziell ungeeigneten Arzneimitteln gelten: Nehmen die Patienten Arzneimittel, die die Kognition beeinträchtigen oder die Muskelkraft schwächen, wie Benzodiazepine?Werden Diuretika auch nicht zu spät am Tag verabreicht und Patienten gehen nachts auf die Toilette? Und sind diese Medikamente wirklich alle erforderlich? Diese kritischen Fragen gelte es im Beratungsgespräch der Apotheke zu stellen, so Stahl.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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