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Interview Dr. Sabine Richard (AOK-Bundesverband)
„Diese Verbotsliste spiegelt die Ängste der Apothekerschaft“
Was sagen eigentlich die Krankenkassen zu den
Apotheken-Plänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)? In den
Eckpunkten stehen Ideen, die den Kassen nicht schmecken dürften:
Beispielsweise, dass sie Patienten nicht zu EU-Versendern lotsen dürfen oder
dass sie Dienstleistungserträge mit Apothekern abschließen müssen. Im Gespräch
mit DAZ.online erklärt Dr. Sabine Richard, Chefin der Versorgungsabteilung im
AOK-Bundesverband, dass sie den geplanten Eingrenzungen für EU-Versender keine juristische Chance gibt und dass sie gerne mit
Versendern über Rx-Boni verhandeln würde.
DAZ.online: Sehr geehrte Frau Dr. Richard, das BMG will eine Marktanteil-Obergrenze für EU-Versender schaffen, um die Vor-Ort-Apotheken hierzulande zu schützen. Ist das aus Ihrer Sicht überhaupt juristisch machbar?
Richard: Nein. Nach erster Einschätzung läuft die vorgesehene Marktanteilskontrolle des ausländischen Versandhandels dem freien Warenverkehr in der EU zuwider. Bei der vorgesehenen 5-Prozent-Hürde handelt es sich um eine Einfuhrbeschränkung, mindestens aber um eine Maßnahme gleicher Wirkung.
DAZ.online: Sie meinen also, die Maßnahme würde wieder vor den Gerichten landen?
Richard: Wahrscheinlich. Eine erneute Befassung des EuGH wird in den Eckpunkten auch bereits vorgesehen und scheint unausweichlich. Offensichtlich soll die Argumentation des EuGH durch die Einbindung der AMPreisV in das SGB V umgangen werden, indem dadurch der Fokus auf das nationalstaatliche Gesundheitssystem gelenkt wird.
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DAZ.online: Und meinen Sie, die Bundesregierung könnte in diesem Verfahren dann mehr Erfolg haben als bei der Verteidigung der Rx-Preisbindung?
Richard: Nachdem die seinerzeitigen Stellungnahmen der Bundesregierung im EuGH-Verfahren nicht gezündet haben, ist offen, ob dieser zweite Anlauf ausreicht, vor allem vor dem Hintergrund, dass mit dem Apothekengutachten des BMWi, in dem explizit keine Versorgungsprobleme durch den Versandhandel festgestellt wurden, ja eine neue Faktenlage entstanden ist. Wir haben die Erwartung, dass das Verfahren einen ähnlichen Verlauf nimmt wie das der PKW-Maut für Ausländer. Interessant ist, dass die Belange der privaten Krankenversicherung in den Eckpunkten offensichtlich keine Rolle gespielt haben.
DAZ.online: Wie sieht es mit dem sogenannten Boni-Deckel aus. Wäre der aus Ihrer Sicht machbar? Oder würde auch das vor Gerichten scheitern?
Richard: Ob die vorgesehene Einführung eines Boni-Deckels mit den europarechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist, dürfte von deren konkreten Ausgestaltung abhängen. Jedenfalls wird durch die Möglichkeit, einen Bonus zu gewähren, der Einheitspreis abgeschafft. Dieser war gerade Gegenstand des EuGH-Verfahrens und wurde als europarechtswidrig angesehen, da er die gleiche Wirkung wie eine Einfuhrbeschränkung hat. Ob ein Bonus von 2,50 Euro ausreicht, um diese Hürde zu umgehen, ist eine Wertungsfrage. Je höher der Bonus, desto wahrscheinlicher ist es, dass der EuGH die Regelung akzeptieren würde.
Richard: Die Kassen haben einen Anspruch auf die Boni
DAZ.online: Wie ist denn grundsätzlich Ihre Meinung zu Rx-Boni? Eigentlich müssten Sie sich doch freuen, wenn DocMorris und Co. günstigere Preise anbieten…
Richard: Im Papier bleibt offen, ob die Boni an die Krankenkassen oder wie bisher direkt an die Versicherten gewährt werden. Da Arzneimittel grundsätzlich kein Konsumgut sind, sollten Boni und Rabatte gemäß dem solidarischen Sachleistungsprinzip nicht an Einzelne gegeben werden. Eingeführt werden sollte für die Krankenkassen eine gesetzliche Grundlage, den Anspruch auf Boni geltend zu machen und gegebenenfalls auch auf dem Klageweg durchzusetzen. Daher plädierten wir bereits in der Vergangenheit für eine Anpassung der entsprechenden Rechtsnormen im Sozialgesetzbuch (SGB V) und in der AMPreisV, um den Kassen einen Anspruch auf Boni zu verschaffen.
