Im Auftrag der EMA

NOAK-Vergleich: Weniger GI-Blutungen unter Apixaban

Berlin - 07.02.2019, 10:45 Uhr

Welches NOAK verursacht die meisten Blutungen? Eine vergleichende Datenbankanalyse von neutraler Seite gibt Antwort. (Foto: imago)

Welches NOAK verursacht die meisten Blutungen? Eine vergleichende Datenbankanalyse von neutraler Seite gibt Antwort. (Foto: imago)


Welches NOAK ist das sicherste? Die Universität Utrecht hat im Auftrag der Europäischen Arzneimittel-Agentur acht Datenbanken aus sechs EU-Ländern nach verschiedenen Pharmakovigilanz-Aspekten ausgewertet. Den Ergebnissen zufolge traten unter Apixaban weniger gastrointestinale Blutungen auf, als unter Rivaroxaban und Dabigatran.

Der Wettbewerbsdruck bei den nicht-Vitamin-K-abhängigen Antikoagulanzien (NOAK) ist hoch. Head-to-Head-Vergleiche von neutraler Seite waren bis zum gestrigen Mittwoch rar: Seit dem 6. Februar ist auf der Seite der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) das Abstract einer komparativen Datenbankauswertung verfügbar. Dr. Helga Gardarsdottir von der Universität Utrecht hat im Auftrag der EMA acht Datenbanken aus sechs EU-Ländern nach drei Fragestellungen zu den NOAK Dabigatran (Pradaxa®), Rivaroxaban (Xarelto®) und Apixaban (Eliquis®) bei der Hauptindikation nicht-valvuläres Vorhofflimmern ausgewertet:

  1. Treten unter Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban mehr oder weniger schwere Blutungen auf im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten?

  2. Wie entwickelten sich die Neueinstellungen mit den drei NOAK zwischen 2008 und 2015?

  3. Wie gut halten sich die Verordner an die Fachinformation bezüglich Anwendungsgebieten oder Kontraindikationen? Hier wurde im Gegensatz zu den Punkten 1 und 2 indikationsübergreifend ausgewertet.

Hohe Varianz der Kohorten

Um die erste Fragestellung zu beantworten, wertete Gardarsdottir Registerdaten aus UK, Spanien, Dänemark und Deutschland von insgesamt 251.719 Patienten aus. Das mittlere Alter lag bei 75 Jahren, der Frauenanteil variierte von 41,3 bis 54,3 Prozent. Auffällig war die Schwankungsbreite bei den schweren Blutungen in den vier Kohorten: So traten in der dänischen Kohorte unter NOAK insgesamt 16 Prozent weniger schwere Blutungen auf, in UK lag die Rate der Majorblutungen dagegen um 13 Prozent höher als unter Vitamin-K-Antagonisten.

Mehr GI-Blutungen unter Pradaxa und Xarelto

Eine Auswertung der Gesamtkategorie der schweren Blutungen nach den drei NOAK ist in dem Abstract zwar nicht verfügbar. Dafür eine Aufschlüsselung nach einzelnen Blutungsarten. Deutliche Unterschiede waren bei den gastrointestinalen (GI) Blutungen zu verzeichnen: Und zwar traten unter Dabigatran 48 bis 67 Prozent und unter Rivaroxaban 30 bis 50 Prozent mehr GI-Blutungen auf als unter anderen Antikoagulanzien. Diese Werte beziehen sich auf die Datenbanken aus Spanien, Deutschland und UK, zahlen zu der dänischen Kohorte wurden in der Zusammenfassung nicht angegeben.

Bei den intrakraniellen Blutungen zeigte sich nahezu konsistent der Vorteil der NOAK, der sich bereits in den Zulassungsstudien der Substanzen gezeigt hatte. Eine Ausnahme bildete Rivaroxaban in der UK-Kohorte, hier erhöhte der Xarelto®-Wirkstoff das Hirnblutungsrisiko um mehr als das Doppelte (Hazard Ratio 2,37), allerdings spricht die Breite des Konfidenzintervalls (1,19 - 4,71) für eine große Streuung.

