Galenische Forschung

Bolasomen als Durchbruch für die Wirkstofffreisetzung?

Remagen - 20.12.2018, 09:00 Uhr

Liposomen sind eine vielversprechende Klasse von Wirkstoff-Freisetzungssystemen. Bislang gibt es aber keine lipsomale Formulierung für die orale Anwendung. (Ill.: natros / stock.adobe.com)

Liposomen sind eine vielversprechende Klasse von Wirkstoff-Freisetzungssystemen. Bislang gibt es aber keine lipsomale Formulierung für die orale Anwendung. (Ill.: natros / stock.adobe.com)


Pharmazeuten von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) ist es erstmals gelungen, auf der Basis der natürlich vorkommenden Bolalipide einfachere synthetische Lipide herzustellen, die für die Verwendung in Liposom-Arzneistoffträgern in Frage kommen. Diese sind gegenüber Magensaft stabil und könnten damit für die Freisetzung von Substanzen aus oralen Zubereitungen taugen.

Liposomen sind eine vielversprechende Klasse von Wirkstoff-Freisetzungssystemen. Wegen ihrer mangelnden Stabilität im Magen-Darm-Trakt gibt es jedoch bisher keine liposomale Formulierung für die orale Anwendung.

Simon Drescher, Leiter der AG Biophysikalische Pharmazie am Institut für Pharmazie der Universität Halle, forscht seit rund zehn Jahren an säureresistenten Lipiden. In seiner Arbeitsgruppe beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit bipolaren Amphiphilen (Bolalipiden)

Diese besitzen zwei hydrophile Kopfgruppen, die über eine oder mehrere hydrophobe Alkylketten miteinander verbunden sind. In der Natur kommen Bolalipide in den Tetraetherlipiden der Membranen verschiedener Archaebakterien vor. Sie sorgen dafür, dass die Bakterien gegenüber ihren harschen Lebensbedingungen (sehr hohe Temperaturen, niedrige pH-Werte) außerordentlich stabil sind.

Mizelle, Liposom und Doppellipidschicht (Ill.: natros / stock.adobe.com)

Da Bolalipide Phospholipid-Doppelschicht-Membranen überbrücken können, könnten sie entsprechende liposomale Formulierungen gegenüber den Bedingungen im Magen-Darm-Trakt, das heißt, den Angriffen von Lipasen, Magensäure oder Gallensalzen stabilisieren. Die Extraktion der Bolalipide aus den Bakterien selbst ist jedoch für den großtechnischen Einsatz zu aufwendig, und auch die Vollsynthese der natürlich vorkommenden Strukturen ist viel zu komplex.

21 Tage stabil

Erstmals ist es den Wissenschaftlern nun gelungen, im Labor einfach aufgebaute Lipide mit diesen speziellen Eigenschaften synthetisch herzustellen. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift „Biophysical Chemistry“ beschrieben

Die neuartigen Bolalipide enthalten seitliche Alkyl-Ketten unterschiedlicher Länge in den Positionen 1 und 32 der Membran-überbrückenden C32 Alkyl-Einzelkette. Die Wissenschaftler konnten auch zeigen, dass ihre synthetischen Alkyl-Einzelketten-Bolalipide mit Phospholipid-Doppelschichten mischbar sind, und zwar unter Beibehaltung der liposomalen Struktur. Die Mischbarkeit nahm mit zunehmender Länge der Alkyl-Seitenketten zu. Auch konnten sie Liposomen aus verschiedenen Bolalipid/Phospholipid-Mischungen herstellen, die größenmäßig mindestens 21 Tage lang stabil waren.

(Abb.: Uni Halle)

Gute Voraussetzungen zum Weitermachen

„Das wiederum sind gute Voraussetzungen, an und mit dieser Substanz weiterzuarbeiten“, sagt Simon Drescher. Er will nun weiter untersuchen, wie sich die neuartigen „Bolasomen“ in verschiedenen Flüssigkeiten verhalten, zum Beispiel in künstlichem Magensaft. Konkret soll analysiert werden, ob sie sich eventuell als Schutzmantel für säureanfällige Wirkstoffe eignen. „Die Liposomen müssen für diesen Zweck zwar stabil sein, aber auch nicht zu stabil“, gibt Drescher zu bedenken. „Denn die Substanz, und damit die Liposomen, sollen sich zwar nicht in der Magensäure auflösen, dafür aber im Darmtrakt. Dort sollen die Wirkstoffe freigesetzt werden, damit sie in den Körper gelangen.“ Erste Ergebnisse hierzu seien vielversprechend, erklärt Drescher weiter. 

Ob und wie sich die Erkenntnisse später für die Entwicklung neuer Medikamente verwenden lassen, könne zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht abgeschätzt werden. Zunächst müsste die Struktur erst einmal als Modell-Arzneistoff ausgewiesen werden, bevor sie im nächsten Schritt am Tier und danach am Menschen geprüft werden könnte. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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