DAZ.online: Jens Spahn will ja als Kompensation zur Öffnung der Preisbindung das Apothekenhonorar an mehreren Stellen erhöhen. Unter anderem soll die Notdienstpauschale verdoppelt werden. Was halten Sie davon?
Richard: Hier greifen die Eckpunkte selektiv einen Vorschlag des ansonsten ignorierten Honorargutachtens auf, den wir mit Blick auf die Stärkung der Versorgung in ländlichen Regionen grundsätzlich befürworten. Allerdings sollte dies wie im Honorargutachten vorgeschlagen durch die Umverteilung der Honorare finanziert werden.
Richard: Spahns Pläne widersprechen dem Honorar-Gutachten
DAZ.online: Das größte Honorarplus soll sich aber durch neue honorierte pharmazeutische Dienstleistungen ergeben – insgesamt 240 Millionen Euro. Die Kassen sollen sogar verpflichtet werden, solche Verträge mit den Apothekern abzuschließen. Was halten Sie davon?
Richard: Eine verpflichtende Vertragsvereinbarung über zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen führt zu einer Finanzierung, die an keinerlei Bedingungen gekoppelt ist. Das konterkariert die Aussagen des Apothekengutachtens des BMWi, wonach beim Apothekenhonorar eine Einsparsumme von ca. 1,24 Milliarden Euro erreichbar ist.
DAZ.online: Es ist doch aber unbestritten sinnvoll, dass die Kompetenzen der Apotheker stärker in die Versorgung eingebunden werden. Und genau das soll ja durch das neue Honorar gefördert werden.
Richard: Mit der Finanzierungszusage für zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen wird der Wunsch des Berufsstandes erfüllt, ohne dass diese neuen Leistungen aber sinnvoll in die Versorgung der Patienten integriert werden. Dass die zusätzlichen Mittel von der Apothekerschaft selbst verteilt werden sollen, zeigt, dass nicht die Patientenversorgung, sondern die Apothekerversorgung im Fokus steht. Allerdings wird die Chance einer wirklichen strukturellen Weiterentwicklung verpasst. Es ist keine Rede von neuen flexibleren Betriebsformen, die die Präsenz der Apotheker auch in strukturschwächeren Regionen langfristig sicherstellen würde.
„Der Versandhandel verbessert die Wettbewerbssituation“
DAZ.online: Eine weitere Regelung in den BMG-Plänen, die die Kassen interessieren dürfte, ist dass es den Krankenkassen verboten werden soll, Patienten zu „steuern“, sie also beispielsweise über Selektivverträge zu EU-Versendern zu lotsen. Wie kommentieren Sie das?
Richard: Die lange Verbotsliste spiegelt vor allem die Ängste der Apothekerschaft, die hier politisches Gehör gefunden hat. Verbote unterbinden den Wettbewerb, sie sind daher abzulehnen. Auch durch den Versandhandel kommt es zu einer effektiven Wettbewerbssituation um die Qualität der Versorgung der Patientinnen und Patienten.
16 Kommentare
Keine Sorge, liebe KraKa´s ...
von Alfons Neumann am 14.12.2018 um 0:02 Uhr
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Gut das wir das 2hm-Gutachten totgeschwiegen haben
von Albert Bonell am 13.12.2018 um 14:41 Uhr
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Jeder muß zu allem eine Meinung haben
von Thomas Kerlag am 13.12.2018 um 14:24 Uhr
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Ohne Worte
von B. Baumbusch am 13.12.2018 um 12:18 Uhr
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Zuzahlung
von Dr.Diefenbach am 13.12.2018 um 11:36 Uhr
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Ich kann nicht mehr
von Mathias Mallach am 13.12.2018 um 11:14 Uhr
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Ängste?
von Reinhard Rodiger am 13.12.2018 um 10:48 Uhr
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Patientenwohl
von T. La Roche am 13.12.2018 um 9:01 Uhr
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Ist das keine Option?
von Markus Rother am 13.12.2018 um 8:31 Uhr
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AW: Ist das keine Option
von Anita Peter am 13.12.2018 um 8:34 Uhr
AW: Ist das keine Option
von Markus Rother am 13.12.2018 um 9:38 Uhr
AW: Ist das keine Option
von Anita Peter am 13.12.2018 um 10:27 Uhr
AW: Ist das keine Option
von Heiko Barz am 14.12.2018 um 13:03 Uhr
.
von Anita Peter am 13.12.2018 um 8:00 Uhr
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Dilemma im Quadrat ... für den Anfang ...
von Christian Timme am 13.12.2018 um 7:48 Uhr
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von Christoph Stackmann am 13.12.2018 um 7:44 Uhr
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