Größter Zuwachs bei den Neueinstellungen unter Eliquis

Der zweite Studienteil widmete sich den Erstverschreibungsraten. Dazu wurden die Informationen von 186.405 Erwachsenen aus acht Datenbanken, darunter auch Krankenkassendaten der AOK Nordwest, analysiert. Der größte Zuwachs an Neuverschreibungen war unter Apixaban zu verzeichnen und zwar um 555 Prozent zwischen 2014 und 2015 (im Vergleich zum Zeitraum 2013 bis 2014). Der Anstieg könnte auch dadurch zu erklären sein, das Pfizer für Eliquis® die Zulassung für die Vorhofflimmer-Indikation im November 2012 erhielt und der Ausgangswert an Neueinstellungen 2013 noch niedrig gewesen sein könnte. Dabigatran und Rivaroxaban dagegen waren zu dem Zeitraum bereits für dieses Anwendungsgebiet zugelassen.

Kontraindikationen unter Pradaxa am häufigsten missachtet

Bei der dritten Fragestellung ging es darum, inwieweit die Ärzte die Vorgaben der Fachinformationen einhielten. Bei den Daten von 407.576 Patienten wurden neben dem nicht-valvulären Vorhofflimmern auch die übrigen NOAK-Indikationen wie beispielsweise venöse Thromboembolien berücksichtigt. Zwischen den Datenbanken gab es große Unterschiede, was die Beachtung von Kontraindikationen betrifft: Und zwar erhielten zwischen 8 und 56 Prozent der Patienten ein NOAK, obwohl mindestens eine Kontraindikation bestand. Am häufigsten war dies der Fall bei Dabigatran, und zwar für die Gegenanzeige Krebs. Unter dem Pradaxa®-Wirkstoff waren auch die meisten Auffälligkeiten bei Interaktionen zu verzeichnen: Innerhalb der verschiedenen Kohorten schwankte der Anteil kritischer Begleitmedikationen zwischen 22 und 54 Prozent – am häufigsten wurden NSAR zusätzlich verordnet.

Neutraler Head-to-Head Vergleich

Dass die Datenbankanalyse durchgeführt wurde, ist das Ergebnis eines Pharmakovigilanz-Workshops der EMA 2015. Der Startzeitpunkt erklärt auch, weshalb Lixiana® (Edoxaban) in den Vergleich nicht einbezogen wurde, weil dies in der EU erst später in den Markt kam. Ob und welche Konsequenzen die Arzneimittelbehörde daraus zieht, ist noch offen. Die niederländische Studie zeichnet sich durch hohe Patientenzahlen und vor allem Neutralität aus. Und letztere wurde von Fachkreisen immer wieder gefordert. So wurden seit der Einführung der NOAK zwar zahlreiche Studien, auch vergleichende Datenbankanalysen publiziert. Doch fast immer steckte als Sponsor einer der NOAK-Hersteller dahinter und selbst bei der Nutzung der gleichen Datenquelle ergaben sich unterschiedliche Ergebnisse, die zumeist jeweils zugunsten der eigenen Substanz ausfielen. Und auch die Zulassungsstudien lassen sich auch nicht direkt miteinander vergleichen, da die Patientenkollektive und Blutungsdefinitionen unterschiedlich waren.

Ein noch genaueres Bild könnte sich ergeben, wenn der ganze Datensatz der niederländischen Studie veröffentlicht werden würde. Neben den üblichen Limitationen von retrospektiven Datenbankanalysen fällt auf, dass sich die Ergebnisse in den einzelnen Kohorten zum Teil stark unterscheiden. Außerdem ist zu beachten, dass keine Wirksamkeitsdaten – also die Kehrseite der Blutungsmedallie –ausgewertet wurden.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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