Datenschutz vs. Patientenschutz

Arzneimittelrückruf: Darf man Patienten anrufen?

Freiburg - 21.12.2018, 10:15 Uhr

Darf man Patienten, die nicht explizit eingewilligt haben, bei einem Rückruf anrufen? (s/ Foto: Schelbert)

Darf man Patienten, die nicht explizit eingewilligt haben, bei einem Rückruf anrufen? (s/ Foto: Schelbert)


Vor kurzem wurde das hormonale Kontrazeptivum Trigoa von Pfizer zurückgerufen. In einem Anschreiben, das über den Hintergrund des Rückrufs informiert, werden Apotheker angehalten, betroffene Patientinnen hierüber aktiv in Kenntnis zu setzen. Dies wirft die Frage nach der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Kontaktaufnahme auf. Rechtsanwalt Dr. Lukas Kalkbrenner beantwortet sie für DAZ.online.

Gut ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung verunsichert der Aufruf von Pfizer, Trigoa-Anwenderinnen aktiv zu informieren, viele Apotheker. Gerade erst wurden die Kundenkartenanträge an die neuen, strengen Vorgaben angepasst. Als einer der Zwecke einer Kundenkarte wurde die Rücksprache mit Patienten aufgenommen – und nun sollen Patientinnen unabhängig davon, also ohne Vorliegen einer Einwilligungserklärung, kontaktiert werden. Wie passt das zusammen? Setzen sich Apotheken damit etwa dem Risiko eines Datenschutzverstoßes aus?

Die Nutzung der Kontaktdaten der Patientinnen stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten dar. In Verbindung mit der Kenntnis des Verhütungswunsches der Betroffenen handelt es sich um die Verarbeitung sogenannter besonderer Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten). Ursprünglich sind diese Angaben im Rahmen der Einlösung der Verschreibung zur abgebenden Apotheke gelangt, was datenschutzrechtlich unproblematisch ist und insbesondere keiner Einwilligung in die damit verbundene Datenverarbeitung bedarf.

Keine Kundenkarte, keine Information möglich?

Die Nutzung der Gesundheitsdaten zu einem anderen Zweck – dem Rückruf der Anti-Babypille – bedarf einer gesonderten gesetzlichen Erlaubnis. Im Datenschutzrecht gilt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Was nicht erlaubt ist, ist verboten. Die Einwilligungserklärung in die Kontaktaufnahme, die Patientinnen mit Kundenkarte erteilt haben, kann eine solche Erlaubnis darstellen. Das bedeutet aber nicht im Umkehrschluss, dass Patientinnen ohne Kundenkarte im Fall des Trigoa-Rückrufs nicht über das Risiko einer möglichen Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt werden dürfen. 

Datenschutzexperte Dr. Lukas Kalkbrenner

So erlaubt § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) Bundesdatenschutzgesetz die Verarbeitung von Gesundheitsdaten, wenn dies „zur Gewährleistung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Gesundheitsversorgung und bei Arzneimitteln erforderlich ist“ – eben auch ohne Einwilligung. Darauf können sich Apotheken berufen, die der begründeten und nachvollziehbaren Bitte von Pfizer folgen und ihre Patientinnen im öffentlichen Interesse von dem Rückruf in Kenntnis setzen. Datenschutzrechtswidriges Verhalten ist damit nicht verbunden.

Wichtig ist, dass die Daten damit nicht für weitere vorstellbare Zwecke verwendet werden dürfen. Es gilt der Grundsatz der Zweckbindung, wonach es für jeden Verarbeitungszweck einer eigenen Erlaubnis bedarf, die im jeweiligen Einzelfall vorliegen muss.


Dr. Lukas Kalkbrenner, Rechtsanwalt, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
redaktion@daz.online


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