Schließung in Bochum

Apotheke findet keinen Abnehmer – Glasgefäße schon

Berlin - 30.01.2019, 09:00 Uhr


Im Bochumer Stadtteil Langendreer gingen Anfang des Jahres über 45 Jahre Apothekengeschichte zu Ende. Ein Nachfolger konnte nicht gefunden werden. Die Kunden müssen sich nun neu orientieren. Von ihrer Stammapotheke konnten sie Erinnerungsstücke erwerben: ein „Flohmarkt“ des Apothekeninventars machte es möglich.

Apothekenschließungen lassen sich nicht immer vermeiden. Die Gründe sind vielfältig. Teilweise werden auf diese Weise jahrzehntelange Traditionen beendet. So auch im Fall der Ost-Apotheke aus Bochum-Langendreer. Mehr als 45 Jahre versorgte sie die Stadtteilbewohner. Am Anfang dieses Jahres wurden die letzten Kunden bedient. Apothekenleiter Bernd Seroka berichtet DAZ.online von den Hintergründen und dem Ablauf der Schließung. 

Tradition kann nicht weitergeführt werden

Im Jahre 1973 wurde die Ost-Apotheke in Bochum-Langendreer, dem östlichsten Stadtteil von Bochum mit rund 26.000 Einwohnern, von Dr. Franz Josef Reith gegründet – so Bernd Seroka. Seroka habe die Apotheke im Jahre 1993 von Reith übernommen. „Ich habe die Apotheke allerdings nie umbenannt. So führte sie offiziell bis zum Schluss den Namen Ost-Apotheke Dr. Reith“, erläutert der Bochumer Apotheker.

Ein bis eineinhalb Jahre habe Seroka – in erster Linie mittels Unterstützung durch die Deutsche Apotheker- und Ärztebank – nach einem Nachfolger für die Apotheke gesucht. Er selbst habe sich zu dem damaligen Zeitpunkt dazu entschlossen, aus Altersgründen die Apotheke aufzugeben. Es habe daraufhin auch einige Interessenten gegeben. Doch konnte sich am Ende keiner zum Kauf der Apotheke entschließen. „Manche haben überlegt, eine Filiale zu eröffnen. Aber das rechnet sich auch nicht“, so Seroka ernüchtert. Dennoch zeigt er viel Verständnis für die Entscheidungen: „Ich meine, in meinem Alter, wo alles abbezahlt ist, kann man gut davon leben. Aber wer jung ist – das verstehe ich auch – geht heutzutage ein Risiko ein, bei dem was dann übrigbleibt. Das ist nicht so günstig.“ So blieb nur die Schließung und Aufgabe der Tradition.

Geänderte Laufwege erschwerten das Geschäft

Zum Zeitpunkt der Übernahme der Apotheke in den 90er-Jahren sei das Umfeld noch sehr günstig gewesen. „Früher, als ich anfing, sind noch viele in der Gegend unterwegs gewesen – gerade an den Markttagen“, beschreibt Seroka die damalige Lage. Inzwischen gäbe es weder den kleinen Supermarkt, noch den Metzger oder den Bäcker. Alle hätten in den letzten Jahren aufgegeben. Immer mehr Leerstände und häufigere Geschäftswechsel habe es im Viertel gegeben. In dem Wohngebiet praktiziere zudem inzwischen nur noch ein Allgemeinmediziner, der im Einzugsgebiet der Apotheke liege. „Die Laufwege der Leute haben sich geändert. Am Ende waren es wirklich nur noch die Stammkunden“, so Seroka. 

Nur noch Akutbedarf vor Ort, Vorräte wurden online gekauft

Der Einfluss eines zunehmenden Online-Handels mit Arzneimitteln habe auch das Seine zu der verschlechterten Situation beigetragen. Allerdings sehe er diese Entwicklung als problematisch für den gesamten stationären Handel an. Wobei es einige Branchen wie Apotheken gäbe, die auch als Vor-Ort-Handel Vorteile ausspielen könnten. Dennoch habe auch er beobachtet, dass die Kunden vor allem für schnell einzukaufende Medikamente wie Schmerzmittel gekommen seien – und ansonsten vermehrt auf Vorrat bei Online-Apotheken gekauft hätten.

Schließung: Apotheke wurde zum „Flohmarkt“

Der vierte Januar war schließlich der letzte Tag, an dem noch Kunden in der Ost-Apotheke bedient wurden. Danach sei die Ware und alles andere ausgeräumt worden. Wie schon vor 26 Jahren engagierte Seroka eine auf Apothekenauflösungen spezialisierte Firma für eine sachgerechte und reibungslose Abwicklung. „1993 hatte ich schon mal eine ganz kleine Apotheke mit dieser Firma aufgelöst. Das war bevor ich diese Apotheke übernommen hatte“, erläutert Seroka seine Erfahrungen. Damals hätte ihn die Firma um 14 Tage Zeit gebeten, um Einrichtung und verkäufliches Inventar veräußern zu können. In diesem Fall habe sich der Spezialanbieter auf fünf Tage beschränkt.

Wie in einem „Flohmarkt“ wären dann Standgefäße, Waagen, Laborgeräte, Fläschchen, Trichter und Co. angeboten worden. Auch ein altes Pillenbrett habe so eine neue Besitzerin gefunden. „Es war eine Apothekerin da, die schon länger im Ruhestand ist. Sie hat sich unter anderem das Pillenbrett mitgenommen“, so der Apotheker. Ansonsten seien die Käufer seine ehemaligen Kunden gewesen, die teilweise auch peinlich berührt gewesen seien. Die meisten seien allerdings – genauso wie er selbst – offen mit der ungewohnten Situation umgegangen. „Es war auch irgendwie ganz nett“, resümiert er.

Ende gut – alles gut?

Die Auflösung der Apotheke sei gut verlaufen. Die Spezialfirma habe seiner Kenntnis nach auch noch einiges vom Inventar verkaufen können. Er selbst sei teilweise anwesend gewesen, aber nur als Zaungast. Fotografiert habe er noch – zur Erinnerung. Seine ehemaligen Mitarbeiterinnen, zwei PTAs und eine PKA, hätten inzwischen eine neue Anstellung gefunden. Er selbst bleibe dem Beruf noch ein wenig treu und versuche einen sanften Ausstieg in den Ruhestand durch eine 10-Stunden-Stelle in einer befreundeten Apotheke.

Für Bernd Serokas Stammkundschaft ist es dennoch ein schmerzhafter Abschied. Das betont der Bochumer Apotheker ausdrücklich. „Die Reaktionen waren sehr verständnisvoll, dass ich jetzt wirklich in Rente gehen will. Aber auch unheimlich traurig. Einige habe durchaus geweint“, beschreibt er den Abschied. Die Trauer überwiege.



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Ironie oder passendes Bild

von Dr Schweikert-Wehner am 30.01.2019 um 9:53 Uhr

Alles was von uns als Wert bleibt und nach wie vor gefragt ist auch bei den Holland-Schnäppchenjägern ist unser Glasmuseum.

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