- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Apotheker 0:1 Zur Rose
Kommentar zum E-Rezept-Start
Apotheker 0:1 Zur Rose
Der Zur Rose/DocMorris-Konzern macht das, was ein großes Unternehmen nun einmal macht: Es expandiert und sucht sich neue Geschäftsfelder. Dass Zur Rose nun am ersten E-Rezept-Projekt in Deutschland beteiligt ist, zeigt, dass der Arzneimittel-Versandhandel für den Konzern nur noch eines von vielen Standbeinen ist. Und das wiederum verdeutlicht einmal mehr, dass es ein grober Fehler der Apotheker-Standesvertretung war, zwei Jahre lang nur über diesen Versandhandel zu sprechen, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.
Kurz nach der teilweisen Aufhebung des Fernbehandlungsverbots durch den Deutschen Ärztetag sagte Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, im Mai 2018: „Weil nach ausschließlicher Fernbehandlung auch nach Vorstellung der Bundesärztekammer keine Rezepte ausgestellt werden dürfen, ändert sich für Apotheken nichts.“
Was hat sich seitdem getan? Der Markt der Online-Praxen entwickelt sich rasant, mindestens ebenso rasant entwickelt sich die Digitalisierung des Apothekenmarktes. Alle großen (privaten) Player im Markt wollen eine Bestell-Plattform gründen und Handy-Apps weiterentwickeln. Auf politischer Ebene ist die Große Koalition übrigens gerade dabei, das von Kiefer beschworene Fernverordnungsverbot aufzuheben, für das E-Rezept gibt es einen klaren Zeitrahmen und das von der ABDA zwei Jahre lang geforderte Rx-Versandverbot scheint nicht mehr machbar zu sein.
Mehr zum Thema
Erste E-Verordnung in Deutschland
TK startet E-Rezept-Pilotprojekt – mit DocMorris-Schwester
Doch in den vergangenen Monaten und Jahren ist noch viel mehr passiert: Der Klassenfeind Nummer eins der Apotheker, der Pharmahandelskonzern Zur Rose mit seiner niederländischen Tochter DocMorris, hat klammheimlich in wichtigen Bereichen Fußstapfen gesetzt. Wie eine hungrige Krake haben Zur Rose/DocMorris ihre vielen Unternehmenszweige in genau den Bereichen der Arzneimittelversorgung eingesetzt, die in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen werden.
Da wäre beispielsweise das neu gegründete Datenunternehmen, bei dem der Konzern mit der Versand-Konkurrenz sogar zusammenarbeitet. Die EU-Versender sind hier in das Geschäft mit der Währung der Zukunft eingestiegen: Gesundheitsdaten – die wollen sie nämlich (natürlich anonymisiert) sammeln und der Pharmaindustrie verkaufen. Ein weiteres Beispiel ist die Akquise von Promofarma: Hier beweisen Zur Rose/DocMorris bereits im Ausland, das sie einen Bereich schon beherrschen, an dem hierzulande noch gewerkelt wird. Denn Promofarma ist im Prinzip nichts anderes als das, woran Noweda/Burda und die neue Initiative „ProAvo“ arbeiten: Eine Bestellplattform, die dezentral, also über die Apotheken vor Ort funktioniert.
Daten-Unternehmen, E-Rezept, Promofarma
Jüngstes Beispiel für die Ausbreitung des Schweizer Konzerns ist die Mitwirkung am ersten E-Rezept in Deutschland. Natürlich hat der Versand-Konzern in dem Projekt keinen direkten Einfluss auf das Projekt, schließlich steuert die Zur Rose-Tochter König nur die Technik bei. Aber dem EU-Versender dürfte es um etwas anderes gehen: Denn wenn das Projekt gelingt, kann der Konzern bei der Politik vorsprechen und sagen: Wenn die Apotheker das nicht rechtzeitig schaffen, dann haben wir eine fertige Lösung, die funktioniert. Und die Politik könnte dann sagen: Ja, dann nehmen wir doch das.
Das alles bedeutet natürlich nicht, dass das Versandgeschäft für Zur Rose unwichtig geworden ist. Ganz im Gegenteil: Mit der Übernahme diverser anderer Versender haben sie diesen Geschäftszweig sogar noch gestärkt. Aber der Konzern hat nun eben auch weitere, zukunftsträchtige Geschäftsfelder erschlossen. Lange Zeit zeichnete sich ein Rx-Versandverbot ab – die Entscheidung, die Geschäftsbereiche zu erweitern, ist aus rein unternehmerischer Sicht also verständlich.
Apotheker jetzt unter Druck
Für die Apotheker ist das Vorgehen des Konzerns aber wahnsinnig gefährlich. Gerade beim E-Rezept-Projekt zeigt sich jetzt, dass die Standesvertretung in den vergangenen Jahres vieles verschlafen hat: Während die ABDA ihre Kraft in das Rx-Versandverbot investierte, suchten sich Zur Rose und DocMorris schon neue Möglichkeiten, die Apotheker in anderen Bereichen zu überholen. Das bedeutet nicht, dass der Kampf für die Gleichpreisigkeit und die Systemerhaltung falsch war – er hat andere Dinge aber möglicherweise zu sehr überschattet.
Umso wichtiger ist jetzt, dass die Apotheker in Baden-Württemberg jetzt unter Hochdruck ihr E-Rezept-Projekt an den Start bringen. Denn eines ist klar: Die Pharmazeuten stehen unter Druck. Den ersten Aufschlag haben nämlich nun andere gemacht.
5 Kommentare
Kommentar Benjamin Rohrer
von Dr. Detlef Eichberg am 01.02.2019 um 7:46 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Schnidt
von Alexander Zeitler am 01.02.2019 um 2:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Patientensteuerung
von Reinhard Rodiger am 31.01.2019 um 22:32 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
E-Rezept und Versandhandel
von Konrads am 31.01.2019 um 20:01 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Schmidt
von Conny am 31.01.2019 um 19:09 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.