„Policy Paper“

Becker: Monopolkommission gibt „Nonsens“ von sich

Berlin - 10.12.2018, 17:55 Uhr

Auf das sogenannte Policy Paper der Monopolkommission reagiert DAV-Chef Fritz Becker prompt. (m / Foto: Schelbert)

Auf das sogenannte Policy Paper der Monopolkommission reagiert DAV-Chef Fritz Becker prompt. (m / Foto: Schelbert)


„Nonsens“ und „realitätsferne Weltidee“: DAV-Chef Fritz Becker findet klare Worte zu der erneuten Forderung der Monopolkommission zur Aufhebung der Rx-Preisbindung. Die Ideen des Gremiums zum Apothekenhonorar stehen für Becker im Widerspruch zum Solidargedanken. Die Vorschläge der Monopolkommission sind zwar nicht neu, fallen allerdings auf einen spannenden Zeitpunkt: Denn am morgigen Dienstag will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seine strukturpolitischen Pläne zum Apothekenmarkt präsentieren.

So zeitnah reagiert die bundesweite Apotheken-Standesvertretung selten: Am heutigen Montag veröffentlichte die Monopolkommission in zwei Zeitschriften Auszüge aus ihren Vorschlägen zur Reformierung des Apothekenhonorars. Kurze Zeit später folgte die Veröffentlichung des gesamten Papiers auf der Seite der Kommission und ebenso schnell danach folgte eine Stellungnahme von DAV-Chef Fritz Becker, in der er die Vorschläge des Gremiums für Nonsens erklärte.

Becker: Keine Lösung zur flächendeckenden Versorgung

Kernforderung des sogenannten Policy Papers der Kommission ist es, die Rx-Preisbindung aufzuheben. Die Apotheken sollten Rabatte gewähren dürfen, die auf die Höhe der bisherigen Zuzahlung für gesetzlich Versicherte begrenzt sein sollen. Für Kassenpatienten würde die Rezeptzuzahlung entfallen. Stattdessen sollen Apotheken ein Serviceentgelt in maximal der Höhe der Zuzahlung von fünf bis zehn Euro festlegen können. Wie die Preisgestaltung für Privatversicherte aussehen soll, wird in dem Policy Paper nicht erläutert.

Für Becker sind diese Vorschläge alles andere als lösungsorientiert: „Die Vorschläge der Monopolkommission bedeuten, dass Apotheken sich mit Rabatten unterbieten sollen, die höher sind als ihre Einnahmen. Wie man so eine flächendeckende Versorgung hinbekommen will, ist mir schleierhaft.“  

„Widerspruch zum Solidargedanken“

Durch die Aufhebung der Preisbindung soll nach Vorstellung der Monopolkommission ein verstärkter Preiswettbewerb in den Städten entstehen, wo es häufiger Überversorgung gebe. Auf dem Land dagegen sei die Konkurrenz geringer. Dadurch würde sich im Wettbewerb die vom Patienten gewünschte Mischung aus Preis und Service einstellen, schlussfolgern die Wirtschaftsexperten der Kommission.

Folgt man den Gedanken der Kommission, bedeutet dies anders ausgedrückt für Patienten aus dünn besiedelten Gegenden, dass sie die Qual der Wahl hätten: Entweder einen weiteren Weg auf sich zu nehmen, um von den Rabatten der Stadtapotheken zu profitieren oder zu einer näher erreichbaren Landapotheke zu gehen und dafür mehr für ihre Medikamente auszugeben.

Dieses Szenario kann Becker nicht gutheißen. Denn dadurch ergäbe sich ein Stadt-Land-Gefälle der Arzneimittelversorgung, das im Widerspruch zum Solidargedanken der gesetzlichen Krankenversicherung stehe.

Kommission: Kommunale Ausschreibungen für Landapotheken

Für besonders infrastrukturschwache Regionen hat die Monopolkommission noch einen weiteren Vorschlag: Sollte die Versorgung durch stationäre Apotheken in einer ländlichen Region unzureichend sein, könnten Kommunen Ausschreibungen vornehmen, auf die sich Apotheker bewerben können. Derjenige Apotheker, der den geringsten Betrag fordert, um in einem vorbestimmten Zeitraum durch die Eröffnung einer Apotheke die Versorgung in der Region sicherzustellen, bekäme den Zuschlag. Unter welchen Voraussetzungen Kommunen solche Ausschreibungen starten sollen, definieren die Monopol-Experten nicht näher.

„Versandhandel stärken, statt verbieten“

Außerdem ist der Versandhandel aus Sicht der Kommission für die Versorgung strukturschwacher Regionen wichtig und soll gezielt gefördert werden. So könnte beispielsweise die Einrichtung von Pick-Up Stellen die Abholung bestellter Medikamente erleichtern. Ein Verbot des Versands von verschreibungspflichtigen Medikamenten würde „den Weg zu Versorgungsverbesserungen im digitalen Zeitalter aufhalten“,  schreibt die Kommission.

Dem DAV-Chef fällt dabei ein Widerspruch zu dem Hauptgutachten der Monopolkommission auf, das diesen Juli veröffentlicht wurde. „Dabei hat die Monopolkommission selbst in ihrem Hauptgutachten erst jüngst davor gewarnt, dass ausgeklügelte Algorithmen bei der Preisgestaltung von Online-Angeboten Verbraucher immer öfter in Situationen bringen, in denen sie draufzahlen“, kommentiert Becker.

