„Intelligente“ Kühlschränke

Apothekenkonzern Walgreens screent die Kunden

München - 30.01.2019, 11:30 Uhr

Der US-Apothekenkonzern Walgreens testet erstmals Gesichtsscanner in einem Shop in Chicago. ( r / Foto: Imago)

Der US-Apothekenkonzern Walgreens testet erstmals Gesichtsscanner in einem Shop in Chicago. ( r / Foto: Imago)


Die größte US-amerikanische Apothekenkette Walgreens nimmt das Verhalten der Kunden unter die Lupe. In einem Einzelhandelsgeschäft in Chicago scannen neuerdings sogenannte „intelligente“ Kühlschränke die Käufer und analysieren deren Verhalten.

Die digitale Technologie verändert auch den Einzelhandel massiv. Das wird deutlich an der jüngsten Neuerung des US-Apothekenkonzerns Walgreens, der seit diesem Monat in einem Geschäft in Chicago mit Hilfe von intelligenten Kühlschränken erfahren will, wer die Kunden sind und wie sie sich verhalten. Wie das US-Magazin „The Atlantic“ berichtet, scannen die Geräte mit Hilfe von Kameras die Gesichter von Kunden und bestimmen deren Geschlecht und Alter. In Kürze sollen auch Geschäfte in New York und San Francisco mit den Scan-Apparaten ausgestattet werden.

Nach Angaben des Berichts identifizieren die Kühlschrank-Scanner die Gesichter nicht, sondern würden lediglich Merkmale wie Geschlecht und Alter feststellen. Nachdem eine Kamera die Gesichter aufgenommen hat, analysiert ein auf künstlicher Intelligenz basierendes System wichtige Merkmale, beispielsweise den Abstand zwischen den Augen oder die Distanz zwischen Lippen und Nase. Daraus könne das System ablesen, ob die Person die die Kühlschranktür öffnet, beispielsweise eine junge Frau oder ein Mann in den 50ern ist. Anhand einer Analyse der Iris können die Computer zudem feststellen, welche Produkte die Kunden am meisten und wie lange betrachten.

Dieser Unterschied zwischen Analyse und Identifizierung ist laut „The Atlantic“ wichtig, da es in manchen US-Bundesstaaten wie Illinois verboten sei, Gesichter in der Öffentlichkeit zu identifizieren. Das gelte auch für Überwachungskameras an Gebäuden.

Gezielte Ansprache der Kunden

Für Einzelhändler dürfte das Scan-System dennoch hilfreich sein. Mit den daraus gewonnen Informationen können sie herausfinden, welche Produkte die Konsumenten kaufen beziehungsweise was die Gründe für deren Kaufeinscheidung sein könnten. Das Ziel ist es, mit Hilfe der gewonnenen Daten Kunden gezielter ansprechen zu können.

Nach einem Bericht der Zeitung Wall Street Journal setzt nicht nur Walgreens diese Technologie ein. Demnach würden insgesamt etwa 15 Handelskonzerne Interesse an dem System der Firma Cooler Screens haben, darunter Nestle, MillerCoors und Conagra. Cooler Screens wiederum werde vom Microsoft-Konzern unterstützt, der Software für die Technologie entwickeln wolle.

Auch in Europa hat es schon Versuche mit Gesichtsscannern gegeben, sogar in Apotheken: Im vergangenen Jahr installierten zwei österreichische Apotheken Gesichtsscanner der Firma Bayer. Nach heftigen Protesten wurden die Scanner nach nur wenigen Tagen allerdings wieder entfernt.

Walgreens wird digitaler

Walgreens selbst gab keine Informationen zu dem neuen Projekt bekannt, das auf den ersten Blick nicht wirklich zum Kerngeschäft des Apothekenriesen passen mag. Allerdings unternimmt der Konzern zunehmend Ausflüge in die digitale Welt. So hat die zu Walgreens gehörende britische Apotheken- und Drogeriekette Boots kürzlich wie berichtet die Softwarefirma Wiggly-Amps übernommen, deren Technologie eine direkte Verbindung zu Hausarztdaten von Patienten ermöglicht. Auf diese Weise steige Boots in das Geschäft mit Online-Rezepten ein.

Bei dem Walgreens-Test handelt es sich im Übrigen nicht um den ersten Versuch des Einzelhandels, digitale Technologien im Kundenkontakt einzusetzen. So werden in den Amazon Go stores in den USA, die keine Kassen mehr haben, die Einkäufe der Kunden digital erfasst und über deren Amazon-Kundenkonto abgerechnet.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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