Widerspruchslösung vs. Behörden-Abfrage

Bundestag: Uneinigkeit über Zukunft der Organspende

Berlin - 27.12.2018, 11:30 Uhr

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vertreten bei der Organspende die doppelte Widerspruchslösung, eine andere Gruppe von Parlamentariern will Bürger bei Behördenbesuchen nach der Organspende-Bereitschaft fragen. (Foto: Imago)

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vertreten bei der Organspende die doppelte Widerspruchslösung, eine andere Gruppe von Parlamentariern will Bürger bei Behördenbesuchen nach der Organspende-Bereitschaft fragen. (Foto: Imago)


In der Debatte über eine Reform der Regelungen für die Zustimmung zur Organspende zeichnet sich kein Kompromiss ab. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach lehnte den Vorschlag einer parteiübergreifenden Parlamentariergruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock ab, der die Zustimmung zur Organspende mit der Vergabe eines Ausweises oder Reisepasses verknüpfen will. Lauterbach und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) werben für die sogenannte „doppelte Widerspruchslösung“.

Aller Aufklärung zum Trotz gehen die Organspende-Zahlen seit 2012 herunter und sanken 2017 auf einen Tiefpunkt von 797 Spendern. Für dieses Jahr zeichnet sich immerhin wieder ein Anstieg ab – bis Mitte November gab es schon 832 Spender. Trotzdem wollen die Parlamentarier die Bereitschaft zur Organspende durch ein neues Gesetz ankurbeln. Während der Weihnachtstage hat sich allerdings ein medialer Zwist darüber ergeben, wie man dieses Ziel erreichen will.

Die der dpa und der „Welt“ vorliegenden Eckpunkte der Gruppe um Grünen-Chefin Baerbock sehen vor, dass die Bereitschaft zur Organspende abgefragt wird, wenn jemand einen Ausweis oder Reisepass abholt. Ausführliche Informationen und die Möglichkeit für ein ergänzendes Gespräch sollen die Bürger demnach erhalten, wenn sie den Ausweis beantragen. Beim Abholen müssen sie entscheiden, ob sie zur Organspende bereit sind oder ob sie die Entscheidung verschieben. Wenn die Person Organspender sein möchte oder Angehörige entscheiden sollen, werden die Daten an das zentrale Organspenderegister übermittelt. Alle bekommen demnach Zugangsdaten mit einer persönlichen Nummer, über die sie jederzeit die Entscheidung ändern oder nachholen können.

In Grundzügen entspricht das einem Vorschlag von Parlamentariern um Baerbock und Linke-Chefin Katja Kipping, der bei einer Bundestagsdebatte Ende November viele Unterstützer hatte. Vertreten sind demnach Politiker aller Bundestagsfraktionen außer der AfD.

Lauterbach: Antrag zur Widerspruchslösung kommt im Januar

SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach sagte der Nachrichtenagentur dpa, dieser Vorstoß werde in der Praxis dazu führen, „dass viele, die eigentlich spenden wollen, es nicht tun“. Zum einen gebe es viele Menschen, die keine deutschen Pässe beantragen. Zudem sei man etwa im Alter von 18 Jahren, wenn man womöglich erstmals einen Pass beantrage, „noch nicht gewillt, sich mit der Frage intensiv auseinanderzusetzen“. Auch könnten unterschiedliche Dokumente Unklarheiten hervorrufen. „Es kann dazu führen, dass auf dem einen Dokument noch dokumentiert ist, dass man Spender ist, auf dem anderen nicht.“

Lauterbach weiter: „In der Umsetzung werden sich viele dann also entweder nicht entscheiden. Oder sie werden die Entscheidung bereuen, aber sie wollen dann nicht ein neues Dokument extra beantragen, um die Entscheidung zu revidieren.“ Bei der von ihm unterstützen Widerspruchslösung sei jeder Spender, es sei denn, man widerspreche. „Widersprechen kann ich zu jedem Zeitpunkt auf eine unbürokratische einfache Art und Weise. Dann werde ich in ein Register eingetragen als Nicht-Spender. Fertig.“ Dies funktioniere in allen Ländern, in denen eine solche Lösung zur Organspende eingeführt sei.

So wie Lauterbach hatte auch Spahn vorgeschlagen, jeder solle als Spender gelten, der nicht aktiv widerspreche. Der Minister warb für diese „doppelte Widerspruchslösung“ angesichts von rund 10.000 Menschen, die auf Organe warten. Bisher sind Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärtem Ja erlaubt. Die Reform ist für das kommende Jahr geplant, Lauterbach erwartet eine entsprechende Bundestagsdebatte im März. Der vorbereitete fraktionsübergreifende Antrag für eine „doppelte Widerspruchslösung“ werde schon in den ersten Januarwochen vorgelegt.



bro / dpa
brohrer@daz.online


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