Pro Generika Stellt Studie Vor

Wie ließe sich die Antibiotikaproduktion nach Europa zurückholen?

Berlin - 30.11.2018, 10:15 Uhr

Pro Generika-Vorsitzender Wolfgang Späth, Michael Hennrich (CDU), Moderator Elmar Esser, BfArM-Präsident Karl Broich und Morris Hosseini (Roland Berger) (v. li. n. re.) diskutierten über die Möglichkeiten, die Antibiotikaproduktion nach Europa zurückzuholen. ( r / Foto: @sveapietschmann)

Pro Generika-Vorsitzender Wolfgang Späth, Michael Hennrich (CDU), Moderator Elmar Esser, BfArM-Präsident Karl Broich und Morris Hosseini (Roland Berger) (v. li. n. re.) diskutierten über die Möglichkeiten, die Antibiotikaproduktion nach Europa zurückzuholen. ( r / Foto: @sveapietschmann)


Antibiotika wieder in Deutschland oder jedenfalls in Europa herstellen – das wünscht sich angesichts beständiger Lieferengpässe und wachsender Zweifel an Produktionsstandorten in Asien fast jeder. Aber ist dies ein realistischer Wunsch? Die Unternehmensberatung Roland Berger hat im Auftrag vom Branchenverband Pro Generika eine Machbarkeitsstudie zu dieser Frage erstellt. Ihr Fazit: Mit einer gemeinschaftlichen Initiative aller Beteiligten wäre es möglich.

Der wachsende Kostendruck hierzulande sowie die vorhandenen Produktionskapazitäten in Niedriglohnländern haben dazu geführt, dass wir abhängig geworden sind von wenigen Wirkstoffherstellern und Antibiotikaanbietern, die zumeist in Asien produzieren. Die Herstellung und der Vertrieb sind teilweise so unrentabel für die Unternehmen geworden, dass es für manche Wirkstoffe nur noch sehr wenige Anbieter gibt.

Die Erfahrungen mit Engpässen bei versorgungsrelevanten Wirkstoffen, insbesondere im Krankenahaus, führen zwangsläufig zu der Frage, ob die Produktion nicht nach Deutschland beziehungsweise die EU zurückverlagert werden könnte. Es ginge schon – aber es hat seinen Preis. Das zeigt die aktuelle Studie, die Dr. Morris Hosseini, Senior Partner Roland Berger, am 29. November bei einer Diskussionsveranstaltung von Pro Generika vorgestellt hat.

Kein Szenario wäre wirtschaftlich profitabel

Drei Szenarien für die Produktion von Cephalosporin-Wirkstoffen hat die Unternehmensberatung durchgerechnet: Ein niedriges, das etwa der Nachfrage in Deutschland entspricht (100 t), ein mittleres, das den Großteil des europäischen Bedarfs abdecken würde (500 t), und ein hohes, das aus produktionstechnischen Gründen wünschenswert wäre (1000 t). Keines der Szenarien erweist sich als wirtschaftlich profitabel, am wenigsten das niedrige. Der Umsatz könnte gerade mal die Personalkosten decken – die Betriebskosten jedoch keinesfalls. Auch die Investitionskosten wären hoch, da die Anlagen erst geschaffen beziehungsweise umgerüstet werden müssten. Allein die Produktion für den deutschen Markt würde zu Mehrkosten von 55 Millionen Euro führen. Für eine Tagesdosis bedeutet dies ein Plus von 46 Cent.

Laut Hosseini wäre auch dies theoretisch zu schultern. Entweder durch staatliche Eingriffe, die höhere Preise sicherstellen oder durch eine staatliche Bezuschussung der Betriebe – oder durch eine staatliche Vergütung für die Bereithaltung der Kapazitäten. Der drittgenannte Weg ist aus Hosseinis Sicht der „sortenreinste“. Grundsätzlich seien aber alle drei Wege gangbar, auch in Mischformen. Man müsste sie nur schnell angehen – und dafür bräuchte es ein echtes Commitment aller Beteiligten: der Industrie, der stationären und ambulanten Versorger, der Krankenkassen und nicht zuletzt der Politik.

Hennrich: Finanzierung wäre ein Problem

In der anschließenden Diskussion zeigte sich CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich auch grundsätzlich offen für den dritten Weg, die Vergütung für die Bereitstellung. Ein solches Modell gebe es auch schon bei Kraftwerken. Allerdings machte er auch keinen Hehl daraus, dass die Finanzierung ein Problem wäre. Hennrich sicherte aber zu, dass man im nun wieder gestarteten Pharmadialog das Thema Antibiotikaversorgung sehr ernst nehmen werde. Zum Zeithorizont etwaiger Maßnahmen wollte er keine Versprechen machen. „Ich glaube nicht, dass wir das bis Weihnachten lösen“, so Hennrich. Schon eine Lösung 2019 sei ambitioniert. Man sollte möglicherweise zunächst überlegen, ob und wie Qualitätsstandards in die Ausschreibungen der Kassen eingebaut werden könnten. Die Bereitschaft für koordinierte Aktionen gebe es in der Politik jedenfalls, betonte der CDU-Politiker. Die Arzneimittelskandale dieses Sommers hätten hier das Bewusstsein geschärft.

@sveapietschmann
BfArM-Präsident Prof. Karl Broich.

BfArM-Präsident Prof. Karl Broich, könnte dies nur begrüßen. Er gab zu bedenken, dass ein intelligenter Weg, die Produktion nach Europa zurückzuführen am Ende die preiswertere Lösung sein dürfte. Denn geht es weiter mit Engpässen und zunehmenden Resistenzen, komme dies auf die Dauer teuer zu stehen. Was eine etwaige Bezuschussung betrifft, mahnte Broich: „Wenn wir den ersten Topf aufmachen, kommen sicher gleich die nächsten Wünsche, zum Beispiel für die pädiatrische oder geriatrische Versorgung“. Nichtsdestotrotz setzt der BfArM-Chef auf ernsthafte Bemühungen, die Antibiotikaversorgung zu sichern. Unabhängigkeit und die Vermeidung weiterer Konzentration sei in aller Interesse  – und zwar in ganz Europa. Das zeigten die Arbeitsgruppen, die es bereits auf europäischer Ebene gebe. In anderen Ländern sei die Situation bereits noch problematischer als hierzulande.

Späth (Hexal): Wir haben derzeit keinerlei Anreize für eine Rückverlagerung!

Wolfgang Späth, Vorstandsvorsitzender von Pro Generika und Hexal-Vorstand, macht deutlich: Derzeit gibt es für die Hersteller keinerlei Anreize die Produktion zurückzuverlagern. Die Politik müsse nun wirklich für eine Stärkung der Versorgung sorgen – ihre letzten Gesetze, die dieses Ziel zwar im Namen tragen, taugten dafür wenig. Späth setzt nun auf den Pharmadialog und hofft mit der Studie eine Grundlage für weitere Diskussionen geliefert zu haben. Schon der letzte Pharmadialog habe bessere Ergebnisse gebracht, als gemeinhin zu hören ist, betonte Späth. „Phantastisch“ sei etwa der nunmehr regelmäßig im BfArM stattfindende Jour Fixe zu Lieferengpässen.



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