Deutscher Zukunftspreis 2018

Forscherteam für innovatives Virenschutz-Arzneimittel ausgezeichnet

Berlin - 29.11.2018, 14:45 Uhr

Verleihung des Deutschen Zukunftspreises 2018: Dr. rer. nat. Holger Zimmermann, Prof. Dr. rer. nat. Helga Rübsamen-Schaeff, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender. (Foto: Deutscher
Zukunftspreis/ bildschön )

Verleihung des Deutschen Zukunftspreises 2018: Dr. rer. nat. Holger Zimmermann, Prof. Dr. rer. nat. Helga Rübsamen-Schaeff, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender. (Foto: Deutscher Zukunftspreis/ bildschön )


Der Deutsche Zukunftspreis 2018 geht an Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff und Dr. Holger Zimmermann von der AiCuris Anti-infective Cures GmbH für die Entwicklung eines innovativen Virenschutz-Medikamentes. Am 28. November übergab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ehrung im Rahmen einer festlichen Veranstaltung in Berlin.

Am gestrigen Abend übergab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Deutschen Zukunftspreis 2018 an die Chemikerin Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff und den Biologen Dr. Holger Zimmermann von der AiCuris Anti-infective Cures GmbH aus Wuppertal. Das Team um Rübsamen-Schaeff und Zimmermann wurde für ihre Arbeiten beim Projekt „Schutz bei fehlendem Immunsystem – die lebensrettende Innovation gegen gefährliche Viren" ausgezeichnet. Die Forscher entwickelten das – nach eigenen Angaben – „weltweit erste und bislang einzige“ Medikament, das Patienten nach einer Knochenmarktransplantation vorbeugend vor potenziell lebensgefährlichen Infektionen mit dem Humanen Cytomegalievirus (CMV) schützen soll.

Der mit 250.000 Euro dotierte Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation wird seit 1997 jährlich vergeben und würdigt herausragende Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Entscheidend ist der wissenschaftlich-technische Innovationsgrad der Entwicklungen. Zudem berücksichtigt die Jury aus unabhängigen Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis, dass die Forschung zu marktreifen Produkten führt und Arbeitsplätze schafft. Neben Rübsamen-Schaeff und Zimmermann waren zwei weitere Forscherteams für ihre Arbeiten im Bereich des Maschinenbaus und der Wasserstofftechnik nominiert. Sie wurden mit Urkunden geehrt und in den sogenannten „Kreis der Besten“ aufgenommen. 

Letermovir zur Vorbeugung gegen Cytomegalie-Virus

Das Team um Rübsamen-Schaeff und Zimmermann wurde für die Entwicklung und Vermarktung des Wirkstoffes Letermovir gegen CMV-Infektionen ausgezeichnet. Letermovir verfügt über einen neuartigen Wirkmechanismus und kann – das ist das Besondere – schon präventiv gegen Infektionen mit dem Humanen Cytomegalievirus (CMV), das zu den Herpes-Viren gehört, eingesetzt werden. Letermovir gehört zu einer neuen Klasse nicht-nukleosidischer CMV-Inhibitoren (3,4‑Dihydrochinazoline). Der Wirkstoff blockiert gezielt die Virusreplikation. Zudem ist Letermovir selektiv gegen das CM-Virus wirksam. Darüber hinaus bestehen aufgrund des neuen Wirkprinzips keine Kreuzresistenzen zu Medikamenten anderer Wirkstoffklassen.

Letermovir wird unter dem Markennamen PREVYMIS® seit 2012 von MSD vertrieben. MSD hat die weltweiten Rechte zur weiteren Entwicklung und Vermarktung von Letermovir erworben. Das Medikament ist zur Anwendung bei Erwachsenen nach Erhalt einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSCT) zugelassen. Letermovir kann prophylaktisch eingesetzt werden und ist in der Lage, die Patienten, deren Immunsystem aufgrund der Vorbereitung auf die Knochenmarktransplantation „runtergefahren“ wurde, gegen die für sie lebensgefährlichen Infektionen durch das CM-Virus zu schützen. Andere Arzneimittel, die normalerweise gegen CMV-Infektionen eingesetzt werden, könnten bei transplantierten Patienten aufgrund ihrer schweren Nebenwirkungen nicht zum vorbeugenden Schutz eingesetzt werden. Letermovir ist in Europa, der Schweiz, den USA, in Kanada und Japan zugelassen.

Humanes Cytomegalievirus – Gefahr bei Immunschwäche

Das CM-Virus ist weit verbreitet. Für Menschen mit einem gesunden Immunsystem stellt das Virus in der Regel jedoch keine Gefahr dar. Im Gegenteil bemerken viele Menschen die Infektion gar nicht. Eine hohe Verbreitungsrate findet sich vor allem in ärmeren Ländern. Dort wird von einer „Durchseuchungsrate“ von 90-100 Prozent ausgegangen. Auch in Industrieländern ist das Virus – beziehungsweise sind die Anti-Körper im Blut – bei ungefähr 50 Prozent der Bevölkerung anzutreffen. Die Menschen sind seropositiv, das heißt, sie haben schon einmal Kontakt mit dem Virus gehabt.

Bei einer Schwächung des Immunsystems kann das Virus zu schweren Erkrankungen wie Lungenentzündungen, Schädigungen des Magen-Darm-Traktes und Retinitiden führen. Für zwei Drittel der weltweit jährlich rund 60.000 knochenmarktransplantierten Patienten wird eine Gefährdung durch das CM-Virus angenommen. Für sie stellt eine Infektion mit dem Humanen Cytomegalievirus aufgrund der Möglichkeit des Transplantatversagens eine potenziell tödliche Komplikation dar. Letermovir wird das Potential zugeschrieben, auch die Behandlung weiterer Patientengruppen zu „revolutionieren“. Gedacht wird hierbei unter anderem an Empfänger anderer Organtransplantationen und Aids-Patienten.

Innovative Anti-Infektiva-Forschung aus Wuppertal

Die AiCuris Anti-infective Cures GmbH wurde 2006 als Spin-Off der Bayer AG von Rübsamen-Schaeff gegründet. Die Chemikerin leitete bis 2015 als CEO die Firma und ist seitdem als Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates tätig. Zimmermann ist CEO des Wuppertaler Unternehmens. AiCuris Anti-infective Cures gibt an, sich in erster Linie auf die Erforschung und Entwicklung von Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten zu konzentrieren. Neben der Entwicklung von Letermovir arbeite das Unternehmen an Arzneimitteln gegen verschiedene Viren wie das Herpes-simplex-Virus (HSV) und das Hepatitis-B-Virus (HBV). Zudem werde an Behandlungsmöglichkeiten gegen (multi)-resistente Krankenhauserreger geforscht.



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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