Veröffentlichung ein Tag vor Spahn-Präsentation

Die Monopolkommission äußerte derartige Vorschläge zur Deregulierung des Apothekenmarktes nicht zum ersten Mal. So stand die Aufhebung der Rx-Preisbindung bereits in dem Hauptgutachten vom Juli. Weshalb werden die Forderungen gerade zum aktuellen Zeitpunkt erneuert? Der Versandhandelskonflikt ist derzeit in einer spannenden Phase. Am morgigen Dienstag will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seine strukturpolitischen Pläne zum Apothekenmarkt bei der ABDA-Mitgliederversammlung präsentieren.

Becker lässt sich von den Ideen der Monopolkommission nicht beirren. „Mit solchen realitätsfernen Weltideen kommen wir nicht weiter. Vom Bundesgesundheitsminister erhoffen sich die Apotheker deshalb konkrete und praktikable Vorschläge, die die Versorgung tatsächlich verbessern und zugleich auch jungen Apothekern eine echte Perspektive geben“, so der DAV-Chef.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Stimmungsmache der Kommission

von Christian Springob am 11.12.2018 um 8:46 Uhr

Es sollen Strukturen geschaffen werden, die es überall unattraktiver machen, sich überhaupt als Apotheker niederzulassen. Und da die Apothekendichte immer geringer wird, brauchen wir dann den Versandhandel, der dann durch wenige Versandapotheken - börsennotiert, in der Hand von Saudis, die Menschenrechte mit Füßen treten - sichert. So ist wohl der Gedanke vieler vermeintlicher Experten, die von Tuten und Blasen vielleicht noch Ahnung haben, aber nicht vom richtigen Töne spielen, sprich dem üblichen Apothekenalltag. Wir sind mehr als Kaufleute, liebe Monopolkommissionisten. Wir sind vor allem Heilberufler, die tagtäglich Kosten im Gesundheitssystem sparen durch das niederschwellige Angebot, das einem Kranken bei unkomplizierten Beschwerden rasch geholfen werden kann. Außerdem beachten wir täglich die Mischverordnungen unsere Patienten durch die verschiedenen Ärzte und benötigen daher in der Tat ein gewissen Auskommen durch unsere Tätigkeiten. Und dieses Auskommen ist jetzt bereits gering. Mehr Melken geht nicht.
Ein Preiswettbewerb wäre nur dann vorstellbar, wenn wir auch wieder frei auf dem Markt RX einkaufen können. Aber unsere Einkaufsrabatte fließen seit vielen Jahren fast vollständig in die Hände der geldgeilen Krankenkassen. Das sieht jedoch niemand, schlimmer, es wird ignoriert.

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Der rote Teppich für den Versandhandel aus der EU

von Christian Springob am 11.12.2018 um 8:41 Uhr

Es sollen Strukturen geschaffen werden, die es überall unattraktiver machen, sich überhaupt als Apotheker niederzulassen. Und da die Apothekendichte immer geringer wird, brauchen wir dann den Versandhandel, der dann durch wenige Versandapotheken - börsennotiert, in der Hand von Saudis, die Menschenrechte mit Füßen treten - sichert. So ist wohl der Gedanke vieler vermeintlicher Experten, die von Tuten und Blasen vielleicht noch Ahnung haben, aber nicht vom richtigen Töne spielen, sprich dem üblichen Apothekenalltag. Wir sind mehr als Kaufleute, liebe Monopolkommissionisten. Wir sind vor allem Heilberufler, die tagtäglich Kosten im Gesundheitssystem sparen durch das niederschwellige Angebot, das einem Kranken bei unkomplizierten Beschwerden rasch geholfen werden kann. Außerdem beachten wir täglich die Mischverordnungen unsere Patienten durch die verschiedenen Ärzte und benötigen daher in der Tat ein gewissen Auskommen durch unsere Tätigkeiten. Und dieses Auskommen ist jetzt bereits gering. Mehr Melken geht nicht.
Ein Preiswettbewerb wäre nur dann vorstellbar, wenn wir auch wieder frei auf dem Markt RX einkaufen können. Aber unsere Einkaufsrabatte fließen seit vielen Jahren fast vollständig in die Hände der geldgeilen Krankenkassen. Das sieht jedoch niemand, schlimmer, es wird igonriert.

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Eindruck einer Realitäts- Umnachtung

von Dr. Detlef Eichberg am 11.12.2018 um 8:15 Uhr

Herrn Becker in allen Ehren.
Aber ich hätte mal nur drei blonde Fragen: 1) Welche Kenntnis haben die Mitglieder der Monopolkommission über die Marge einer 90%igen "Rx-Umsatz-Apotheke"? 2) Welche Kenntnis haben die Mitglieder der Monopüolkommission über die Verwaltungskosten der Krankenkassen? und 3) Wo erhalten die Mitglieder der Monopolkommission ihre Akut- und wo ihre Dauer-Medikation?
Die angedachten Unsäglichkeiten für eine Aufhebung der Preisbindung führt nicht nur zu einer kontraproduktiven Ausdünnung der medikamentösen Versorgung auf dem Lande, es ist der sicherste Weg, Landapotheken hinzurichten.
By the way: im Notdienst letzten Sonntag rund um die Uhr im hintersten Odenwald 64 Patienten - inklusive eines Vergiftungs-Notfalles (Aktivkohle in Fruchtzwerg gerührt).

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